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Dopingexperte ist von Landis' Schuld überzeugt

Der Sportjournalist Hans-Joachim Seppelt geht davon aus, dass Floyd Landis, der diesjährige Sieger der Tour de France, mit der B-Probe als Dopingsünder überführt wird. Ohne unerlaubte Mittel sei eine Topplatzierung im Spitzenradsport offensichtlich nicht mehr zu schaffen, sagte Seppelt.

Moderation: Jochen Spengler | 28.07.2006
    Jochen Spengler: Er wäre der erste des Dopings überführte Sieger der Tour de France. Vor fünf Tagen strahlte er noch auf dem Siegerpodest in Paris: der Amerikaner Floyd Landis. Seit gestern steht er unter dringendem Dopingverdacht. Es liegt ein positiver Dopingtest vor, bei dem man ungewöhnlich hohe Testosteron-Werte gefunden hat.

    Hans-Joachim Seppelt ist Journalist und Spezialist für Doping im Sport. Herr Seppelt, wie kommen zu hohe Testosteron-Werte zu Stande?

    Hans-Joachim Seppelt: Normalerweise können sie nur durch Doping zu Stande kommen. Es ist zwar auch denkbar, dass bei höherer körperlicher Belastung die Grenzwerte oder die Werte überhaupt leicht differieren zum Normalen, aber deswegen haben ja schon die Dopinganalytiker und haben die Sportverbände einen Riegel vorgeschoben, indem sie die Grenzwerte sehr großzügig ausgelegt haben, und zwar das Verhältnis betreffend von Testosteron im Körper, dem männlichen Sexualhormon, zu seinem Verwandten, dem Epi-Testosteron. Bei Männern heißt das, das Verhältnis 4 zu 1 darf nicht überschritten werden. Das muss bei Floyd Landis aber der Fall gewesen sein, und deswegen geht man davon aus, dass hier Manipulation vorliegt. Dann gibt es aber noch einen zweiten Test, und zwar das so genannte Kohlenstoff-Isotopen-Verfahren. Mit dem misst man, ob dann, wenn dieser Grenzwert überschritten ist, es eine exogene Zufuhr gegeben hat, also eine Zufuhr von außen. Das kann man also auch kontrollieren und das muss wohl bei Floyd Landis der Fall gewesen sein. Insofern kam es zu dieser positiven A-Probe.

    Spengler: Sie glauben, dass bei der B-Probe sich nicht viel ändern wird?

    Seppelt: Das kann ich mir nicht vorstellen, denn A- und B-Probe stammen ja aus demselben Urin, und da werden eigentlich die Flüssigkeiten immer nur im Verhältnis zwei Drittel zu ein Drittel voneinander getrennt. Die B-Probe ist juristisch wichtig für die so genannte Gegenprobe, aber in 99,9 Prozent der Fälle ist es so, dass die B-Probe mit der A-Probe identisch ist. Manche Athleten verzichten ja sogar dann auf die Öffnung der B-Probe. Es hat durchaus auch schon mal Überraschungen gegeben, dass die B-Probe dann plötzlich anders war, aber meistens gab es dann andere Gründe, die dafür in Frage kamen, zum Beispiel die unsachgemäße Lagerung von Proben. Das ist aber wie gesagt die Ausnahme, wenngleich ich bei Dopingfällen nichts ausschließen möchte.

    Spengler: Dieser spektakuläre Leistungszuwachs, den wir bei Floyd Landis in der 17. Etappe gesehen haben nach diesem Einbruch vom Vortag, ist der auf Testosteron zurückzuführen? Kann man das damit erklären?

    Seppelt: Eigentlich hat Testosteron eine ganz andere Funktion. Diese Droge, dieses männliche Sexualhormon ist ja schon im Doping in den 70er Jahren eingesetzt worden, insbesondere im DDR-Sport, wo Sportärzte den DDR-Sportlerinnen, den Leichtathleten und den Schwimmern, dieses Sexualhormon injiziert haben intramuskulär. Das hat dann zur Folge gehabt, dass damit ein Muskelzuwachs verbunden mit einem hohen intensiven Training zu Stande kam. Das ist eigentlich das übliche Einsatzgebiet von Testosteron. Zweitens wird es benutzt, um zum Beispiel die Regenerationsfähigkeit eines Körpers, der durch Verletzungen gehandicapt ist, wieder zu verbessern, also die Regeneration schneller herzustellen. Ein drittes Erklärungsmuster ist, dass man die Aggressionsbereitschaft des Athleten steigern möchte. Da gibt es zwar keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

    Gleichwohl ist das etwas, was in der Sportlerszene schon seit Jahren die Runde macht, dieses genau so zu tun. Dieses ist wiederum ein mögliches Erklärungsmuster dafür, dass Floyd Landis nach der verkorksten 16. Etappe vielleicht am Morgen oder in der Nacht sich hat spritzen lassen, um dann mit entsprechender Aggressionsbereitschaft in diesen Wettkampf zu gehen und diese 17. Etappe nach Morzine so fabelhaft zu gestalten.

    Spengler: Herr Seppelt, letzte Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort. Glauben Sie persönlich als Experte, dass es irgendeinen Profi-Radsportler gibt, der nicht irgendetwas schluckt?

    Seppelt: Schlucken tun sie alle, wobei das Problem ist, ob es unerlaubte oder erlaubte Substanzen sind.

    Spengler: Ich meinte unerlaubte.

    Seppelt: Unerlaubte Substanzen sind halt Dopingpräparate und erlaubte sind beispielsweise solche, die zur Regeneration dienen wie zum Beispiel Vitamine, die auch Athleten zu sich führen. So etwas gibt es ja wohl auch. Da muss man also fein unterscheiden. Allerdings gibt es ja nicht wenige die behaupten - und ich glaube das auch -, dass eine solche Schinderei wie die Tour de France über 3500 Kilometer an der Spitze zumindest offensichtlich nicht zu schaffen ist, wenn man nicht auch zu unerlaubten Mitteln greift.

    Spengler: Danke für das Gespräch. Das war der Kollege Hans-Joachim Seppelt.