Was ist das Rassistische an Veit Harlans Film "Jud Süß"? Ist es das Jiddeln und sophistische Psalmodieren des Schauspielers Werner Krauss, der insgesamt fünf verschiedene Juden spielte, mit Schläfenlocken und sonstigen Klischees? Ist es das Schmierige in der Darstellung des Hofjuden Oppenheimer durch den Schauspieler Ferdinand Marian? Nicht unbedingt; das sind nur die Akzidentien. Antisemitisch ist die Dramaturgie des Films, die Oppenheimer lediglich als geldgeilen, sexbesessenen Aufsteiger auftreten lässt, der treusorgende deutsche Mädchen vergewaltigt - Rasseschande - und den guten württembergischen Herzog seinem Volk enfremdet. Und das Volk reagiert – völkisch.
Die Ausstellung versucht einerseits den historischen Fall des Jud Süß aufzurollen, andererseits den enormen Einfluss des NS-Regimes, besonders von Goebbels selber, auf die Machart des Films zu dokumentieren. Das ist unterschiedlich gut gelungen: der Justizmord an dem Finanzratgeber Joseph Süßkind Oppenheimer, 1733 bis 1737 "Hoffaktor" bei Herzog Karl Alexander von Württemberg, ist nicht sehr präzise nachzuvollziehen. Zwar sind die Verhörprotokolle aus dem Stuttgarter Hauptstaatsarchiv ausgestellt, aber man kann die lüsternen Befragungen über Oppenheimers Liebesleben natürlich nicht nachlesen. Dass Süß als Teil des absolutistisch organisierten Hofes mit den einflussreichen Landständen querlag und nach dem Tod des Herzogs dann - mit rassistischer, projektiver Argumentation - von seinen Gegnern vernichtet wurde, ist also nur angedeutet.
Viel präziser belegt die Ausstellung die propagandistische Zurichtung des Stoffs durch die Nazi-Filmdramaturgen. Und seine Entstehungsbedingungen: Filmeinspielungen im Vorraum zeigen Juden, die 1941 in Stuttgart auf ihre Deportation warten, während ein Jahr zuvor in Venedig, auf der Biennale, "Jud Süß" Premiere hatte. Über 600 Kopien des Films waren in Umlauf, zur Schulung von Jugend, Wehrmacht, Polizei und SS. Fünf ausgewählte Sequenzen des Films werden in der Ausstellung präsentiert: Immer ist der Jude mit dem Geld liiert, er vergewaltigt die engelgleiche Kristina Söderbaum, korrumpiert den Herzog und unterwandert somit das Herzogtum. Ferdinand Marian, der den Süß spielt, ist erst Geldjude und dann falscher Höfling, er wechselt nur die Verkleidung; als Jude winselt er dann um sein Leben.
"Ich bin nichts gewesen als ein treuer Diener meines Herrn. Was kann ich dafür, wenn der Herzog ein Verräter ist? Ich bin ein armer Jud. Lasst mir mein Leben!"
Das eigentlich Bestürzende an dieser Re-Vision des Films sind gar nicht die antisemitischen Klischees, die in aggressiver Weise die Erzählung strukturieren. Erschreckend ist vielmehr, dass offensiv ausgrenzende ethnische Klischees zum gängigen Darstellungsrepertoire heutiger Filmproduktionen zählen - wir bemerken es nur kaum noch. Es geht dabei nicht darum, dass man Juden, Christen, Türken, Muslime, Deutsche, Amerikaner nicht charakterisieren darf. Es geht um die Klischees, die dann dramaturgisch transportiert werden.
Die Diskussion um den Fernseh-"Tatort", der einer alevitischen Familie einen Inzest andichtete und dabei, offenbar unbewusst, ein von orthodoxen Muslimen geschürtes Vorurteil gegen Aleviten in Szene setzte, bietet aktuelles Anschauungsmaterial dazu.
