Offenbar leiden viel mehr Fußballprofis an Asthma und chronischen Atemwegsproblemen als bisher angenommen. Der langjährige Bundesliga-Spieler und Kapitän von Greuther Fürth, Marco Caligiuri sagt, er sei selbst zwar nicht betroffen.
"Ich kenne aber Spieler, die zum Teil Probleme mit den Lungen haben, oder Asthma-ähnliche Medikamente angeben müssen, oder angeben mussten."
Und Fürths Sportdirektor Martin Meichelbeck bestätigte schon vor einigen Monaten im Interview, dass zum Teil sogar medizinische Ausnahmegenehmigungen beantragt werden müssen. Für Mittel, die eigentlich auf der Dopingliste stehen.
Schmerzmittel, Asthma-Sprays und Cortison können verabreicht werden
"Bei Erkrankungen. Jetzt nehmen wir mal an, jemand hätte ein Asthma, dann muss man dieses Asthma-Spray auch erstmal genehmigen lassen auch von der NADA. Es gibt halt auch mal Situationen, wo man vielleicht auch ein spezielles Cortison-Präparat auch braucht. Das muss man dann natürlich auch anmelden und angeben."
Was Fußball-Profis also nehmen dürfen und ihnen ganz offensichtlich auch regelmäßig verabreicht wird: Zum einen, Schmerzmittel, die sind sowieso erlaubt. Dann: Asthmasprays, um besser Luft zu bekommen. Und Cortison gegen Entzündungen. Wer für das entsprechende Präparat eine Ausnahmegenehmigung braucht, stellt einen Antrag bei der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA. Dort wird dann geprüft und entschieden, ob der Spieler tatsächlich so krank ist, dass er das Medikament unbedingt braucht. Alles legal. Auch dem Mannschaftsarzt von Werder Bremen, Dr. Philip Heitmann, ist das Prozedere vertraut.
"Wir wissen, dass das auf der Dopingliste steht, unter bestimmten Voraussetzungen, und dann melden wir das an, dann dürfen wir das, wenn es genehmigt ist."
FIFA und UEFA mauern
Im Jahr 2016 hat die NADA im deutschen Fußball 13 Ausnahmegenehmigungen bewilligt.
Wie viel es tatsächlich sind, und für welche Medikamente und Mittel genau, darum wird aber ein Geheimnis gemacht. Denn für die Nationalspieler ist die FIFA zuständig, und für die Bundesliga-Vereine, die in der Champions-League oder Euro-League spielen, die UEFA. Dort wird aber gemauert. Weder die UEFA noch die FIFA geben auf Anfrage Zahlen heraus. Gemäß den veröffentlichten Daten der Hacker-Gruppe Fancy-Bears hätten bei der WM 2010 in Südafrika allein vier Spieler der deutschen Nationalmannschaft Ausnahmegenehmigungen für Asthmamittel gehabt. Für den Sportmediziner und Anti-Doping-Forscher Prof. Perikles Simon von der Uni Mainz nicht überraschend.
"Weil dieses Verhältnis an Asthmatikern unter den Sporttreibenden wäre völlig zu erwarten. Auch wenn wir jetzt mal einen Spielsport, der draußen stattfindet, in der Kälte stattfindet, auf Großfeld stattfindet, nimmt, wie Football, dann haben wir ähnliche Quoten."
Jeder fünfte Fußballer könnte an Asthma leiden
Simon verweist auf Studien mit 20% Prozent Asthmatikern im American Football bis hin zu sogar 70% im Schwimmen. Entsprechende Untersuchungen explizit für den Fußball sind zwar nicht bekannt. Der Sportmediziner geht aber davon aus, dass auch mindestens jeder fünfte Fußball-Profi an Asthma leidet, und viele die Erkrankung im Laufe ihrer Karriere durch die besonderen Belastungen im Fußball erst bekommen haben.
"Dass sämtlicher Stress, der chronisch auf diese Lungen wirkt. Weil man auch einfach diese Lunge stark, stark belastet, im Rahmen der sportlichen Tätigkeit, - wo viele Intervalle gerannt werden, die in der Kälte stattfinden, die teilweise auch in verschmutzter Luft in städtischen Ballungsräumen, bei Inversions-Wetterlage stattfinden, - dass das selbstverständlich Asthma auch ein Stück weit triggern kann."
Aber obwohl also offensichtlich völlig normal, sind Asthmamittel und medizinische Ausnahmegenehmigungen im deutschen Fußball ein Tabu-Thema. Der DFB will auf Anfrage nicht mitteilen, wie viele Nationalspieler in den vergangenen Jahren Ausnahmegenehmigungen bekommen haben. Für Anti-Doping-Forscher Perikles Simon ist diese Intransparenz nicht nachvollziehbar.
Simon: "Intransparenz problematisch"
"Die Intransparenz ist sehr problematisch, vor allem wenn klar ist, dass die Daten, an sich kein Problem wären für die individuellen Sportler. Aber wenn man einfach nur wissen will, wie ist denn insgesamt die Quote für diese Sportler, dann ist es dringend etwas, das auf den Tisch muss. Wir müssen einerseits sehen, wieso gibt es solche Quoten, wie kommen sie zustande. Wir müssen uns kritisch mit denen auseinandersetzen. Ist denn diese Sportart derart schädigend, müssen wir in der Jugend ganz anders vorgehen, um zu verhindern, dass diese Problematik entsteht. Oder ist es tatsächlich etwas, dass hier missbraucht wird."
Gerade im Radsport gab es in der Vergangenheit den Verdacht, dass die Regelung der medizinischen Ausnahmegenehmigungen zu Dopingzwecken missbraucht wurde. Der Radsport-Weltverband hat darauf reagiert: das Verfahren geändert und verschärft, die Anforderungen erhöht. Seitdem würden viel weniger Ausnahmegenehmigungen beantragt und vergeben, heißt es.
Missbrauch von Ausnahmegenehmigungen zu Dopingzwecken?
2009 seien es im gesamten Radsport 239 gewesen, im vergangenen Jahr nur noch 15. Im Vergleich zur FIFA nennt der Radsport-Weltverband also auch Zahlen. Und der deutsche Radstar Marcel Kittel sagte im Frühjahr generell zu dem Thema:
"Wenn jetzt jemand schweres Asthma hat, dann hat er im Leistungssport nichts zu suchen. Da kann man drüber lachen. Aber wir haben die Paralympics deswegen eingeführt, weil wir den Einbeinigen auch die Chance geben wollen, sich gegen andere zu messen."
Auch der andere deutsche Top-Fahrer Tony Martin hat sich in diesem Jahr schon zur Diskussion um die medizinischen Ausnahmegenehmigungen - kurz auch TUE genannt - geäußert.
"Vielleicht wäre es wirklich das Beste, wenn man die TUEs öffentlich machen würde."
Er habe bisher keine medizinische Ausnahmegenehmigungen gebraucht, und werde in Zukunft auch sicherlich keine brauchen.