Es ist die Diskussion um Trittbrettfahrer, die alte Weggefährten in den vergangenen Wochen entzweit hat und die weiter schwelt. Vier Kritiker, der Molekularbiologe Werner Franke, der früheren Skilanglauftrainer Henner Misersky, der Sportpädagogen Gerhard Treutlein und die frühere Leichtathletin Claudia Lepping fordern "Schluss mit der Opfer-Politik" und haben ihre Bedenken in einem 48-Seitigen Bericht zusammengefasst. Sie sehen die DDR-Opferzahlen des Doping-Opferhilfe-Vereins als zu hoch an und den Begriff Dopingopfer als zu weit gefasst.
Emotionale Amtsübergabe
Der DOH weist die Kritik zurück. Ganz zum Schluss der Veranstaltung in Berlin, bei der die bisherige Vorsitzende Ines Geipel ihr Amt an den Sportrechtsanwalt Michael Lehner übergab, wurde Geipel emotional:
"Es ist eine Sauerei, diese Kriminalisierung von Menschen, die fast nicht aus der Wohnung kommen, die nicht über den Tag kommen. Unsere gesellschaftliche Energie müsste doch in die Richtung gehen zu sagen, was können wir tun, damit diese Menschen besser ins Leben kommen, stattdessen diskutieren wir hier seit Wochen über Trittbrettfahrer."
Der Neue stützt die Alte
Ihr Nachfolger, der Sportrechtsanwalt Michael Lehner, stützt Geipel ausdrücklich in der inhaltlichen Frage und in der Ausrichtung des Vereins und sagte zum Streit mit den vier verdienten Anti-Doping-Kämpfern:
"Da gibt es eigentlich nichts zu schlichten, sondern da ist eine klare Position weiter zu vertreten und da ist auch ein Bemühen, die Wogen nach außen zu glätten und ich biete an und habe da die ersten Zeichen eben auch von Werner Franke und den vieren, dass ich mich natürlich mit den Argumenten auseinandersetze, was ich aber nicht mitmache ist ein öffentliches Austragen."
Der Doping-Opferhilfe-Verein steht vor einem Umbruch. Nicht nur, dass die langjährige Vorsitzende Ines Geipel nach der heftigen Kritik an ihrer Person ihr Amt abgegeben hat, der Verein richtet sich auch neu aus, wie Geipel erklärte:
Breiteres Arbeitsfeld
"Wir haben das Mandat von der Mitgliederversammlung bekommen, dass wir eben im Sinne eines rechtlich abgesicherten Athletenschutzes in Zukunft arbeiten werden. Die Chemie ist ein Pfeiler darin, aber wir werden unsere Arbeit breiter anlegen."
Breiter heißt auch die psychischen Schäden miteinzubeziehen. Es ginge um die Unversehrtheit der Athleten im komplexen Sinne, so Geipel:
"70 Prozent der Betroffenen, die sich bei uns melden, sprechen von massivsten, psychischen Schädigungen und wir werden darum kämpfen, dass wir das forschungstechnisch absichern können."
Der Verein hatte hierzu bereits mit dem Schweriner Traumaforscher und Psychiatrieprofessor Harald Freyberger zusammengearbeitet, der eine Studie zu den psychischen Langzeitfolgen des Dopings begonnen hatte. Allerdings ist Freyberger ganz plötzlich verstorben.
"Wir verlieren hier auch eine für uns sehr, sehr wichtige Stimme",
erklärte Geipel zum plötzlichen Tod des Wissenschaftlers.
Zusammenarbeit mit "Athleten Deutschland"
Neben der Suche nach einer neuen wissenschaftlichen Begleitung will der DOH auch mit der unabhängigen Athletenvertretung "Athleten Deutschland" zusammenarbeiten. Deren Sprecher Max Hartung erklärte dazu:
"Unser Anknüpfungspunkt zu der Doping-Opfer-Hilfe ergibt sich durch die Themen: Von Medikamentenmissbrauch, Doping, über sexuellen Missbrauch, Gewalt, über das Ausnutzen von Machtstrukturen gegenüber Athleten. Die Themen, die uns heute ganz aktuell beschäftigen."
So laufen gerade inhaltliche Neuausrichtung und die Debatte wer eigentlich Dopingopfer ist zusammen. Der Streit könnte auch hier seine Spuren hinterlassen.