Veit Harlan allerdings wusste sehr genau, dass er einen Propagandafilm drehte. Das hinderte ihn und seine Ehefrau Kristina Söderbaum nicht daran, sich selbst später als Opfer zu stilisieren. Die Dokumentation dieser Verleugnungs-Strategien in der Ausstellung ist mindestens so verdienstvoll wie die Aufarbeitung von Harlans Überblendungs-Techniken und Massenszenen.
Die Ausstellung versucht einerseits den historischen Fall des Jud Süß aufzurollen, andererseits den enormen Einfluss des NS-Regimes, besonders von Goebbels selber, auf die Machart des Films zu dokumentieren. Das ist unterschiedlich gut gelungen: der Justizmord an dem Finanzratgeber Joseph Süßkind Oppenheimer, 1733 bis 1737 "Hoffaktor" bei Herzog Karl Alexander von Württemberg, ist nicht sehr präzise nachzuvollziehen. Zwar sind die Verhörprotokolle aus dem Stuttgarter Hauptstaatsarchiv ausgestellt, aber man kann die lüsternen Befragungen über Oppenheimers Liebesleben natürlich nicht nachlesen. Dass Süß als Teil des absolutistisch organisierten Hofes mit den einflussreichen Landständen querlag und nach dem Tod des Herzogs dann - mit rassistischer, projektiver Argumentation - von seinen Gegnern vernichtet wurde, ist also nur angedeutet.
Viel präziser belegt die Ausstellung die propagandistische Zurichtung des Stoffs durch die Nazi-Filmdramaturgen. Und seine Entstehungsbedingungen: Filmeinspielungen im Vorraum zeigen Juden, die 1941 in Stuttgart auf ihre Deportation warten, während ein Jahr zuvor in Venedig, auf der Biennale, "Jud Süß" Premiere hatte. Über 600 Kopien des Films waren in Umlauf, zur Schulung von Jugend, Wehrmacht, Polizei und SS. Fünf ausgewählte Sequenzen des Films werden in der Ausstellung präsentiert: Immer ist der Jude mit dem Geld liiert, er vergewaltigt die engelgleiche Kristina Söderbaum, korrumpiert den Herzog und unterwandert somit das Herzogtum. Ferdinand Marian, der den Süß spielt, ist erst Geldjude und dann falscher Höfling, er wechselt nur die Verkleidung; als Jude winselt er dann um sein Leben.
"Ich bin nichts gewesen als ein treuer Diener meines Herrn. Was kann ich dafür, wenn der Herzog ein Verräter ist? Ich bin ein armer Jud. Lasst mir mein Leben!"
Das eigentlich Bestürzende an dieser Re-Vision des Films sind gar nicht die antisemitischen Klischees, die in aggressiver Weise die Erzählung strukturieren. Erschreckend ist vielmehr, dass offensiv ausgrenzende ethnische Klischees zum gängigen Darstellungsrepertoire heutiger Filmproduktionen zählen - wir bemerken es nur kaum noch. Es geht dabei nicht darum, dass man Juden, Christen, Türken, Muslime, Deutsche, Amerikaner nicht charakterisieren darf. Es geht um die Klischees, die dann dramaturgisch transportiert werden.
Die Diskussion um den Fernseh-"Tatort", der einer alevitischen Familie einen Inzest andichtete und dabei, offenbar unbewusst, ein von orthodoxen Muslimen geschürtes Vorurteil gegen Aleviten in Szene setzte, bietet aktuelles Anschauungsmaterial dazu.
Veit Harlan allerdings wusste sehr genau, dass er einen Propagandafilm drehte. Das hinderte ihn und seine Ehefrau Kristina Söderbaum nicht daran, sich selbst später als Opfer zu stilisieren. Die Dokumentation dieser Verleugnungs-Strategien in der Ausstellung ist mindestens so verdienstvoll wie die Aufarbeitung von Harlans Überblendungs-Techniken und Massenszenen.