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Don Quixote auf Reisen

Ein Fremder reist durch Spanien, um einen Auftrag zu erfüllen - ein Don Quixote im modisch-grauen Anzug, ein Ritter von der traurigen Gestalt, der mit seinen überkommen Ehrbegriffen in der Konsumgesellschaft nicht weit kommt: Jim Jarmuschs neuer Kinofilm "The Limits of Control" ist eine Hommage an das Kino, ein abstrakter Thriller - und Jarmuschs ehrlichster und bester Film seit 20 Jahren.

Von Rüdiger Suchsland |
    Der 1953 in US-Bundesstaat Ohio geborene Filmregisseur Jim Jarmusch hat tschechische, irische und deutsche Vorfahren. Von Wim Wenders hat er eine Menge gelernt als Produktionsassistent bei "Lightning over Water". Und Wenders Kameramann Robby Müller wurde auch der Kameramann von Jim Jarmusch, jedenfalls in vielen seiner Filme, die auf leisen Sohlen gerne den Außenseitern und Randexistenzen, den Reisenden von nirgendwo nach irgendwo folgen, ohne große Story, ohne viel Worte.

    Schwarz ist auch eine Farbe. Und Schwarz ist die zentrale Farbe in "The Limits of Control", dem neuen Werk des New Yorker Regisseurs Jim Jarmusch, der mit Filmen wie "Mystery Train", "Down by Law", "Dead Man" und "Ghost Dog" in den 80er- und 90er-Jahren zu einem der führenden Vertreter des US-amerikanischen Independentkinos wurde.

    Schwarz, das ist auch die zentrale Farbe der von Jarmusch verehrten Filme der "Schwarzen Serie", jenes "film noir", der in den 40er-Jahren in Amerika von europäischen Regieemigranten zur Perfektion geführten Melange aus expressionistischem Stil und existenzialistischem Zeitgefühl.

    Wer den "film noir" schätzt, der wird in Jarmuschs neuestem Werk jedenfalls ganz auf seine Kosten kommen: "Coffee & Cigarettes", das Hard-boiled-Lebensgefühl rauer Männer, deren Herz nur vom Whisky und vom Antlitz schöner Frauen zu erweichen ist, bestimmen den Grundton, und zeigen das Bild einer Welt, die von Coolness, von Eleganz, von Andeutungen und mitunter von dunklen Verschwörungen geprägt ist.

    "The Limits of Control" ist im allerbesten Sinne ein altmodischer Film. Völlig ohne Kitsch, den man heute glaubt zu brauchen, um das Massenpublikum zu gewinnen. Völlig ohne jene bei Drehbuchseminaren so schrecklich beliebten Psychologisierungen, liefert er die Charakterstudie eines Auftragskillers.

    Der franco-afrikanische Darsteller Isaach De Bankolé verkörpert diesen schweigsamen Mann, der den ganzen Film über namenlos bleibt, und sich für einen - dem Zuschauer unklaren - Auftrag nach Spanien begibt.

    Dort trifft er allerlei rätselhafte Personen, wie sie nie im Leben, sondern nur in einem Jarmusch-Film vorkommen: eine Blondine mit Cowboyhut, die über Orson Welles' Film "The Lady of Shanghai" parliert, einen nihilistischen Mexikaner, dessen Pick-up die Inschrift "La vida no vale nada" – "Das Leben ist nichts wert" - verziert und eine Spanierin, die ein paar Tage nackt in seinem Zimmer verbringt.

    Doch dieser Mann ist Coolness pur. Was ihm auch passiert, er hält an seinen Prinzipien fest: kein Sex und kein Mobiltelefon während der Arbeit.

    Jarmusch liebt, man weiß dies, die Kinogeschichte, wie nur wenige. Und er liebt Schauspieler. Wenn man auf die Besetzungsliste seines neuen Films schaut, können selbst viele eingesessene Meister der Szene nur erblassen: Tilda Swinton, John Hurt, Gael García Bernal und Bill Murray sind nur einige der Berühmtheiten, die hier in mehr oder weniger großen Nebenrollen zu sehen sind.

    Wenn die Hauptfigur - immer im korrekt sitzenden, leicht glänzenden, modisch-grauen Anzug - durch Spanien fährt, ist dies keineswegs zufällig. Denn Spanien ist bekanntlich das Land des Don Quixote. Und solch ein Ritter von der traurigen Gestalt, der mit seinen überkommen Ehrbegriffen in unserer materialistischen Konsumgesellschaft nicht weit kommt, ist auch dieser Kinoheld.

    Was eine Sache bewirkt ist manchmal wichtiger, als die Sache selbst - solche kleinen Aphorismen findet man bei Jarmusch zuhauf.

    Und die sehnsüchtige Nostalgie seines Helden gegenüber früheren Zeiten, das deckt sich unbedingt auch mit Jarmuschs eigener Position.

    "The Limits of Control" ist eine Genre-Hommage wie vor zehn Jahren der Coen-Brüder-Film "The Big Lebowski". Hier allerdings führte Christopher Doyle die Kamera, der Australier, der als das Auge des chinesischen Kinos, vor allem der Filme von Wong Kar-Wai, berühmt wurde. Doyles flirrender Stil, seine schwebende Kamera, drücken diesem Film ihren Stempel auf, und ergeben einen verspielten, spielerisch erzählenden, federleicht-driftenden Film: ein abstrakter Thriller, voll von Anspielungen - etwa auf Jean-Pierre Melvilles Killer-Movie "Le Samurai", aber auch auf Hitchcock.

    Das ist ein bisschen elitär - aber warum sollte ein Künstler sich immer mit seinem Publikum gemein machen? Es ist auch auf den ersten Blick schwer verständlich - aber das ist Kunst eben manchmal. Und es ist minimalistisch. Aber wem das bisschen Neugier und Geduld fehlt, das hier nötig ist, für den gibt es Woche für Woche das Fast-Food-Kino des Mainstream.

    Weil es - wie in den Stücken von Beckett, wie in den Roman von Kafka - in "The Limits of Control" um nichts mehr geht, außer um die Absurdität des menschlichen Daseins, vor allem des Intellektuellen, weil alle Anstrengung, alles Bemühte Jarmuschs aus diesem Film verschwunden ist, und der Regisseur endlich dazu steht, dass ihn eigentlich immer schon nur das Kino interessiert hat, darum ist dies Jarmuschs ehrlichster Film geworden - und sein bester seit 20 Jahren.