Ein Wohnmobil als Doping-Kontrollstation auf vier Rädern. So vermeidet die norwegische Anti-Doping-Agentur ADNO den Ausfall aller Dopingkontrollen während der Coronavirus-Krise. Das Wohnmobil ist in zwei Zonen unterteilt, die Sportler und Kontrolleure durch jeweils eine separate Tür betreten. Auf diese Weise können Sie ausreichend Abstand zueinander einhalten.
Ausnahme Norwegen
Ergänzt wird das noch durch verschärfte Hygienevorschriften wie häufigeres Händewaschen und Gesichtsmasken. Auf diese Weise hat die norwegische Anti-Doping Agentur am Osterwochenende Blut- und Urinkontrollen bei 30 Sportlern durchgeführt. Norwegen ist damit eines der wenigen Länder, in denen trotz Corona noch Dopingkontrollen stattfinden.
Die NADA Austria hat in den vergangenen Wochen ihr Kontroll-Programm auf Risiko-Sportarten oder Tests bei entsprechender Verdachtslage reduziert. Pressesprecher David Müller:
"Mit der stufenweisen Zurücknahme der Betretungsverbotes und Verkehrsbeschränkungen durch die Bundesregierung wird nun auch das Doping-Kontrollprogramm schrittweise hochgefahren. Vorträge und Schulungen werden weiterhin per Videokonferenz und e-learn angeboten. Derzeit gibt es keine alternativen Kontrollmethoden, diese sind auch nicht geplant."
Auf alternative Methoden wie Kontrollen mit Kameraüberwachung verzichtet auch Antidoping Schweiz. Nach Aussage von Geschäftsführer Ernst König sei die Zahl der Kontrollen sehr stark gesunken. Sie werde erst wieder erhöht, wenn die Pandemie-Beschränkungen aufgehoben werden.
In Dänemark gibt es ebenfalls weniger Tests. Und um das Infektionsrisiko zu vermindern, ist der Kontrolleur bei der Urinabgabe jetzt nicht mehr im gleichen Raum wie der Sportler. Das war bisher die Regel, um Manipulationen auszuschließen.
Eine Urinkontrolle ohne Aufsicht gibt es auch in den USA. Dort verschickt die US-Anti-Doping-Agentur USADA Kontroll-Zubehör für Blut- und Urinproben an die Sportler. Vor der Urinabgabe checkt der Kontrolleur per Online-Meeting über die Kamera des Sportlers den Raum, um mögliche Manipulationen auszuschließen. Die Abgabe des Urins wird dann jedoch nicht mit einer Kamera überwacht. Trotzdem fürchtet USADA-Chef Travis Tygart keine Manipulation. Auf Deutschlandfunk-Anfrage erklärte er:
"Wir haben einige Sicherungen eingebaut, damit kein falscher Urin eingeschickt wird. Beispielsweise die Temperatur, die Dauer der Kontrolle. Und wir können die Ergebnisse mit denen alter Proben und dem Steroidprofil vergleichen. Wir haben viele Vergleichsmöglichkeiten, da es sich um Top-Athleten aus dem olympischen und dem paralympischen Kader handelt. Da haben wir genug fundierte Daten, um Manipulationen auszuschließen."
Die deutsche NADA verzichtet dagegen bei den mit einer Kamera überwachten Kontrollen aus Angst vor Manipulationen auf Urinkontrollen. Sie konzentriert sich stattdessen auf die Blutstropfenanalyse, kurz DBS. In einem Tropfen Blut lassen sich zahlreiche Substanzen nachweisen, unter anderem auch das Blutdopingmittel Epo oder Wachstumshormon. Die Welt-Anti-Doping- Agentur WADA hat dieses Testverfahren allerdings noch nicht offiziell anerkannt. NADA-Chefin Andrea Gotzmann auf Deutschlandfunk-Anfrage:
"Wir hoffen aber, dass sich dies durch die Bemühungen mehrerer Anti-Doping-Organisationen ändern wird. Zumal auch das IOC die DBS-Methode für die nächsten Olympischen Spiele vorgesehen hat."
