Seit Ende Juni darf die RUSADA, die russische Anti-Doping-Agentur, wieder Doping-Tests koordinieren und durchführen – allerdings nur unter Aufsicht von Experten aus Großbritannien. Diese teilweise Wiederzulassung wurde möglich, weil Experten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zu dem Schluss gekommen waren, die RUSADA habe einen Teil der ihr auferlegten Auflagen erfüllt. Witalij Smirnow, Chef der vor einem Jahr von Präsident Wladimir Putin einberufenen russischen Anti-Doping-Kommission, reagierte erfreut.
"Wir arbeiten eng mit den internationalen Organisationen zusammen, mit der WADA. Ich kann die Zahl der gemeinsamen Treffen bei uns und im Ausland kaum aufzählen. In jedem Fall gibt es einen Fortschritt."
Zu den erfüllten Forderungen der WADA gehören zum Beispiel diese: Der Generaldirektor der RUSADA wurde entlassen und die Stelle ausgeschrieben; unter internationaler Aufsicht hat Russland neue Doping-Kontrolleure ausgebildet; und die RUSADA wird nunmehr vom Finanzministerium finanziert und ist damit unabhängiger vom Sportministerium. Letzte Woche hat Premierminister Dmitrij Medwedew zudem grünes Licht für ein neues nationales Anti-Doping-Labor gegeben – auch das war eine Forderung der WADA. Das neue Labor soll einer Moskauer Universität angegliedert und unabhängig vom Sportministerium sein.
Streit um Anerkennung des McLaren-Berichts
Um vollständig international wieder anerkannt zu werden, muss die russische Anti-Doping-Agentur aber noch weitere Auflagen erfüllen. Sie bergen Konfliktpotenzial. So fordert die WADA vor allem, dass alle offiziellen Stellen, die in Russland mit dem Kampf gegen Doping zu tun haben, also die RUSADA, das Sportministerium, das Nationale Olympische Komitee, die Ergebnisse des McLaren-Berichts öffentlich anerkennen.
Der Kanadier Richard McLaren hat Russland systematisches Staatsdoping nachgewiesen. Russland weist dies bis heute kategorisch von sich. Staatspräsident Wladimir Putin Ende 2016: "In Russland wurde niemals – es ist gar nicht möglich - ein staatliches Doping-System geschaffen. Und wir werden alles tun, damit es niemals geben wird." Russische Zeitungen zitieren den Chef der Anti-Doping-Kommission Witalij Smirnow dieser Tage mit den Worten, niemand habe vor, den McLaren-Bericht uneingeschränkt anzuerkennen.
WADA-Zugang zu Urinproben umstritten
Ein weiterer Konfliktpunkt: Die WADA verlangt Zugang zu den Urinproben, die das umstrittene frühere russische Anti-Doping-Labor laut dem McLaren Bericht manipuliert hat. Russische Ermittler haben diese Proben beschlagnahmt. Denn die russische Justiz ermittelt gegen den ehemaligen Chef des Labors, den Arzt Grigorij Rodtschenkow.
Der hatte gegenüber westlichen Journalisten ausgepackt und offengelegt, wie Doping-Proben in Russland systematisch ausgetauscht wurden, unter anderem bei den Olympischen Spielen in Sotschi. Rodtschenkow gilt in Russland als Lügner und Verräter. Präsident Putin warf ihm vor, er habe die verbotenen Substanzen und Praktiken aus Kanada nach Russland gebracht.
"Er hat damit persönlich Geschäfte gemacht und die Leute gezwungen, das Zeug zu nehmen."
Es ist unwahrscheinlich, dass die Ermittlungen gegen Rodtschenkow in absehbarer Zeit eingestellt und die Proben freigegeben werden. Witalij Smirnow von Russlands Anti-Doping-Kommission sagte kürzlich, es sei unmöglich, auf die Ermittler einzuwirken.
Strafrechtliche Konsequenzen nur für künftige Doping-Fälle
Manche Maßnahmen Russlands im Kampf gegen das Doping werden in Russland und im Ausland unterschiedlich interpretiert. Die strafrechtliche Ahndung von Doping-Sündern ist ein Beispiel. Im November 2016 hat Russland ein Gesetz verabschiedet, das Haftstrafen von bis zu einem Jahr für Trainer und Ärzte vorsieht, die Sportler zur Einnahme verbotener Mittel verleiten.
Witalij Smirnow verspricht außerdem, dass disqualifizierte Sportler Einkünfte, Vermögen und die Aussicht verlieren sollen, jemals im Leben irgendeinen Posten im Sport zu erhalten. Smirnow bezieht das allerdings ausschließlich auf künftige Doping-Fälle. Internationale Vertreter hätten ihn bereits gefragt: "Gab es schon Ermittlungen, wurde schon jemand ins Gefängnis gesteckt? Wir haben gesagt: Das Gesetz hat keine rückwirkende Kraft."
Vergangenheitsbewältigung kein Thema
Unter dem Strich entsteht einmal mehr der Eindruck, dass es Russland beim Kampf gegen Doping und den entsprechenden Reformen nicht um eine umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit geht. Die Funktionäre reden lieber über die Zukunft und stellen ihr Land dabei als Speerspitze im Kampf gegen Doping dar.
Witalij Smirnow: "Wir brauchen ein transparentes und effektives System, das Null-Toleranz gegenüber solchen Vorkommnissen garantiert. Wir setzen darauf, dass wir damit keine weißen Raben werden, sondern dass andere Länder unserem Beispiel folgen werden."
Nächste WADA-Kontrolle im September
Die WADA hat ihre nächste Kontrolle der RUSADA für den September angesetzt. Russland hofft, dass seine Anti-Doping-Agentur bis Ende 2017 wieder vollständig anerkannt wird. Dies wäre eine Bedingung, damit zum Beispiel der russische Leichtathletik-Verband wieder in den Weltverband aufgenommen wird und die russischen Leichtathleten wieder unter russischer Flagge starten können.
100 Millionen für Olympia-Teilnahme?
Parallel dazu will das IOC im Herbst über Russlands Teilnahme bei den Olympischen Winterspielen in Südkorea entscheiden. Gerüchte, nach denen sich Russland die Zustimmung mit einem Bußgeld in Höhe von rund 100 Millionen US-Dollar erkaufen könnte, wurden in Russland bisher nicht kommentiert. Vizepremier Witalij Mutko, lange Jahre Sportminister, erklärte vor wenigen Tagen, Russland denke derzeit vor allem an die Vorbereitung der Sportler auf Olympia.