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Doping
E-Mail bringt IAAF weiter in Bedrängnis

Im Skandal um die Dopingverschleierungen des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF ist eine E-Mail veröffentlicht worden, die das immense Ausmaß der Praktiken verdeutlicht. Der Verfasser des Schreibens ist ein enger Vertrauter des Präsidenten Sebastian Coe.

    Start eines Vorlaufs über 100 Meter der Frauen am Samstag (23.06.2007) im Münchner Olympiastadion beim Europacup der Leichtathleten.
    Frauen im Münchner Olympiastadion beim Europacup der Leichtathleten (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    Die von der französischen Tageszeitung Le Monde und der BBC veröffentlichte E-Mail rückt den ohnehin schon tief in der Krise steckenden Leichtathletik-Weltverband IAAF weiter ins Zwielicht. Nick Davies, ehemaliger Pressechef des IAAF und bis zuletzt Büroleiter von IAAF-Präsident Coe, soll versucht haben, im Vorfeld der WM 2013 in Moskau die Ausmaße des Dopingproblems in Russland zu verschleiern.
    Veröffentlichung von positiven Tests sollten verschoben werden
    So habe der inzwischen zum Büroleiter von Coe aufgestiegene Brite in seiner Zeit als Pressechef vorgeschlagen, die Veröffentlichung der Namen gedopter russischer Athleten bis nach den Titelkämpfen zu verschieben oder nur gemeinsam mit den Namen von Athleten aus anderen Ländern zu nennen. Davies bestritt zunächst jegliches Fehlverhalten, beugte sich am Abend aber dem Druck. "Ich habe mich dazu entschieden, das Amt in der Zeit ruhen zu lassen, die die Ethik-Kommission benötigt, um die Sachlage aufzuklären", hieß es in einem am Dienstagabend veröffentlichten schriftlichen Statement Davies.
    "Wenn die Schuldigen nicht starten, dann können wir auch warten, bis die Wettbewerbe zu Ende sind und sie dann veröffentlichen", soll Davies 22 Tage vor dem damaligen WM-Auftakt in einer E-Mail an Papa Massata Diack, Sohn des unter Korruptionsverdacht stehenden ehemaligen IAAF-Präsidenten Lamine Diack, geschrieben haben: "Oder, wir verkünden ein oder zwei (Namen, Anm. d. Red.) aber gleichzeitig mit Athleten aus anderen Nationen."
    In den vier Monaten nach der WM 2013 gab die IAAF Sanktionen gegen 16 russische Athleten bekannt. Russland belegte im Medaillenspiegel den ersten Rang, bereits im Vorfeld war der Gastgeber wegen massiver Dopingvorwürfe in Frage gestellt worden. Papa Diack war zu dieser Zeit Marketing-Berater des Verbandes. Er steht wie sein Vater im Verdacht, an der Vertuschung positiver Dopingproben russischer Athleten beteiligt gewesen zu sein. Der deutsche Journalist Hajo Seppelt hatte in mehreren ARD-Filmen viele Doping- und Verschleierungspraktiken speziell in Russland und allgemein in der IAAF enthüllt.
    Ideen gegen unliebsame Berichte in britischen Medien
    In der E-Mail schlug Davies zudem eine "inoffizielle PR-Kampagne" vor, um unliebsame Presseberichte, vor allem der englischen Medien, zu vermeiden. Er bringt dabei die Beratungs-Agentur CSM ins Spiel - dort ist Coe Vorstandsvorsitzender: "Ich denke, wenn wir CSM benutzen, können wir von Sebs politischem Einfluss in Großbritannien profitieren", schrieb Davies: "Es ist in seinem persönlichen Interesse, dass die WM in Moskau ein Erfolg wird - und nicht, dass die Menschen denken, dass Medien aus seinem Heimatland dies zerstören."
    In einer am Dienstagvormittag veröffentlichten Stellungnahme wehrte sich Davies gegen die Vorwürfe. Es seien lediglich Gedankenspiele gewesen. "Es ist kein Plan umgesetzt worden", sagte Davies.
    IAAF-Chef Coe lässt ausrichten: "Ich habe nichts damit zu tun"
    Coe kommentierte den Sachverhalt nicht. "Es ist klar, dass Sebastian sich nicht zu einer E-Mail äußern wird, die er nicht kennt", sagte seine Sprecherin. Die von der IAAF beauftragte Anwaltskanzlei bestritt die Existenz der E-Mail nicht, betonte aber ausdrücklich, Coe habe mit dem Fall nichts zu tun. Zwar gibt es keine Hinweise auf eine Verwicklung Coes, dennoch schwächen die Anschuldigungen gegen einen seiner engsten Vertrauten seine Position. Erst Ende November musste Coe von seiner Rolle als Nike-Markenbotschafter zurücktreten. Auch sein Engagement bei CSM steht seit langem in der Kritik. Die Agentur berät auch Bewerber sportlicher Großereignisse, verpflichtete sich aber Ende November, weder für die IAAF noch für Städte mit Beziehungen zur IAAF tätig zu werden.
    Nächster Skandal für die IAAF
    Ohnehin taumeln die internationale Leichtathletik und die IAAF seit Wochen von einer Krise in die nächste. Wegen massiver Doping-Verfehlungen wurde der russische Leichtathletik-Verband ARAF inzwischen aus dem Weltverband ausgeschlossen. Das Anti-Doping-Labor in Moskau verlor seine Akkreditierung, die nationale Anti-Doping-Agentur RUSADA wurde von der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA suspendiert. Ohne weitreichende Reformen dürfen Russlands Leichtathleten nicht an den Olympischen Spielen in Rio teilnehmen.
    Und Coes Vorgänger Diack sieht sich seit Anfang November Ermittlungen der französischen Polizei ausgesetzt. Er soll zusammen mit weiteren Beschuldigten positive Dopingproben russischer Sportler vertuscht haben. Angeblich soll das Geld - mehr als eine Million Dollar - in den Präsidentschaftswahlkampf seiner senegalesischen Heimat geflossen sein. Zudem soll Diack auch aktiv gehandelt und den für den Anti-Doping-Kampf zuständigen IAAF-Mediziner Gabriel Dollé bestochen haben.
    (nch/tj)