Als wenige Wochen vor Beginn der Olympischen Sommerspiele von Rio WADA-Chefermittler Richard McLaren vor die Presse trat, war das Echo laut und hallte lange nach. So sprach der Russland-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler (SPD), im Deutschlandfunk von einer "neuen Qualität staatlicher Einmischung in die Doping-Praxis".
In seinem ersten, am 18. Juli veröffentlichen Bericht präsentierte der McLaren Belege dafür, dass es eine Verwicklung auch des russischen Geheimdienstes FSB bei der Vertuschung von Doping-Fällen bei den Winterspielen 2014 in Sotschi gegeben habe. Die Bilanz damals, als der Kanadier nur 57 Tage Zeit für die Untersuchung hatte: Zwischen 2012 und 2015 sollen rund 650 positive Doping-Proben russischer Athleten in rund 30 Sportarten verschwunden sein.
"Das ganze Ausmaß wird wohl nie bekannt werden"
Diesmal hatte McLaren mehr Zeit - und präsentierte noch konkretere Ergebnisse: Mehr als 1.000 russische Sportler waren demnach zwischen 2011 und 2015 Teil einer groß angelegten staatlichen Dopingpolitik, teilte der WADA-Chefermittler in London mit.
Diese Athleten sollen entweder selbst gedopt haben oder von "der systematischen und zentralisierten Vertuschung und Manipulation des Dopingkontrollprozesses profitiert" haben. Gleich zu Beginn des 95-seitigen Berichts ist die Rede von einer "institutionellen Verschwörung", sowohl im Sommer- und Wintersport als auch unter Athleten mit Behinderungen. Die Sportler hätten mit russischen Offiziellen im Sportministerium und dessen Behörden wie der Nationalen Anti-Doping-Agentur RUSADA, mit dem Moskauer Kontrolllabor und dem Inlandsgeheimdienst FSB gemeinsame Sache gemacht, um Dopingtests zu manipulieren.
Doping in Russland habe "in beispiellosem Umfang" stattgefunden. "Das russische Team hat die Spiele von London in einer Weise korrumpiert, die nie da gewesen ist. Das ganze Ausmaß dessen wird wohl nie bekannt werden", sagte McLaren.
Erstmals deckte eine ARD-Dokumentation - Monate nach den Winterspielen im russischen Sotschi - auf, wie staatliches Doping in Russland funktioniert. Dass sich auch danach wenig geändert hat, wie der McLaren-Report aufzeigt, wundert nun Dopingexperte Hajo Seppelt, vor zwei Jahren Autor der Dokumentation "Geheimsache Doping":
Nach der Veröffentlichung des ersten McLaren-Reports wurde die Forderung nach einem vollständigen Ausschluss des russischen Olympia-Teams der Spiele von Rio laut. Das IOC legte daraufhin diese Entscheidung in die Hände der einzelnen Verbände, am Ende durften die Leichtathleten und die Gewichtheber nicht mit nach Brasilien.
"Ein Freund von Putin"
Deutschlandfunk-Sportredakteur Bastian Rudde erwartet einen ähnlichen Verlauf mit Blick auf die Winterspiele 2018 in Pyeongchang. "Es wäre es sehr überraschend, wenn es zu einem Komplettausschluss kommen würde", sagte Rudde im DLF und erinnerte daran, dass der deutsche IOC-Präsidenten Thomas Bach nicht "als Freund von Komplettausschlüssen gilt, aber von Russland Präsident Wladimir Putin".
Vor der Präsentation des zweiten Teils hatte Bach zur Vorsicht gemahnt: Es dürften keine voreiligen Schlüsse gezogen werden. Grundsätzlich müssten die Verantwortlichen eines Dopingsystems - egal ob Athlet, Trainer oder Funktionär - gezielt bestraft werden. Die Sommerspiele von Rio seien die mit der größten weltweiten Aufmerksamkeit aller Zeiten gewesen, , heißt es in einem Jahresrückblick des IOC. Das zeige, wie wichtig die Olympischen Spiele seien.
Fans und Zuschauer seien über Jahre von Russland betrogen worden, heißt es am Ende des WADA-Report. Es sei Zeit, dass das endet.
Inzwischen hat das IOC zwei Kommissionen eingesetzt, die den Vorwürfen des Staatsdopings und der Manipulation von Dopingproben russischer Athleten in Sotschi nachgehen sollen. Es stellte der WADA für die weiteren Ermittlungen McLarens eine Finanzspritze von 500 000 Dollar in Aussicht.
(bor/sima)