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Donald Trump
"Das würde an Landesverrat grenzen"

Besitzt Russland brisantes Material über das Privatleben des designierten US-Präsidenten Donald Trump? Der langjährige USA-Korrespondent Christoph von Marschall riet im DLF dazu, "sehr sehr zurückhaltend" mit diesen Informationen umzugehen. Wahrhaft brisant sei ohnehin eine ganz andere Frage.

Christoph von Marschall im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Christoph von Marschall, Redakteur der Berliner Tageszeitung und USA-Kenner
    Der USA-Kenner Christoph von Marschall rät zu Zurückhaltung im Umgang mit den möglicherweise brisanten Berichten über Trump. (picture alliance / ZB / Karlheinz Schindler)
    Nach Einschätzung des diplomatischen Korrespondenten des Berliner "Tagesspiegel" stehen momentan Vorwürfe im Raum, die nicht überprüft und bestätigt sind, in ihrer Brisanz jedoch das Potenzial haben, die Präsidentschaft Trumps in Frage zu stellen. Es sei unklar, ob es sich bei Behauptungen um eine bloße Lüge handele und um den erneuten Versuch Russlands, die Glaubwürdigkeit der US-amerikanischen Demokratie in Frage zu stellen.
    Möglicher Landesverrat
    Das Entscheidende sei allerdings nicht, ob die angeblichen Videos von Trump mit russischen Prostituierten tatsächlich existierten. Viel wichtiger sei die Frage, ob sich Mitarbeiter von Trump wirklich mit russischen Vertretern getroffen haben, um gemeinsam zu besprechen, wie man die Bewerbung von Trumps Konkurrentin Hillary Clinton um das Präsidentenamt verhindern könne. "Das würde an Landesverrat grenzen", betonte Marschall.
    Völlig andere Moral
    Mit Blick auf den bevorstehenden Amtsantritt von Donald Trump sagte Marschall, man müsse sich auf eine völlig andere Welt einstellen. Im Vergleich zum scheidenden US-Präsidenten Obama sei Trump "ein völlig anderer Mensch mit einem ganz anderen Wertekanon und einer anderen Moral." Allerdings seien Trumps Umfragewerte schon jetzt sinkend und angesichts sich abzeichnender innen- und außenpolitischer Konflikte sei abzuwarten, wie viele seiner Wahlversprechen Trump am Ende tatsächlich durchsetzen könne.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Jasper Barenberg: Die Berichte und unbestätigten Informationen über ein mögliches Dossier mit Erpressungsmaterial gegen Donald Trump in Russland, sie sorgen in den USA für viel Wirbel. Die erste Pressekonferenz des gewählten Präsidenten gerät daraufhin zu einer recht turbulenten Veranstaltung, heftige Angriffe auf die Medien inklusive.
    - Christoph von Marschall. Heute ist er diplomatischer Korrespondent des Berliner "Tagesspiegel". Wir erreichen ihn in Berlin. Schönen guten Morgen!
    Christoph von Marschall: Schönen guten Morgen.
    Barenberg: Herr von Marschall, was die Berichte über dieses mögliche Erpressungsmaterial angeht, da dementiert Trump heftig. Moskau dementiert kühl. Ist Trump das Problem damit los?
    von Marschall: Nein, überhaupt nicht. Das beginnt jetzt überhaupt erst. Die schwierige Situation ist, in der wir auch als Journalisten sind: Sollen wir überhaupt über diese Vorwürfe reden, die bisher überhaupt nicht bestätigt sind, die nicht überprüft sind und dennoch auf einmal im Raum stehen und möglicherweise die Trump-Präsidentschaft infrage stellen können.
    Barenberg: Und was ist Ihr Rat an die Kolleginnen und Kollegen?
    von Marschall: Im Moment sehr, sehr zurückhaltend zu sein und genau wie die "New York Times" das macht immer wieder als Erstes dazu zu schreiben, es stehen da Vorwürfe im Raum, wir wissen überhaupt nicht, ob sie wahr sind, ob das nicht genauso eine Lüge ist, die dem Interesse dient, die amerikanische Demokratie zu unterminieren. Wie Russland versucht hat, die Glaubwürdigkeit von Hillary Clinton und dem ganzen Wahlvorgang zu unterminieren.
