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Dominik Enste
"Geld für alle"

Dauerhaftes Geben ohne Gegenleistung ist mit dem Wesen des Menschen nicht vereinbar. Davon ist Dominik Enste, Verhaltensökonom am Institut der deutschen Wirtschaft, überzeugt. Daher spreche Vieles gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen, ein bedingtes dagegen wäre denkbar.

Von Katja Scherer |
Buchcover "Geld für alle". Im Hintergrund verschiedene Geldscheine
Der Wirtschaftswissenschaftler Dominik Enste bewertet in seinem Buch das bedingslose Grundeinkommen kritisch (Buchcover: dtv / Hintergrund: dpa/picture-alliance/Daniel Reinhardt)
Überraschend ist die Argumentation von Dominik Enste nicht – zumindest nicht, wenn man berücksichtigt, aus welcher ökonomischen Richtung er kommt. Enstes Arbeitgeber, das Institut der deutschen Wirtschaft, gilt als unternehmensnah und Fürsprecher der Sozialen Marktwirtschaft. Dementsprechend ist auch Enstes Buch "Geld für Alle" ein Plädoyer dafür, die Soziale Marktwirtschaft mit ihren bisherigen Sicherungssystemen weiterzuentwickeln – anstatt ein bedingungsloses Grundeinkommen als Radikalkur einzuführen:
"Zum einen, weil [die Soziale Marktwirtschaft] auf einem realistischen und nicht idealistischen Menschenbild basiert. Zum anderen, weil sie sich in den letzten Jahren im Vergleich zu anderen Ordnungen bewährt hat."
Schon seit seinem Studium beschäftige er sich mit der Idee des bedingungslosen Grundeinkommens, schreibt Dominik Enste. Dabei habe er sich im Zuge seiner Forschung vom Sympathisanten zum Gegner entwickelt. Seine Hauptkritik: die Bedingungslosigkeit.
"Meine Kernkritik zielt halt wirklich darauf, was das mit dem Menschen macht, wenn er eine Leistung bedingungslos zum einen gewährt bekommt oder aber auch einem anderen etwas geben muss, ohne eine Bedingung dafür erfüllt zu sehen."
Nur wenige Menschen sind altruistisch veranlagt
In seinem Buch geht Dominik Enste zunächst in Kürze auf die unterschiedlichen Ansätze der Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ein und legt strukturiert dar, welche Probleme des Sozialstaats so gelöst werden sollen. Dann erklärt er, warum das aus seiner Sicht nicht funktionieren kann – und zwar grundsätzlich nicht. So basiere das bedingungslose Grundeinkommen auf der Annahme, dass der Mensch gerne arbeite und gerne gebe – beides Dinge, die, laut Dominik Enste, von der verhaltensökonomischen Forschung eindeutig widerlegt seien:
"Verhaltensökonomische Studien zeigen, dass fünf bis zehn Prozent der Menschen sich rein altruistisch verhalten und dem Ideal der Anthroposophie nahekommen; 60 bis 70 Prozent handeln reziprok altruistisch und etwa 20 bis 30 Prozent egoistisch. Dieses Verhalten ist auch keineswegs durch das marktwirtschaftliche System anerzogen, sondern findet sich in allen Kulturen und zeitübergreifend."
Für Dominik Enste ist daher klar: Dauerhaftes Geben ohne Gegenleistung ist mit dem Wesen des Menschen nicht vereinbar. Zunächst würden Menschen zwar wohl auch nach der Einführung des Grundeinkommens weiter arbeiten, weil ihnen die gesellschaftliche Norm das vorschreibe. Mittelfristig aber würde diese Arbeitsnorm schrittweise erodieren:
"Die Arbeitsmoral, aber auch der Grundsatz, sich zu allererst einmal selbst versorgen zu müssen, würde durch eine Subventionsmentalität ersetzt – sicher nicht bei allen, aber bei zu vielen, als dass das [bedingungslose Grundeinkommen] noch finanziert werden könnte."
Grundeinkommen könnte gesellschaftliche Spaltung erweitern
Darüber hinaus weist Dominik Enste auf weitere offene Fragen hin: Wie etwa würde sich die Einführung auf die globalen Migrationsströme auswirken? Und würde es die Ungleichheit in der Gesellschaft nicht eher zementieren als mindern, wenn man das Grundeinkommen allen gewährt – und nicht nur denen, die es wirklich brauchen? Zudem würden Sonderbedarfe, etwa von Menschen mit Behinderung, schnell dazu führen, dass der bürokratische Aufwand beim bedingungslosen Grundeinkommen wachse, schreibt Dominik Enste:
"Die Einführung eines [bedingungslosen Grundeinkommens] wäre demnach nur ein Pyrrhussieg. Denn die Umverteilungsdebatten würden von neuem beginnen und viele zusätzliche Ressourcen abschöpfen, die ansonsten direkt in die Verbesserung des bestehenden, erfolgreichen Systems fließen könnten."
Für Dominik Enste steht daher hinter dem Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommens nicht viel mehr als ein – Zitat – Heilsversprechen, ohne viel empirische Substanz:
"Dem wollte ich einfach was an skeptischen und sehr empirisch unterfütterten, wenn auch nicht immer dargelegten, Zahlen entgegensetzen, und einfach mal zum Nachdenken anregen, ob es nicht vielleicht doch auch kritische Punkte gibt und warum es vielleicht auch gute Gründe gibt, warum es bisher, nochmal, kein bedingungsloses Grundeinkommen gibt."
Durchaus zu diskutieren sei dagegen ein bedingtes Grundeinkommen, bei dem etwa bestimmte Sozialleistungen zusammengeführt werden, betont Dominik Enste. Wie genau eine solche Evolution der Wohlfahrtssysteme aussehen und umgesetzt werden könnte, lässt er in seinem Buch allerdings offen.
"Geld für alle" ist mit 100 Seiten schnell gelesen. Für Leser, die schon tief im Thema stecken oder sich mit verhaltensökonomischer Forschung gut auskennen, dürfte dabei Vieles nicht neu sein. Wer sich dagegen einen Überblick über die grundlegende Debatte und eben auch die Kritik am bedingungslosen Grundeinkommen verschaffen will, der findet mit Enstes Buch einen gut strukturierten Einstieg.
Dominik Enste: "Geld für alle. Das bedingungslose Grundeinkommen. Eine kritische Bilanz",
Orell Füssli, 108 Seiten, 10 Euro.