Das Loblied auf den deutschen Anti-Doping-Kampf und die Null-Toleranz-Politik, es gehört hierzulande zum gängigen Sprachrepertoire von Verbandsvertretern. Vor allem in Zeiten, in denen man sich wegen Dopingskandalen über das Ausland empört. Nun liegt dem Deutschlandfunk ein Schreiben des Sprechers der Spitzenverbände, Siegfried Kaidel, von Ende April vor. Empfänger: die Präsidenten der olympischen und nicht-olympischen Verbände. Das Schreiben lässt Zweifel an einem geregelten Anti-Doping-Kampf in Deutschland aufkommen. Es geht um die Finanzierung der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA.
Kaidel dankt in dem Schreiben den für Sport zuständigen Abteilungsleiter des Bundesinnenministeriums Gerhardt Böhm und gibt ein Ergebnis bekannt. Zitat:
"Die zusätzlich durch die Verbände aufzubringenden Mittel (247.000 Euro) für die NADA werden durch das BMI gedeckt."
Eine Aussage mit Konfliktpotenzial. Denn hier steht Schwarz auf Weiß, dass der Sport seine finanziellen Mittel für die Dopingkontrollen nicht zusammen bekommt.
Hintergrund: 2015 hat sich der Beitrag des Sports an die NADA für Dopingkontrollen erhöht. Seit dem damals eingeführten neuen weltweiten Anti-Doping-Code muss die NADA neben den Trainings- auch die Wettkampfkontrollen übernehmen. Die Kosten der Verbände verdoppelten sich auf bis zu 1,5 Millionen Euro. Mit dieser Summe kalkuliert die Nada auch im Haushalt 2016.
DOSB-Beitrag liegt unter NADA-Kalkulation
Auf Deutschlandfunk-Anfrage teilt das BMI nun mit, dass der Deutsche Olympische Sportbund der NADA lediglich eine Zahlung von 1 Million Euro zugesagt habe – also eine halbe Million weniger als kalkuliert. Gleichzeitig habe er gefordert, dass die NADA selbst aus Überschüssen 250.000 Euro erbringen soll. Damit, so das Ministerium, wären jedoch weitere rund 250.000 als Beitrag des Sports zur Finanzierung des Dopingkontrollsystems offen. Der Zahlung stimmten die Verbände schon vor Monaten zu. Der Vorstandsvorsitzende des DOSB, Michael Vesper, räumt nun ein, dass es dabei Schwierigkeiten gibt.
"Das ist in diesem Jahr sehr intensiv diskutiert wurden. In der Tat einige Verbände haben da Probleme, diese zusätzlichen Mittel aufzubringen. Deswegen gibt es da weitere Diskussionen unter den Spitzenverbänden, wie diese Finanzierung dann im kommenden Jahr gesichert werden soll. Aber das sind konstruktive Gespräche und ich bin auch ganz sicher, dass die zum Erfolg führen."
Widerstand im Breitensport
Seit einem Jahr versucht eine Arbeitsgruppe das Problem intern zu lösen. Bisher ohne Erfolg. Man findet keinen Schlüssel, wie die fehlenden 250.000 Euro auf die Sportverbände verteilt werden. Möglicherweise auch, weil die Verbände ihren Anteil für die NADA unter anderem aus Mitgliedsbeiträgen finanzieren – also aus dem Geld, das von Breitensportlern kommt. Dass die Dopingkontrollen im Spitzensport bezahlen müssen – dagegen regt sich in einigen Verbänden offenbar Widerstand.
Dennoch ist es bemerkenswert, dass die Sportverbände es nicht schaffen, den Fehlbetrag von 250.000 Euro zusammenzubekommen. Schließlich wird der Anti-Doping-Kampf des Spitzensports ohnehin großzügig durch Steuergeld finanziert. 60 Prozent kommen vom BMI. Der Anteil der Sportverbände: weit geringer. Nun kommt man ausgerechnet im Olympiajahr seiner finanziellen Verantwortung nicht nach. Wieder muss kurzfristig und leise der Steuerzahler einspringen. Dem Deutschlandfunk teilt das Innenministerium mit:
"Wir sehen mit Sorge, dass sich der Sport nicht in der Lage sieht, einen größeren Beitrag zum Dopingkontrollsystem zu leisten. Etwaige Überschüsse der NADA in kommenden Jahren sollten nach Auffassung des BMI künftig zur Absenkung des Bundesanteils und nicht zur Absenkung des Sportanteils eingesetzt werden."
Ein frommer Wunsch. Auf Sicht bleibt der Anti-Doping-Kampf hierzulande zuvorderst Aufgabe der öffentlichen Hand.