Lotfi El Bousidi weiß selbst nicht, ob er in seiner Zeit als Fußballprofi einmal gedopt war. Er hat nicht nachgefragt, was ihm der Mannschaftsarzt des spanischen Drittligisten FC Torrevieja damals, vor sieben Jahren, in einer wundersamen Infusion verabreichte. Nicht nachzufragen, war in seinen Fußballteams üblich: Sie wollten gar nicht wissen, was der Arzt ihnen gab. Sie wollten nur wieder fit sein für das nächste Spiel.
Nachgefragt hat Lotfi El Bousidi erst jetzt, ein halbes Jahrzehnt nach seinem Karriereende, und zwar auf ungewöhnliche Art: Der gebürtige Mainzer schrieb seine Diplomarbeit im Fach Statistik zum Thema "Eine Analyse des Doping-Verhaltens im professionellen Fußball". Dazu befragte er 150 Profifußballer in Deutschland, Spanien und Schweden. Er kam zu dem Ergebnis, dass mindestens zehn Prozent der Fußballer in Deutschland dopen.
Verblüffende Studie
Doping im Fußball ist noch immer eine große Unbekannte. Und so entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun kein Doping-Forscher, sondern ein ehemaliger Fußballer erstmals wissenschaftlich abgesichert das Bild vom reinen Fußball in Frage stellt. El Bousidi durchlief alle Nachwuchsteams des Bundesligisten FSV Mainz 05, bevor er als Fußball-Abenteurer nach Spanien ging.
"Haben Sie in den letzten zwölf Monaten verbotene Substanzen zur Steigerung ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit eingenommen?", lautete eine seiner Fragen an die Fußballer. Um möglichst viele ehrliche Antworten zu erhalten, wandte El Bousidi eine Technik an, die den Befragten die Anonymität garantiert. 124 Sportler antworteten. Die Auswertung ergab: Zwischen 9,8 und 35,1 Prozent der befragten Profifußballer in Deutschland dopen. Also mindestens zehn Prozent. In Schweden sind es schätzungsweise 14 Prozent. In Spanien 31 Prozent.
Kontrollsystem im Fußball funktioniert nicht
Aber auch eine weitere Erkenntnis der Studie ist aufsehenerregend: 43 Prozent der Fußballer gaben an, im Jahr 2014 kein einziges Mal auf Doping kontrolliert worden zu sein. Weitere 50 Prozent wurden ein einziges Mal kontrolliert. Das lässt den Schluss zu: Das Kontrollsystem im Fußball funktioniert nicht. Denn wenn die Chance, kontrolliert zu werden, so extrem gering ist, ist die Versuchung groß, gerade punktuell zu verbotenen Substanzen zu greifen.
Lotfi El Bousidi schloss mit der Diplomarbeit sein BWL-Studium erfolgreich ab. Heute arbeitet er als Unternehmensberater in Frankfurt. Gerne würde er eine größere, offizielle Studie zum Doping im Fußball anstellen, etwa im Auftrag des Deutschen Fußball-Bundes. Optimistisch, dass dieser Auftrag kommt, ist er allerdings nichts. Seine Befragung musste er über persönliche Kontakte, quasi heimlich, durchführen. Die Bundesliga-Vereine wollten von dem Thema nichts wissen.