    Barenberg: Aber wenn Sie sagen, das Material hat das Zeug dazu, die Präsidentschaft von Donald Trump infrage zu stellen, dann ist es jedenfalls politisch recht brisant.
    von Marschall: Es ist sehr, sehr brisant, und dabei ist weniger die Frage brisant, ob es nun Videos gibt von Donald Trump mit Prostituierten in Moskauer Hotels. Und ob ihm besonders lukrative Geschäftsdeals in Russland angeboten worden sind, die er im Übrigen abgelehnt hat - das wäre ja gar kein Vorwurf. Sondern die viel, viel wichtigere Frage ist, ob es stimmt, dass sich Mitarbeiter von Donald Trump mit russischen Vertretern getroffen haben, um gemeinsam zu besprechen, wie man die Bewerbung Hillary Clintons um das amerikanische Präsidentenamt verhindert und wie man ihr den Erfolg verweigert. Das würde an Landesverrat grenzen. Und die "New York Times" hat das ja schon auch zum Beispiel mit der Wortwahl beschrieben, dass es potenziell verräterisch, dass es landesverräterisch wäre, wenn sich ein inneramerikanischer Politiker in innenpolitischen Fragen mit einer ausländischen Macht abspricht zum Schaden des Landes und des Wahlvorgangs. Das ist alles noch nicht beendet. Nur wir wissen gar nicht, ob wir das ernst nehmen dürfen. Oder ob bereits diese Unterlagen von Russland gefälschte Unterlagen sind. Und das wird sich erst in den nächsten Tagen zeigen.
    Etwas anderes scheint mir viel wichtiger. Wir haben jetzt zwei Tage hintereinander erlebt, wo wir noch einmal den Charakter des scheidenden Präsidenten Barack Obama vorgeführt bekamen mit seiner Abschiedsrede in Chicago und dagegen seinen Nachfolger Donald Trump, und das sind zwei Welten. Wir bekommen vorgeführt, was für unterschiedliche Persönlichkeiten in Amerika führen, bisher und in Zukunft, und wir alle können uns doch die Frage stellen, ist das überhaupt vorstellbar, dass es solche Unterlagen über Barack Obama gibt, oder hat das nicht etwas mit Donald Trump zu tun. Und das wird auch das Bild seiner Präsidentschaft von nun an prägen, wie wir auf ihn schauen, dass das ein völlig anderer Mensch ist mit einem ganz anderen Wertekanon und einer anderen Moral als der jetzt scheidende Präsident.
    "Unterminierung des Ansehens"
    Barenberg: Wir haben ja auch bei dieser Veranstaltung gestern, bei dieser sogenannten Pressekonferenz, möchte ich mal sagen, einen angespannten, nicht nur angriffslustigen, sondern auch aufbrausenden Donald Trump erlebt. Ich will das nicht überbewerten, aber was sagt das alles aus für die Politik, die wir zu erwarten haben. Und für den Politikstil, mit dem Donald Trump regieren wird?
    von Marschall: Es werden nun zwei Dinge passieren. Erstens wird diese Donald-Trump-Präsidentschaft sich sehr schnell wenden, wie weit sie selbstbestimmt ist und von außen bestimmt. Und zum zweiten erleben wir im Moment bereits eine Unterminierung des Ansehens und der präsidialen Macht von Donald Trump. Zum ersten: Normalerweise, wenn wir den Wahlkampf erleben, da treten Politiker auf, Spitzenkandidaten, und sagen, das ist mein Programm, das und das möchte ich alles machen. Dann kommen sie ins Amt und gerade in einem so mächtigen Amt wie dem des Präsidenten erleben die sehr, sehr schnell, dass ihnen von außen Themen auf den Tisch gelegt werden, um die sie sich kümmern müssen, die sie zum Teil daran hindern, das, was sie eigentlich vorgehabt haben durchzusetzen. Bei George W. Bush war das besonders sichtbar. Der hatte sich vorgenommen, das Verhältnis der USA mit seinen südlichen Nachbarn in Mittel- und Südamerika zu klären und zu verbessern. Dann kam 9/11 und auf einmal war er der Anti-Terror-Präsident mit den missglückten Feldzügen im Irak und vorher in Afghanistan. Von außen wurde ihm eine Wende des Inhalts seiner Präsidentschaft aufgezwungen. Das wird jetzt auch mit Donald Trump sehr schnell passieren. Wir reden im Moment nicht mehr darüber, auch wenn er versucht, darüber zu reden, wie er diese Mauer baut, wie er mit Immigration umgeht, wie er mit Handelspolitik umgeht, wie er das Gesundheitssystem reformiert. Auf einmal muss er sich mit völlig anderen Dingen beschäftigen und auch die amerikanischen Medien tun das. Und dieser Verfall des Ansehens und der Kontrollfähigkeit über die politischen Vorgänge, der hat ja auch Bedeutung für uns. Auch wir erleben doch auf einmal, wenn die Führungsmacht des Westens - ob man das nun sehen will oder nicht, aber es ist ja de facto immer noch so -, wenn deren Autorität nachlässt, hat das auch Auswirkungen auf Deutschland und auf Europa. Und es sind nicht unbedingt Auswirkungen, die wir begrüßen dürfen.
