Das Klima in Turin ist rau. Ein Glück, dass es so viele Bars gibt. In der Altstadt finden sich regelrechte Kaffeehäuser und traditionsreiche Feinschmeckerlokale für Liebhaber der schönsten Süßigkeit auf der Welt: der Schokolade.
"Sie wissen schon, dass wir hier in Turin mit die Ersten waren, die schon im 18. Jahrhundert die Schokolade importiert haben. Seither wird sie bei uns heiß getrunken,"
… erzählt die Kassiererin beim Abreißen des Kassenbons.
Wenn es im Winter draußen nieselt oder sogar Schneematsch liegt, wenn man in der Stadt zu Füßen der Alpen tagelang wegen des Nebels die Sonne nicht sieht, dann muss der Turiner sich aufwärmen. Die Bars werden zum zweiten Wohnzimmer und die Zuckerbäcker geben sich alle Mühe, den Winter zu versüßen.
"Die Frühstückshörnchen sind hausgemacht, ebenso der Panettone an Weihnachten und die Colombe, die Tauben zu Ostern. Was Sie dort in Auslage sehen, Cantucci, Biskuitkekse, Sovoyarden, Ganelle, Novare und Marrons Glaces, ist alles selbst gemacht."
Seit 20 Jahren steht Alfonso Gannini in der Backstube. Mit 14 hat er angefangen. Dienstbeginn ist morgens um sechs, aber das nimmt er in Kauf, denn:
"Es ist eine schöne Arbeit, schade nur, dass die Löhne nicht gerecht sind in Italien und speziell in Turin. Damit sind wir nicht zufrieden. So jetzt muss ich aber weitermachen, sonst ist mein Hefeteig hinüber."
Mehr Geld fordern ist in diesen Zeiten der Krise nicht drin. Das gilt für den Zuckerbäcker Alfonso genauso wie für die circa 15.000 Fiat-Arbeiter. Sie bangen um ihre Zukunft, weiß Giorgio Airaudo, Provinzsekretär der größten Metallarbeitergewerkschaft FIOM.
"Auch wenn die weltweite Finanzkrise überstanden scheint, beginnt jetzt erst die soziale Krise und der Kampf um die Arbeitsplätze. Ich kann jetzt schon sagen, dass wir für die nächsten drei Jahre eine hohe Arbeitslosigkeit und viel Kurzarbeit in Turin haben werden. Gehen wir mal von einem typischen Fiat-Arbeiter aus, der seit 25 Jahren beschäftigt ist und auch noch Schicht arbeitet. Der bekommt gerade mal 1200 Euro im Monat. Da bedeutet jede Woche Kurzarbeit eine empfindliche Einbuße."
Der Staat hilft zwar aus, wenn es Fiat grade mal wieder schlecht geht, aber die Arbeiter geraten trotzdem immer häufiger an den Rand des Existenzminimums. Und anders als in früheren Zeiten führt die jetzige Krise eher zu weniger Solidarität, befürchtet Giorgio Airaudo.
"Diese Krise macht Länder und Städte zu Gegnern, sie spaltet ganze Gemeinschaften, Immigranten und Einheimische, Junge und Alte, Festangestellte und Aushilfskräfte, Männer und Frauen. Und das ist nicht im Sinne des sindacato, der Gewerkschaft. Sie wissen, woher das Wort Syndikat kommt? Aus dem Griechischen. Und es bedeutet 'Gemeinsam in Gerechtigkeit'. Wir versuchen, so gerecht wie möglich zusammenzuleben, aber in Italien ist das besonders schwierig."
Turin hat immerhin noch 35.000 organisierte Metallarbeiter. Trotz des Niedergangs von Fiat ist die norditalienische Metropole bis heute eines der großen europäischen Arbeiterzentren geblieben. Die Arbeiter gehen aber heute statt auf Barrikaden symbolisch auf die Dächer der Fabriken, das ist die moderne Form des Protestes von Arbeitern und Angestellten, die um ihre Arbeitsplätze kämpfen. In den letzten 18 Monaten wurden 38 Betriebe in Turin von ihren Angestellten besetzt, um die Schließung zu verhindern. In Turin müsste man endlich die richtigen Schritte in eine neue Zukunft wagen, sagt Giorgio Airaudo, doch bisher fehlt es an einer geeigneten Wirtschaftspolitik, sowohl seitens der Regierung wie auch der Unternehmen, und ganz besonders bei Fiat:
"Die Firmenleitung müsste sich dazu entschließen, in Turin wieder Motoren zu bauen, und zwar für Hybrid und Elektrofahrzeuge. Der Staat müsste dafür Hilfestellung geben, damit sich auch private Geldgeber beteiligen."
Nur so wird Turin auch in Zukunft eine Autostadt bleiben, meint der Gewerkschafter Airaudo und so eine Tradition fortsetzen, die mit dem ersten Fiat-Auto bereits im Jahr 1899 begann.
