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Vor 180 Jahren gestorben
Dominique Jean Larrey – Begründer der hochmobilen medizinischen Versorgung

Dominique Jean Larrey war Napoleons Leibarzt und Chef-Chirurg der französischen Armee im Russlandfeldzug. Bei seinen Einsätzen am Rand des Schlachtfeldes erkannte er, dass eine zu späte Versorgung Hauptgrund für die hohe Sterblichkeit von verwundeten Soldaten war – und kam auf die Idee der fliegenden Lazarette.

Von Monika Dittrich |
Ein Ölgemälde zeigt, wie der französische Militärarzt Dominique Jean Larrey im Oktober 1813 einem verwundeten Befehlshaber Gliedmaßen amputiert. Wer zuerst behandelt wurde, das entschied Larrey allein nach medizinischen Kriterien - weshalb er auch als Erfinder der Triage gilt.
Ein Ölgemälde zeigt, wie der französische Militärarzt Dominique Jean Larrey im Oktober 1813 einem verwundeten Befehlshaber Gliedmaßen amputiert. Wer zuerst behandelt wurde, das entschied Larrey allein nach medizinischen Kriterien - weshalb er auch als Erfinder der Triage gilt. (picture alliance / akg-images)
„Mag eine Operation so grausam sein, wie sie will, in den Händen des Wundarztes wird sie Wohltat, sobald sie die Tage eines Verwundeten, die in Gefahr sind, erhalten kann.“

Es müssen tatsächlich grausame Operationen gewesen sein: Tausende Arme und Beine amputierte Dominique Jean Larrey als Kriegschirurg im Dienst von Napoleon Bonaparte. Die Narkose war zu dieser Zeit noch nicht erfunden – doch Larrey operierte dermaßen schnell und geschickt, dass er unzählige Leben rettete. So machte er sich einen Namen als legendärer Wundarzt und todesmutiger Freund der Soldaten.

„Zum einen war Larrey ein sehr guter, innovativer Organisator, der mit seinen Ideen die sanitätsdienstliche Versorgung der Soldaten deutlich verbesserte.“

Ralf Vollmuth ist Oberstarzt bei der Bundeswehr und Medizinhistoriker.

„Zum anderen war er ein herausragender und versierter Operateur, das wird vielfach berichtet und ist entsprechend belegt.“

Der Onkel als berufliche Inspiration

Dominique Jean Larrey kam 1766 in einem kleinen Dorf in den Pyrenäen zur Welt, als Sohn eines Schuhmachers. Nach dem Tod des Vaters zog er mit 13 Jahren nach Toulouse, wo er bei seinem Onkel aufwuchs, einem angesehenen Wundarzt am Stadtkrankenhaus. So kam es, dass auch der Junge zur Medizin strebte: Studium in Toulouse und Paris, erste Erfahrungen als Schiffsarzt, dann 1792 Feld-Chirurg bei der Rheinarmee. Hier erlebte Larrey, dass Ärzte oft nur noch sterbende oder tote Soldaten bergen konnten. 
„Die Verwundeten blieben auf dem Kampfplatze bis zum Ende des Gefechts (…), so dass die meisten Blessierten aus Mangel an Hilfe umkamen.

Denn verletzte Soldaten wurden erst aufgelesen, wenn der Kampf vorbei war – dann wurden sie in weit entfernte Lazarette transportiert. Larrey erkannte, dass das ein Grund für die hohe Sterblichkeit war. Er wollte mit der Versorgung der Verwundeten nicht warten, bis ein Gefecht zu Ende war – und kam so auf die Idee der fliegenden Lazarette:  
Ralf Vollmuth:

„Diese fliegenden Lazarette oder besser fliegenden Ambulanzen waren leichte Pferdewagen, zweispännige Pferdewagen, mit denen die Wundärzte und ihr Personal die Soldaten direkt vom Schlachtfeld bergen konnten.“

Larrey begab sich selbst in Lebensgefahr, um bereits auf dem Schlachtfeld und noch während der laufenden Kämpfe Notverbände anzulegen und Blutungen zu stillen. Dann brachten er und seine Gehilfen die Verwundeten mit den fliegenden Ambulanzen in Sicherheit.

Behandlung für alle: Kein Unterschied zwischen eigenen Soldaten und der Gegenseite

Er sorgte dafür, dass Schwerverletzte innerhalb von Stunden operiert wurden – bevor sich der Wundbrand ausbreitete. Die Überlebensrate der Soldaten stieg – und damit ihre Kampfmoral. Wer zuerst behandelt wurde, das entschied Larrey allein nach medizinischen Kriterien - weshalb er auch als Erfinder der Triage gilt:
 
Vollmuth:

„Larrey hat dies sehr konsequent umgesetzt und vor allem auch ein innovatives Moment mit hineingebracht, indem er auch nicht zwischen Feinden und eigenen Soldaten unterschieden hat. Das heißt, er hat auch Soldaten fremder Armeen behandelt und nicht nach Rang und Nationalität und anderen Dingen unterschieden."

Larrey setzte sich mit seinen Ideen auch gegen Widerstände durch. Napoleon machte ihn zu seinem Leibarzt, zum Chef-Chirurgen der Großen Armee im Russlandfeldzug und sogar zum Baron. Bei mehr als 20 Feldzügen war Larrey dabei - wobei er nicht nur Kriegsverletzungen behandelte, sondern auch Ausbrüche von Lepra, Pest und Typhus. Am 25. Juli 1842 erlag er selbst einer Lungenentzündung, da war er 76 Jahre alt. Seine Bedeutung für die Wehrmedizin sei noch immer spürbar, sagt Historiker Ralf Vollmuth: 

„Er gilt als Begründer einer hochmobilen medizinischen Versorgung, bereits auf dem Gefechtsfeld und auch in frontnahen Einrichtungen. Dieses System der fliegenden Ambulanzen wurde auch durch die Erfolge, die Larrey erringen konnte, auch von anderen Nationen eingeführt und nachgeahmt, so dass sich letztendlich die medizinische Versorgung auf diese Art und Weise dann zu ändern begann.“

Bis heute wird Dominique Jean Larrey als Erneuerer der Kriegschirurgie und als Vordenker der Notfallmedizin wahrgenommen.