    "Es gibt zum Teil Interessenskoalitionen, zum Teil Risse"
    Barenberg: Was macht Sie so sicher, dass Trump seine eigene Agenda damit nicht durchregieren kann? Denn andere Beobachter sagen ja, dass sich die Republikaner im Kongress, im Senat und Repräsentantenhaus längst schon zur Geisel gemacht haben von Donald Trump und seinen Projekten.
    von Marschall: Das muss man mal abwarten. Es gibt zum Teil Interessenskoalitionen zwischen den Republikanern und Donald Trump und zum Teil gibt es Risse. Wir sehen die Risse von vornherein in der Russland-Politik. Ein großer Teil der republikanischen Senatoren im amerikanischen Senat möchte einen Untersuchungsausschuss, der untersucht, wie Russland in diese Wahl eingegriffen hat. Und das möchte Donald Trump natürlich nicht. Wir haben einen gewissen Konsens, dass man Obama Care reformieren möchte oder beseitigen möchte. Das war ein Wahlkampfversprechen quer durch die Republikanische Partei. Aber bereits bei der Frage, ob man erst mal Obama Care zerstört, um aus den Trümmern was Neues aufzubauen, oder ob man sagt, nein, das geht nicht, wir müssen eine Ersatzreform bereitstellen, bevor wir anfangen, das bisherige Gesundheitssystem zu unterminieren, sind die sich nicht einig. Und so gibt es ganz, ganz viele Themen, wo die Bruchlinien zwischen Donald Trump und den Republikanern bereits vorgezeichnet sind. Aber mit diesem nicht mehr Kontrolle meine ich eher, es kommen Dinge von außen. Wenn dieser Präsident Schwachstellen zeigt, werden das Länder wie Nordkorea mit einem Atomtest oder einem Raketentest ausnutzen. Iran wird das ausnutzen und probieren, ob man sich an den Atomdeal halten muss. Russland versucht es ja schon die ganze Zeit, Amerikas Autorität infrage zu stellen. Gleichzeitig haben wir innenpolitisch eine Situation, indem der neue Präsident auf Kriegsfuß ist mit den Geheimdiensten, auf Kriegsfuß ist mit den Medien und bei dem bereits jetzt die Umfragewerte sinken. Donald Trump hat den niedrigsten Zustimmungswert aller Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte, wenn er ins Amt eintritt. Das war nämlich kurz nach der Wahl bei durchschnittlich 43 Prozent. Barack Obama ist mit 67 Prozent gestartet. Und bereits seit der Wahl sind in den neuen Umfragen Donald Trumps Umfragewerte weiter verfallen. Er hat jetzt einen Zustimmungswert noch von etwa 40, vielleicht in manchen Umfragen unter 40 Prozent, und das zu Beginn seiner Präsidentschaft. Das ist dramatisch!
    Barenberg: Schauen wir noch einmal auf die Außenpolitik und auf Außenpolitiker in Berlin und in Brüssel, die im Moment ja noch so die Haltung einnehmen, mal abwarten, was da wirklich kommt, wird schon alles nicht so schlimm werden wie angekündigt und wie gedacht. War und ist es richtig, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen?
    von Marschall: Jedenfalls sollte man nicht von vornherein sagen, das geht alles den Bach runter, und vielleicht auch das noch mit Schadenfreude beobachten. Wie sich das entwickelt, das kann sich natürlich auch stabilisieren. Das ist immer zu Beginn einer Präsidentschaft so, dass es natürlich auch Fragezeichen gibt und dass sich Dinge zurechtrütteln müssen, dass das Kabinett sich erst finden muss. Wir sind in der Zeit der Regierungsbildung, dass jetzt die Ministerkandidaten durch den Senat gehen. Aber was sich die Europäer und die Deutschen überlegen müssen, sind zwei Dinge. Erstens, egal, ob wir Trump mögen oder nicht: Ist das in unserem Interesse, dass seine Autorität von vornherein destabilisiert wird? Und was bedeutet das für uns? Was bedeutet das zum Beispiel für die Ukraine-Politik, für den Umgang mit Russland, für die Art und Weise, wie Europa versucht, sich zusammenzuhalten, ob es um die Währung geht, um die Wirtschaftsentwicklung, was auch immer. Wir alle müssen doch das Gefühl haben, es kommt wesentlich mehr Verantwortung auf uns selber zu. Und wir müssen in der Lage sein, auch ohne allzu viel Stabilisierungshilfe aus den Vereinigten Staaten, die immer noch die größte Wirtschaft der Welt sind, zurechtzukommen. Und das betrifft unsere Verteidigungspolitik, unsere Wirtschaftspolitik, unsere Währungspolitik und noch viele andere Dinge auch.
    Barenberg: Christoph von Marschall, der diplomatische Korrespondent des Berliner "Tagesspiegel" und langjähriger USA-Korrespondent. Danke für Ihre Einschätzungen heute Morgen.
    von Marschall: Ja, sehr gerne. Danke!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.