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Doping
Unklarheit über Nachweisbarkeit von Meldonium

Die internationale Biathlon Union (IBU) hat die Verfahren wegen Meldonium-Dopings vorerst ausgesetzt. Die Substanz steht seit Jahresbeginn auf der Verbotsliste und hat schon für mehr als 150 positive Tests gesorgt. Die IBU sieht aber offenbar entscheidende Punkte für eine Sanktionierung der Sportler noch nicht geklärt.

Von Andrea Schültke |
    Eine Frau hält eine kleine Glasflasche des Mittels Mildronat in der Hand.
    Das Dopingmittel Meldonium wird unter dem Namen Mildronat vertrieben. (imago/sportfoto/ITAR-TASS)
    Wie lange ist Meldonium im Urin nachweisbar? Wenige Tage oder sogar mehrere Monate? Diese Frage treibt die Internationale Biathlon Union um. Eine Antwort gibt es nach Ansicht der IBU bisher nicht. Daher lässt sie die Meldonium-Fälle bis zur Klärung ruhen. Richtig, findet Rechtsanwalt Manfred Zipper. Der Jurist aus Schwetzingen vertritt vier Beschuldigte des Ringervereins ASV Nendingen, gegen die im Zusammenhang mit Meldonium ermittelt wird.
    "Ich bin der Meinung, dass Meldonium in die Verbotsliste aufgenommen worden ist, ohne, dass entsprechende Langzeitstudien, Untersuchungen und sonstige Maßnahmen vorlagen, die aber erforderlich sind um eine entsprechende Auswirkung der Einnahme einer Substanz überhaupt nachvollziehbar machen zu können."
    "Keine wissenschaftlichen Arbeiten über Nachweiszeiten"
    Mario Thevis, Dopinganalytiker am Institut für Biochemie an der Sporthochschule Köln bestätigt:
    "Mir sind keine wissenschaftlichen Arbeiten über Nachweiszeiten, Nachweisfenster für Meldonium im Urin bekannt und daher ist das Aussetzen von Fällen, wie es von der Biathlon Union zurzeit durchgeführt wird, nachvollziehbar. Denn wir müssen klären wie lange in welchen Mengen Meldonium tatsächlich in Urinproben vorliegen kann."
    Für Jurist Manfred Zipper ist entscheidend was strafbar ist: der Einnahmezeitpunkt des Meldoniums oder der Zeitpunkt des positiven Tests.
    "Beispiel: Ein Athlet nimmt am 30. Dezember 2015 letztmalig Meldonium ein. Da war die Substanz noch erlaubt. Bei einer Dopingkontrolle am 5. Januar 2016 wird der Athlet positiv auf Meldonium getestet. Das Mittel war da seit fünf Tagen verboten. Das darf nicht dazu führen, dass der Sportler wegen der immer noch vorhandenen Abbauprodukte in seinem Körper verurteilt wird," meint Manfred Zipper. Er beruft sich dabei auf den Bestimmtheitsgrundsatz im deutschen Grundgesetz. Der besagt: Zum Zeitpunkt der Tat muss die Tat verboten gewesen sein. Laut Wada-Regelwerk ist dagegen der Athlet verantwortlich für jede verbotene Substanz, die in seiner Probe gefunden wird. Der Zeitpunkt der Einnahme ist demnach unerheblich.
    Manfred Zipper vertritt die Ansicht, die WADA habe Meldonium willkürlich auf die Verbotsliste gesetzt und kritisiert:
    "Insgesamt sind die Untersuchungen zu Meldonium nicht soweit gewesen, dass eine verbotene Substanz in Meldonium gesehen werden durfte."
    Nebenwirkungen: Herzrasen, Blutdruckschwankungen, Juckreiz
    Für Dopinganalytiker Mario Thevis liegen dagegen Hinweise vor, dass Meldonium leistungssteigernd sein kann und damit zu Recht auf der Verbotsliste steht. Der Biochemiker führt Studien an aus den russischen Kontrolllabors 2015:
    "Bis zu 20 Prozent aller Sportler, die da untersucht wurden, getestet wurden, haben Spuren oder auch größere Mengen von Meldonium im Urin nachweisen lassen. Das ist sicher ein Aspekt, der bei der Beurteilung mit in Betracht gezogen wurde."
    Fakt ist, es gibt noch viel zu klären rund um die Substanz, die im
    Medikament Mildronat enthalten ist. Laut Hersteller wirkt es unter anderem gegen Durchblutungsstörungen und chronische Herzerkrankungen. Auch eine leistungssteigernde Wirkung bei gesunden Menschen attestiert die Firma aus Lettland ihrem Produkt.
    Als Nebenwirkungen von Mildronat listet eine Internetapotheke aus der Ukraine unter anderem Herzrasen und Blutdruckschwankungen auf. Aber auch Juckreiz oder Verdauungsstörungen. Die Behandlungsdauer ist mit 4 bis 6 Wochen angegeben. Ein anderer Händler hat als Service die Dosierung für Sportler auf seiner Seite gleich fett gedruckt.
    Suspendierte Sportler verpassen möglicherweise Olympische Spiele
    Seit 2015 hatte die Welt-Anti-Dopingagentur WADA Meldonium unter Beobachtung. Warum hat sie in dieser Zeit keine Studie erstellt über die jetzt diskutierten Fragen etwa zu den Abbauzeiten? Zweimal haben wir der Wada dazu Fragen geschickt – zweimal keine Antwort.
    Dopingforscher Mario Thevis erläutert das generelle Prozedere solcher Studien:
    "Studien zu Nachweisfenstern beispielsweise können theoretisch parallel zur Beobachtungsstudien durchgeführt werden, sind aber sehr zeit- und kostenintensiv. Und da es sehr viele Substanzen gibt, die beobachtet werden, die es aber nicht bis zur Verbotsliste schaffen wäre das ein Investment, das möglicherweise zu groß ist."
    Meldonium hat es auf die Verbotsliste geschafft und deshalb gibt es jetzt auch eine Studie. Die soll im September vorliegen. Aber was passiert bis dahin mit den suspendierten Sportlern? Einige von ihnen verpassen dadurch möglicherweise die Olympischen Spiele in Rio. Sollte sich im Nachhinein aber herausstellen die Suspendierung war juristisch nicht richtig, könnten Schadenersatzklagen drohen.