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Dopingkontrollen bei der WM
Die Gefahr aufzufliegen ist gering

Dass Doping im Fußball eine Rolle spielt, wird in der Branche immer wieder bestritten. Doch Statistiken der Welt-Anti-Doping-Agentur belegen, dass auch Fußballer auf unerlaubte Mittel zurückgreifen. Zudem ist das Moskauer Dopingkontrolllabor wegen des Staatsdoping-Skandals suspendiert und nicht akkreditiert. Und gibt Zweifel am Aufklärungswillen der FIFA.

Eine Recherche von Jost Samson und Hajo Seppelt |
    Dopingkontrolleure beim Achtelfinale zwischen Brasilien und Mexiko bei der Fußball-WM in Russland (Samara).
    Dopingkontrolleure beim Achtelfinale zwischen Brasilien und Mexiko bei der Fußball-WM in Russland (Samara). (imago sportfotodienst)
    2.700 Tests während der Gruppenphase, alle Spieler seien mindestens einmal kontrolliert worden. Und es habe keinen einzigen positiven Befund gegeben, das ist die Zwischenbilanz des Fußball-Weltverbands FIFA.
    Die Blut- und Urinproben aus den zwölf unterschiedlichen Spielorten Tausende Kilometer weit voneinander entfernt, müssen zum Analyselabor nach Lausanne in die Schweiz geflogen und dort rasch kontrolliert werden. Eine logistische Mammutaufgabe.
    Kronzeuge bezweifelt, dass FIFA-Maßnahmen ausreichen
    Dass es tatsächlich so sauber zugeht, wie die FIFA behauptet, bezweifelt der frühere Doping-Dealer in der Leichtathletik und ehemalige Kronzeuge der US Justiz, Angel Heredia. Er hat noch immer Einblicke in das System und meint:
    "Es gibt eine Menge Wege, wie Fußballer es machen. Es gibt viele Drogen, wie EPO. Es gibt sehr beliebte Cocktails bei einigen Spielern. Und da es nicht wirklich genügend Tests gibt, kommen die Athleten davon. Sie haben Leute im Hintergrund, die ihnen beim Betrügen helfen. Die Frage ist also, testet die FIFA genug?"
    Heredia bezweifelt das und glaubt, dass die FIFA das Ausmaß des Dopings im Fußball genau kennt.
    "Wenn sie wirklich strengere Kontrollen durchsetzen würden, gäbe es viele positive Tests bei der WM und eine Menge Unannehmlichkeiten. Das will keiner. Verstehen Sie?"
    Weniger Tests als in anderen Sportarten
    Dass im Fußball nicht umfassend getestet wird, belegt ein Dokument der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zu spezifischen Analysen in verschiedenen Sportarten aus 2017: Demnach werden nur zehn Prozent der Dopingproben im Fußball auf EPO, Wachstums-Hormon und Peptide getestet – deutlich weniger als in anderen Sportarten.
    Andrea Gotzmann, Vorstandsvorsitzende der Nationalen Anti-Doping-Agentur in Deutschland vergleicht:
    "So hätten wir bei EPO einen Anteil von mindestens 60 Prozent im Radsport, aber auch im Biathlon und in den Ausdauerdisziplinen der Leichtathletik."
    FIFA: "Halten Mindeststandards ein"
    Die FIFA erklärt auf Nachfrage, sich beim Thema Dopingkontrollen an die Mindeststandards der WADA zu halten. Einzig bei EPO gebe es bei dieser Fußball-WM deutlich mehr Tests als bei nur zehn Prozent der Proben. Wie viel genau, verrät sie aber nicht.
    Die Gefahr für Fußballer, als Betrüger aufzufliegen, ist also äußerst gering. Dazu kommt: Interviewanfragen zum Thema Doping werden bei dieser WM abgelehnt, Fragen nur unkonkret beantwortet. Die FIFA führt die Kontrollen selbst durch, lässt keine externe Überprüfung zu. Entgegen früherer Weltmeisterschaften gibt es in Russland auch keine Beobachtung durch die WADA. Wie glaubwürdig ist es, wenn der Weltverband sein eigenes Produkt kontrolliert?
    Fußball leugnet laut Ex-WADA-Chef Doping
    Der frühere WADA-Präsident Richard Pound kritisiert das scharf:
    "Das sagt mir, dass der Fußball seine Einstellung zu Doping nicht geändert hat und es im Prinzip leugnet. Und es gibt keinerlei Willen, die Schritte zu unternehmen, die nötig sind, um den Fußball so sauber wie möglich zu machen."
    Außerdem musste die FIFA sich vor der WM mit einem unerwarteten Problem bezüglich der Sicherheit von Dopingtests beschäftigen: Es ging um die Dopingkontrollbehälter. ARD-Recherchen im Januar hatten gezeigt, dass die Behälter manipuliert und gar kopiert werden können. Der Schweizer Hersteller Berlinger hatte nach massiver Kritik den Fertigungsstopp verkündet, produziert nun aber doch weiter. Unternehmenssprecher Hans Klaus versichert:
    FIFA schottet sich ab
    "Es gibt seit diesem Winter auch noch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen. Leider kann man darüber nicht sprechen, sonst wären sie keine Sicherheitsfeatures mehr. Aber gerade im Bereich der Fälschungssicherheit der Flaschen wurde diese die jetzt im Einsatz steht noch einmal entscheidend verbessert."
    Die FIFA selbst gibt sich wortkarg. Der Trend im internationalen Sport geht zwar vor dem Hintergrund etlicher Doping- und Korruptionsskandale hin zu mehr Transparenz und mehr Kontrolle von außen. Der mächtigste Sportfachverband der Welt hingegen schottet sich beim Thema Doping ab.