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Doping
Sportler in der Dopingfalle

Chemische Reaktionen im Körper können durchaus zu positiven Doping-Proben führen. Kontroll-Labore haben daher zuletzt vermehrt verdächtige Proben noch einmal überprüft und so eine Vielzahl unschuldig gesperrter Sportler verhindert.

Von Heinz Peter Kreuzer |
    Eine Spritze
    Verbotene Substanzen können erst im Körper durch biochemische Reaktionen entstehen (dpa / picture-alliance / Patrick Seeger)
    "Man hat mir etwas ins Getränk getan", ist eine beliebte, aber einfallslose Ausrede von Dopingsündern. Andere haben mehr Phantasie. So erklärte US-Sprinter Dennis Mitchell Ende der 1990er seinen erhöhten Testosteronwert mit fünf Bier und Sex mit der Ehefrau am Vorabend der Dopingkontrolle. Und Ex-Radprofi Christian Henn begründete seine positive Dopingprobe mit einem Hausmittel seiner Schwiegermutter, das seine Zeugungsfähigkeit steigern sollte. Dagegen sitzen Sportler mittlerweile oft in der Dopingfalle Clenbuterol, ein Kälbermastmittel. Der deutsche Tischtennisspieler Dimitrij Ovtcharov konnte nachweisen, dass seine positive Probe auf Clenbuterol die Folge des Verzehrs von kontaminiertem Fleisch in China war.
    Die Dopingfalle Clenbuterol ist schon länger bekannt. Einige Sportler haben durch den Verzehr von kontaminiertem Fleisch beispielsweise in China eine positive Dopingprobe abgegeben. Ohne aktiv und wissentlich manipuliert zu haben, gelangte dennoch das verbotene Kälbermastmittel in den Körper der Athleten.
    Es gibt aber darüber hinaus auch noch verbotene Substanzen, die erst im Körper durch biochemische Reaktionen entstehen. Ein Beispiel ist der Fall der chinesischen Hammerwerferin Zhang Wenxiu. Die 29-Jährige hatte bei den Asienspielen 2014 im südkoreanischen Incheon die Goldmedaille gewonnen. In einer Trainingskontrolle vor dem Wettkampf wurde das auf der Verbotsliste stehende Anabolikum Zeranol gefunden. Ihre Goldmedaille wurde Zhang zuerst aberkannt. Aber im Mai dieses Jahres wurde die Athletin rehabilitiert, sie erhielt Titel und Edelmetall zurück. Nachtests hatten bewiesen, dass das Zeranol die Folge von kontaminierten Lebensmitteln war. Professor Mario Thevis vom Kölner Zentrum für Präventive Dopingforschung war in diesem Fall für die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA als Gutachter tätig und erklärt:
    "Wenn Getreide, Reis oder ähnliche Produkte unter zu feuchten Bedingungen gelagert werden, bilden sich auf Reis- und Getreideprodukten Pilzkulturen. Diese können dann Toxine, Gifte, sogenannte Mykotoxine bilden, zu denen eines im Besonderen gehört, Zearalenon. Wenn Sie dies zu sich nehmen, der Reis dann doch noch in die Nahrungskette eingegeben wurde, dann formt der Körper dieses Zearalenon, dieses Pilzgift, zu Zeranol um."
    Genau das war auch bei der Chinesin Zhang Wenxiu der Fall. Eine weitere Dopingfalle gibt es beim folgenden Anabolikaproblem: Körpereigene Abbauprodukte des Hormons Testosteron können im Körper zu Nandrolon umgewandelt werden. Auch bei Mitteln zur Entwässerung des Körpers, sogenannten Diuretika, kann es zu irreführenden Ergebnissen kommen. In der Medizin werden Diuretika beispielsweise bei Bluthochdruck in Kombination mit Betablockern gegeben. Im Sport wird das Mittel zur Maskierung anderer verbotener Substanzen missbraucht. Deshalb stehen Diuretika seit 1988 auf der Verbotsliste.
    Bei zwei französischen Fechtern wurde im vergangenen Jahr bei einer Urinprobe das Diuretikum Chlorazanil nachgewiesen. Der Fund war eine kleine Sensation, denn der Nachweis dieser Substanz war eine weltweite Premiere. Denn obwohl das Mittel seit Ende der 1950er Jahre in der Medizin eingesetzt wird, wurde es bisher nie nachgewiesen. Mittlerweile wird auch die Wirksamkeit des Präparates bezweifelt. Für die französischen Wissenschaftler genug Gründe, das Ergebnis vom Kölner Zentrum für präventive Dopingforschung überprüfen zu lassen. Das stellte fest: Beide Sportler waren vor der Kontrolle in Afrika gewesen und hatten zur Malaria-Prophylaxe das Medikament Malarone eingenommen. Ein Bestandteil dieses Präparates ist Proguanil.
    "Wenn Sie als Sportler zudem Creatin zusätzlich einsetzen, dann scheiden Sie in den Urin nicht nur Proguanil, sondern auch Formaldehyd aus. Das haben wir chemisch nachgestellt, und diese Kombination aus einem Proguanilabbauprodukt und Formaldehyd kann im Urin zur künstlichen Herstellung eines Diuretikums, in dem Fall Chlorazanil, führen."
    Für Professor Thevis war ein Freispruch die logische Folge. Denn die Menge an Chlorazanil in den Urinproben war vergleichsweise gering und wies deshalb nicht auf eine gezielte Einnahme hin.
    "Es ist mit Sicherheit zu belegen, das Chlorazanil erst in der Blase, im Urin entstanden ist, möglicherweise auch während des Transports ins Labor. Aber mit Sicherheit nicht im Kreislauf des Athleten, dementsprechend hat auch kein Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln vorgelegen."
    Da sich solche Fälle häufen, müssen positive Proben noch einmal überprüft werden. War es ein Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln oder ein künstliches Produkt als Folge des Verzehrs kontaminierter Nahrungsmittel oder der Einnahme von Medikamenten.
    "Das kann man glücklicherweise und zum Schutze des Athleten mit Hilfe entsprechender Analyseverfahren ausschließen."
    Schon in der Vergangenheit haben die Doping-Kontroll-Labore verdächtige Proben noch einmal überprüft und so eine Vielzahl unschuldig gesperrter Sportler verhindert.