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Doping
"Sie schauen lieber weg"

Victor Conte wurde in der BALCO-Affäre als Doping-Dealer entlarvt. Nun will er den Fahndern helfen. Aber seine Erfahrungen ergaben: Die Verbände sind "von oben bis unten korrupt."

Von Jürgen Kalwa |
    Der ehemalige Doping-Dealer und spätere Kronzeuge der US-Justiz, Victor Conte
    Der ehemalige Doping-Dealer und spätere Kronzeuge der US-Justiz, Victor Conte (picture-alliance / dpa/ dpaweb / epa Arleen Ng dp)
    Man findet ihn auf halber Strecke zwischen San Francisco und dem Silicon Valley. San Carlos heißt der Ort. Dort ist sein Büro. Und ein paar Kilometer weiter ein Fitnessstudio mit einem vielversprechenden Namen:
    "Undisputed Boxing Gym".
    "Unumstritten" ist ein Wort aus dem Boxermilieu, wo man in allen Gewichtsklassen Weltmeister zuhauf hat. Unumstritten ist der seltene Fall von jemandem, den alle akzeptieren.
    Unumstritten – das ist ein Wort, das früher auch irgendwie auf Victor Conte passte. Zumindest unter Sportlern, die auf der Suche nach dem Leistungskick waren. Conte – unter dem Namen BALCO – betreute Leichtathletik-Weltstars, Baseball- und Footballprofis und verhalf ihnen die besten Dopingmittel, die es gab. Und er sorgte dafür, dass keiner von ihnen bei einem Urintest aufflog. Erst als die Steuerfahndung etwas witterte und eine Hausdurchsuchung durchführte, wurden seine Methoden publik. Conte landete im Gefängnis. So wie ein paar Jahre später seine berühmteste Klientin: Marion Jones.
    Inzwischen 65 Jahre alt kümmert er sich auch heute noch um Sportler. Um Profiboxer, die er mit technisch aufwändigen Methoden aufpäppelt. Mit jener Hochdruckkammer etwa, die in seinem Büro steht. Oder mit diesem riesigen, dickwandigen Zelt aus durchsichtigem Kunststoff, wo ein Teil des Sparrings stattfindet.
    "Das ist eine futuristische Kuppel, sechs Meter Durchmesser, vier Meter hoch. Wir haben sieben Hypoxicatoren angeschlossen", sagt Conte. Geräte, die der Luft den Sauerstoff entziehen.
    "Hier herrschen die Bedingungen in einer Höhe von 3000 Metern."
    Der für ihn lukrativste Kampf findet am 12. September in Las Vegas statt. Dann steigt sein Boxer Andre Berto gegen Floyd Mayweather in den Ring, den Cash-King der Branche, der jedes Mal hunderte von Millionen Dollar einspielt.
    Conte geht es übrigens gut in diesem Milieu. Doch Leute, die auf seinen Sachverstand setzen, findet er nur noch wenige. Was bedauerlich ist. Vor ein paar Jahren vor den Olympischen Spielen in Peking etwa wurde er von Dick Pound gefragt: Was er denn wohl tun würde, um die Aufklärung in Sachen Leistungsbetrug voranzubringen. Er würde gezielt alte Proben von prominenten Leichtathleten auftauen, sagte er:
    "Usain Bolt und Yohan Blake, zwei Sprinter aus Jamaika. Trainer: Glen Mills. Carmelita Jeter und Jason Richardson, ein Hürdenläufer. Ihr Coach: John Smith, der für Nike arbeitet. Und Mo Farrah und Galen Rupp, die von Alberto Salazar trainiert werden. Ich habe gesagt, sie sollten deren Proben aus der Zeit vor den Spielen in Peking und der WM in Berlin 2009 noch einmal testen. Mit der Methode, genannt CIR, bei der das Verhältnis zweier Kohlenstoff-Isotope ermittelt wird. Man sollte nach synthetischem Testosteron suchen. Denn ich glaube, das haben sie genommen."
    Das Thema erledigte sich allerdings schnell, nachdem Dick Pound als Gründungschef aus der Welt-Anti-Dopingagentur ausgeschieden war. Dies war die Rückmeldung von der WADA:
    "Wollen Sie mit uns scherzen? Wollen wir hier die gesamte olympische Bewegung kaputtmachen? Nein, wir werden diese Tests nicht bei Usain Bolt oder anderen großen Stars machen, die der olympischen Bewegung das viele Geld der Sponsoren einbringen."
    Nun kann man Victor Conte vieles vorhalten. Diese erfolgreiche Karriere als Doping-Dealer zum Beispiel. Oder seine ausgesprochene Eitelkeit. Aber man dürfte es schwer haben, sein Hauptargument zu entkräften: Dass die Doping-Fahnder offensichtlich gar nicht finden wollen, was sie suchen. Etwas was durch die jüngsten ARD-Recherchen zu den gesammelten Daten aus der Leichtathletik einmal mehr bestätigt wird.
    Alles wie immer? Wie zum Beispiel wie in dem Jahr vor den Spielen von Peking, als Conte der amerikanischen Anti-Dopingagentur folgenden Ratschlag gab:
    "Sportler nehmen die verbotenen Mittel typischerweise im vierten Quartal ein – im Oktober, November, Dezember, Januar. Das zusammen mit einem intensiven Krafttraining produziert noch viele Monate danach positive Resultate. Wenn man also die Angel ins Wasser werfen und den Fisch fangen will, muss man genau dann in Länder wie Jamaika gehen und die Tests durchführen."
    Was geschah?
    "Wenn man sich die Daten der USADA von 2007 anschaut, sieht man, dass sie in den ersten drei Quartalen jeweils 1200 Tests durchgeführt haben. Was passierte im vierten Quartal, der Zeit, in der die Fische beißen und wo man testen muss? Die Zahl der Tests ging um 50 Prozent zurück."
    Angesichts dessen macht sich Conte auch keine Illusionen. Er, der überführte Betrüger, hat seinen Fisch und seine Schäfchen ohnehin im Trockenen. Und er nimmt kein Blatt vor den Mund:
    "Ich glaube, dass die IAAF, das IOC und WADA von oben bis unten korrupt sind. Sie können mehr Sportler überführen. Aber sie schauen lieber weg."