Noch nie hat die Phase einer Regierungsbildung so lange gedauert wie bei der Bildung der dritten Großen Koalition unter Angela Merkel. Ungewöhnlich an den Verhandlungen sei aber nicht nur die Länge gewesen, sagte Stephan Lamby im Interview mit @mediasres, sondern auch die Tatsache, dass es zwei Anläufe gab. Diese seien sehr unterschiedlich in ihrer medialen Darstellung gewesen.
Der Filmemacher hat über die letzten fünfeinhalb Wochen der Regierungsbildung einen Dokumentarfilm gedreht und mit Politikern und Journalisten gesprochen.
Fehler und Kurzschlussreaktionen
Bei den "Jamaika"-Verhandlungen hätten die Politiker Öffentlichkeitsarbeit betrieben und sich ganz bereitwillig auf die Berichterstattung eingelassen - "weil es auch um die Darstellung der eigenen Position in der Öffentlichkeit ging". Dagegen hätten sich die Beteiligten bei den Verhandlungen über eine Große Koalition zurückgehalten und das Ergebnis erst am Schluss bekannt gegeben.
Dies sei auch eine Lehre aus der ersten Verhandlungs-Runde gewesen, konstatiert Lamby. Dort sei es zu Fehlern seitens der Politiker gekommen. Beispielsweise hätte sich die SPD-Spitze dem Sog der Medien sich nicht mehr entziehen können und noch am Tag nach dem Ende der Jamaika-Verhandlungen verkündet, die SPD bleibe in einer Oppositionsrolle. Eine Kurzschlussreaktion, so Lamby, die in der Dokumentation auch Katharina Barley im Nachhinein als Fehler eingeschätzt hätte.
Erstaunlich findet Lamby vor allem, in welcher Offenheit sich die Familienministerin als "Getriebene des Mediensystems" sehen würde (Minute 13:04 im Film).
"Journalisten sind ihrem Job nachgegangen"
Die Lehre aus der Regierungsbildung sei, dass Politiker versuchen müssten dem "Sog" zu widerstehen, sprich: "Dass man sich nicht treiben lassen muss", sondern die Zeit nutzen sollte, erst nachzudenken und eine Entscheidung dann etwas später der Öffentlichkeit mitzuteilen. Aber auch Journalisten müssten sich kritisch fragen, ob sie nicht manchmal "etwas ruhiger" ihr Handwerk ausüben und sich "erst dann zu Wort melden, wenn eine Meldung gesichert ist". Journalisten falle dies allerdings schwerer, denn der wirtschaftliche Druck sei enorm, so der Filmemacher.
Die Journalisten waren aus Lambys Sicht "immer gleich". Sie seien ihrem Job nachgegangen: hätten versucht, Informationen zu bekommen, mitzuteilen, kritisch zu analysieren und zu kommentieren. Bei den Groko-Verhandlungen seien sie jedoch verstärkt abhängig davon gewesen, was Politiker ihnen "zusteckten": "Sie wurden ausgetrocknet, kamen nicht an die Informationen, die sie brauchten". Sie hätten stunden-, manchmal nächtelang gewartet, was nach Lambys Beobachtung zu "ziemlich großem Frust" geführt hätte.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Stephan Lamby: "Im Labyrinth der Macht - Protokoll einer Regierungsbildung", Dokumentation, 45 Minuten, bis zum 05.03.2019 in der ARD-Mediathek verfügbar.