Normalerweise sind Parteitage dazu da, die eigenen Reihen zu schließen. Und normalerweise sind Wahlkämpfe die Gelegenheit, die Geschlossenheit einer Partei zu demonstrieren. Aber was ist schon normal beim Wahlkampf Donald Trumps, dem republikanischen Spitzenkandidaten – seine Einschätzung bei seinem jüngsten Wahlkampfauftritt gestern in Florida muss der GOP, der Grand Old Party, wie Hohn in den Ohren geklungen haben. Behauptete Trump doch allen Ernstes, die Partei sei noch nie so geeint gewesen.
Die Realität sieht anders aus. Die Rede ist von einem beispiellosen Chaos im Wahlkampfteam Donald Trumps – und von heller Aufregung bei den Republikanern.
Braucht die Parteispitze einen Plan B?
Der politische Korrespondent von ABC-News berichtet, was ihm von Vertrauten zugetragen worden sei – dass Parteichef Reince Priebus äußerst aufgebracht sei darüber, dass Donald Trump seinen Kurs nicht ändere. Ja, mehr noch: dass die Spitzen der Partei bereits zusammensäßen, um einen Plan B für den schlimmsten Fall zu beraten – dann nämlich, wenn Donald Trump das Handtuch schmeiße und man kurzfristig einen Ersatz für die republikanische Partei suchen müsse.
Noch gibt es keine Bestätigung für die Darstellung des Nachrichtensenders ABC. Doch sie ist ein Symptom für die tiefe Krise, die die Republikaner erfasst hat. Seit sich ihr Spitzenkandidat auf einen Streit mit einer sogenannten Goldstar-Familie eingelassen hat, mit einer Familie, die einen Sohn als Soldaten im Irak-Krieg verloren hat, ist Feuer unter dem Dach. Die muslimische Familie Khan hatte Donald Trump vorgeworfen, den USA nichts und niemanden geopfert zu haben – sie aber ihren Sohn. Mit seiner Antwort löste Trump einen Sturm der Entrüstung aus: Auch er habe viele Opfer gebracht, ließ er wissen, schließlich habe er viel gearbeitet. Das wurde als Respektlosigkeit gegenüber den Hinterbliebenen von Kriegsopfern wahrgenommen und als ein Tabubruch, den auch viele Republikaner für geschmacklos hielten. Doch gegen den Rat seiner engsten Mitarbeiter, die ihm eine Entschuldigung nahelegten, setzte Trump noch eins drauf: Er sei nun einmal angegriffen worden – er habe nichts zu bereuen, sagte er.
Innerparteiliche Schlammschlacht
Was folgte, was geharnischte Kritik: Von Seiten John McCaines etwa, Vietnam-Veteran und selbst einmal Spitzenkandidat für die Republikaner. Oder von Paul Ryan, dem Sprecher des Repräsentantenhauses und damit einem der einflussreichsten republikanischen Politiker. Doch statt einzulenken, gab Donald Trump erneut seinem Beißreflex nach. Nun erklärte er, dass er diese beiden Politiker nicht mehr in ihrem Wahlkampf unterstützen werde. John McCaine muss sich bei Vorwahlen in Arizona behaupten. Paul Ryan in Wisconsin. Trumps Ankündigung wurde als Retourkutsche gewertet – John McCaine hatte sich nie für Donald Trump stark gemacht. Paul Ryan erst, nachdem klar geworden war, dass Trump nicht mehr als Spitzenkandidat zu verhindern sein dürfte. Trump schien nun seine Drohung von damals wahrmachen zu wollen – dafür habe Ryan zu bezahlen, hatte er seinerzeit erklärt.
Fassungslos werden die Republikaner in diesen Tagen zu Zeugen einer innerparteilichen Schlammschlacht. Und das mitten im Wahlkampf. Die Krise spitzte sich jetzt noch zu – der Rachefeldzug Donald Trumps gegen Paul Ryan brachte seinen wichtigsten Mitstreiter und Kandidaten für den Posten des Vizepräsidenten in einen Loyalitätskonflikt. Und den entschied Mike Pence gegen Donald Trump: Paul Ryan sei sein Freund, und er werde ihn im Wahlkampf nach Kräften unterstützen, erklärte Pence in einem Interview: Die Republikaner bräuchten Ryan als äußerst erfahrenen Politiker im Abgeordnetenhaus.
Nun sollen Vertreter des Partei-Establishments versuchen, den republikanischen Spitzenkandidaten auf Kurs zu bringen. Doch Donald Trump hat schon vor Wochen wissen lassen, dass er sich nicht um die Partei schere – im Zweifel brauche er sie gar nicht, um Präsident zu werden.