Programmtipp:
"Gesichter Europas" Metropole mit Motorschaden - Die Auto-Stadt Turin auf der Suche nach der Zukunft. Mit Reportagen von Karl Hoffmann am 13.3.2010 im Deutschlandfunk ab 11:05 Uhr
"Sie wissen schon, dass wir hier in Turin mit die Ersten waren, die schon im 18. Jahrhundert die Schokolade importiert haben. Seither wird sie bei uns heiß getrunken,"
… erzählt die Kassiererin beim Abreißen des Kassenbons.
Wenn es im Winter draußen nieselt oder sogar Schneematsch liegt, wenn man in der Stadt zu Füßen der Alpen tagelang wegen des Nebels die Sonne nicht sieht, dann muss der Turiner sich aufwärmen. Die Bars werden zum zweiten Wohnzimmer und die Zuckerbäcker geben sich alle Mühe, den Winter zu versüßen.
"Die Frühstückshörnchen sind hausgemacht, ebenso der Panettone an Weihnachten und die Colombe, die Tauben zu Ostern. Was Sie dort in Auslage sehen, Cantucci, Biskuitkekse, Sovoyarden, Ganelle, Novare und Marrons Glaces, ist alles selbst gemacht."
Seit 20 Jahren steht Alfonso Gannini in der Backstube. Mit 14 hat er angefangen. Dienstbeginn ist morgens um sechs, aber das nimmt er in Kauf, denn:
"Es ist eine schöne Arbeit, schade nur, dass die Löhne nicht gerecht sind in Italien und speziell in Turin. Damit sind wir nicht zufrieden. So jetzt muss ich aber weitermachen, sonst ist mein Hefeteig hinüber."
Mehr Geld fordern ist in diesen Zeiten der Krise nicht drin. Das gilt für den Zuckerbäcker Alfonso genauso wie für die circa 15.000 Fiat-Arbeiter. Sie bangen um ihre Zukunft, weiß Giorgio Airaudo, Provinzsekretär der größten Metallarbeitergewerkschaft FIOM.
"Auch wenn die weltweite Finanzkrise überstanden scheint, beginnt jetzt erst die soziale Krise und der Kampf um die Arbeitsplätze. Ich kann jetzt schon sagen, dass wir für die nächsten drei Jahre eine hohe Arbeitslosigkeit und viel Kurzarbeit in Turin haben werden. Gehen wir mal von einem typischen Fiat-Arbeiter aus, der seit 25 Jahren beschäftigt ist und auch noch Schicht arbeitet. Der bekommt gerade mal 1200 Euro im Monat. Da bedeutet jede Woche Kurzarbeit eine empfindliche Einbuße."
Der Staat hilft zwar aus, wenn es Fiat grade mal wieder schlecht geht, aber die Arbeiter geraten trotzdem immer häufiger an den Rand des Existenzminimums. Und anders als in früheren Zeiten führt die jetzige Krise eher zu weniger Solidarität, befürchtet Giorgio Airaudo.
"Diese Krise macht Länder und Städte zu Gegnern, sie spaltet ganze Gemeinschaften, Immigranten und Einheimische, Junge und Alte, Festangestellte und Aushilfskräfte, Männer und Frauen. Und das ist nicht im Sinne des sindacato, der Gewerkschaft. Sie wissen, woher das Wort Syndikat kommt? Aus dem Griechischen. Und es bedeutet 'Gemeinsam in Gerechtigkeit'. Wir versuchen, so gerecht wie möglich zusammenzuleben, aber in Italien ist das besonders schwierig."
Turin hat immerhin noch 35.000 organisierte Metallarbeiter. Trotz des Niedergangs von Fiat ist die norditalienische Metropole bis heute eines der großen europäischen Arbeiterzentren geblieben. Die Arbeiter gehen aber heute statt auf Barrikaden symbolisch auf die Dächer der Fabriken, das ist die moderne Form des Protestes von Arbeitern und Angestellten, die um ihre Arbeitsplätze kämpfen. In den letzten 18 Monaten wurden 38 Betriebe in Turin von ihren Angestellten besetzt, um die Schließung zu verhindern. In Turin müsste man endlich die richtigen Schritte in eine neue Zukunft wagen, sagt Giorgio Airaudo, doch bisher fehlt es an einer geeigneten Wirtschaftspolitik, sowohl seitens der Regierung wie auch der Unternehmen, und ganz besonders bei Fiat:
"Die Firmenleitung müsste sich dazu entschließen, in Turin wieder Motoren zu bauen, und zwar für Hybrid und Elektrofahrzeuge. Der Staat müsste dafür Hilfestellung geben, damit sich auch private Geldgeber beteiligen."
Nur so wird Turin auch in Zukunft eine Autostadt bleiben, meint der Gewerkschafter Airaudo und so eine Tradition fortsetzen, die mit dem ersten Fiat-Auto bereits im Jahr 1899 begann.
Programmtipp:
"Gesichter Europas" Metropole mit Motorschaden - Die Auto-Stadt Turin auf der Suche nach der Zukunft. Mit Reportagen von Karl Hoffmann am 13.3.2010 im Deutschlandfunk ab 11:05 Uhr