Erst mit dem Interesse des IOC an der Blutstropfenanalyse hat die WADA überhaupt begonnen, diese Methode zu fördern. Derzeit müssen positive Proben bei DBS noch über eine klassische Blut- oder Urinkontrolle rechtlich abgesichert werden. In Zeiten von Corona ist das DBS-Verfahren laut Andrea Gotzmann sehr effektiv:
"Daher sehen wir diese Methode als wichtige Alternative zu klassischen Blut- und Urinkontrollen. Sie ist einfach umsetzbar und bietet natürlich einen gewissen Kostenvorteil."
"Kleiner Piks"
Entnahme und Transport kosten nur zehn bis 20 Prozent einer konventionellen Blutprobe, die Analyse ist ähnlich teuer. In der Praxis sieht das dann so aus: Die NADA sendet den Sportlern das Zubehör für die Kontrolle zu. Und die führen diese selbst durch. So macht es auch die USADA. Der dreifache Schwimm-Olympiasieger Ryan Murphy aus den USA erläutert auf Twitter wie es funktioniert:
"Man sticht sich mit dem Gerät in die Schulter, das ist wie ein kleiner Piks in den Finger. Man merkt so gut wie nichts. Das Gerät füllt sich mit Blut. Das war schon die Blutprobe."
Kontrolleure überwachen das Ganze mit einer Kamera aus ihrem Home Office. Und es sind nicht wie üblich Angestellte von Dienstleistern. Aus Kostengründen gibt es in Deutschland eine Neuerung, so NADA-Geschäftsführerin Andrea Gotzmann:
"Es handelt sich dabei um geschulte NADA-Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die auch eine Ausbildung zum Dopingkontrolleur haben."
Sonderweg für wenige in den USA
In Deutschland werden alle Athleten virtuell kontrolliert. Die USA machen daraus ein Pilotprojekt mit 17 Sportlern aus dem olympischen oder paralympischen Kadern. Neben Murphy haben sich auch Leichtathletik-Stars wie Olympiasiegerin Allyson Felix und 200-Meter-Weltmeister Noah Lyles freiwillig gemeldet. USADA-Boss Tygart sagt:
"Wir wollen einigen Athleten die Chance geben, zu beweisen, dass sie sauber sind. Das ist ein Freiwilligen-Programm von Top-Olympiaathleten und paralympischen Sportlern, die einen Sonderweg gehen. Das Feedback ist wunderbar."
Nachbar Kanada dagegen hat den Anti-Dopingkampf schon früh eingestellt. In einer Pressemitteilung Ende März heißt es: "Das kanadische Zentrum für Ethik im Sport traf diese Entscheidung als Reaktion auf aktualisierte Richtlinien der Regierung, mit denen das Risiko der Ansteckung und Verbreitung von COVID-19 minimiert werden soll, sowie auf die Verschiebung der Olympischen und Paralympischen Spiele Tokio 2020."
Die australische Sport-Anti-Doping-Behörde kontrolliert in erster Linie nur noch bei Verdachtsfällen. Das klassische Testprogramm ist aufgrund der Pandemie massiv eingeschränkt.
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Viele Beobachter des Anti-Dopingkampfes fürchten, die massiv reduzierten Kontrollen würden jetzt viele Betrüger nutzen, um sich ohne großes Risiko zu dopen. Auf diese Weise könnten sie ihre Leistungsfähigkeit so erhöhen, dass das noch bis zu den Sommerspielen im kommenden Jahr nachwirkt. Diese Situation hat USADA-Boss Travis Tygart frustiert und war der Anstoß für das Pilotprojekt mit den 17 ausgewählten Sportlern.
"Wir wissen, dass weltweit gar nicht oder nur wenig getestet wird. Wem können wir dann noch trauen, ob er das nicht ausnutzt. Wir kennen Sportler, die sauber sind und eine solche Situation nicht ausnutzen."
Die Athleten hätten begeistert reagiert, so Tygart. Ähnlich sei die Lage in Deutschland, meint NADA-Chefin Gotzmann
"Die Athleten und Athletinnen wollen zeigen, dass sie sich fair verhalten. Sie begrüßen ihre Teilnahme an dem DSB-Projekt. Sie finden, genauso wie wir von der NADA einen Generalverdacht als äußerst ungerecht."
Aus zeitlichen Gründe haben wir in unserer Radiosendung eine gekürzte Version dieses Beitrags gesendet. Hier hören Sie die ausführliche Fassung.