Die Bilder gingen um die Welt: Österreichische Ski-Langläufer mit der Nadel im Arm, von den Behörden ertappt beim Blutdoping. Der Razzia bei der Ski-WM in Seefeld folgten umfangreiche Ermittlungen.
Mehrere beteiligte Sportler sind in Österreich bereits zu Bewährungsstrafen verurteilt worden - darunter auch Johannes Dürr, der die Ermittlungen mit seinen Aussagen in einer Doku der ARD-Dopingredaktion ausgelöst hatte.
Der Prozess gegen den verantwortlichen Sportarzt und seine Helfer lief seit September vor dem Landgericht München II.
Welche Urteile hat das Gericht getroffen?
Der Sportmediziner Mark Schmidt, der im Zentrum des Doping-Netzwerkes stand, ist zu einer Haftstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt worden. Dazu bekommt er ein dreijähriges Berufsverbot und eine Geldstrafe von 158.000 Euro.
Dieses Strafmaß liegt nicht weit von den den fünf Jahren und sechs Monaten entfernt, die die Staatsanwaltschaft gefordert hatte.
Und auch vier Mitangeklagte, die Mark Schmidt geholfen haben, sind verurteilt worden: Ein Handwerker erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Eine Krankenschwester wurde auf Bewährung verurteilt, zwei Notfallsanitäter müssen Geldstrafen zahlen. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.
Wie begründet das Gericht das Urteil?
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass Schmidt gegen das Anti-Doping-Gesetz verstoßen hat, indem er in 24 Fällen Dopingmethoden - vor allem Blutdoping über Transfusionen - angewendet und zwei Mal unerlaubt Arzneimittel in den Verkehr gebracht hat.
Außerdem ist Schmidt wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden. Der Sportmediziner hatte einer österreichischen Mountainbikerin eine Substanz verabreicht, die nicht für den Gebrauch an Menschen zugelassen war - eine Art Blut in Pulverform, das angerührt werden musste. Dies hatte bei der Sportlerin starke Nebenwirkungen hervorgerufen.
Im Vorfeld wurde das Urteil als wegweisend bezeichnet. Warum?
Dieser Prozess ist das erste große Strafverfahren, das auf Basis des deutschen Anti-Doping-Gesetzes durchgeführt wurde. Vor Inkrafttreten im Jahr 2015 wäre ein solches Urteil wegen der fehlenden Rechtsgrundlage so nicht möglich gewesen.
Der Prozess hat gezeigt, wie gut dieses Instrument überhaupt greift und wo es noch Verbesserungspotenzial gibt. Zum Beispiel ist klar geworden, wie wichtig es ist, sogenannte Whistleblower zu ermutigen, auszusagen.
Deshalb soll das Anti-Doping Gesetz bald nachjustiert werden, mit einer Kronzeugenregelung: Wer umfänglich als Insider auspackt könnte dann straffrei davonkommen.
Wie fallen die Reaktionen auf das Urteil aus?
Die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) spricht von einem Meilenstein mit Signalwirkung. Durch das Gesetz ist auch eine Zusammenarbeit der NADA mit den staatlichen Ermittlungsstellen geregelt.
Der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes, Alfons Hörmann, ließ sich mit den Worten zitieren: "Endlich erleben wir ein Urteil, das für die Betrüger im Sport drakonische Strafen beinhaltet".
Auch in der Politik wird das Urteil positiv aufgenommen. "Das Urteil ist auch ein Beweis dafür, dass das Gesetz, das die Operation Aderlass erst ermöglicht hat, Wirkung zeigt", teilte die Vorsitzende im Sportausschuss des Deutschen Bundestages, Dagmar Freitag, dem SID mit.
Die "kriminellen Netzwerke" hätten nun "unmissverständlich vor Augen geführt bekommen, dass schwere Dopingvergehen mit einer nicht unerheblichen Haftzeit bestraft werden können. Und das ist sicher deutlich abschreckender als eine überschaubare Dopingsperre für Wettbewerbe", so Freitag.
Was hat der Aderlass-Prozess über die Kultur des Dopens im Spitzensport gezeigt?
Der Prozess hat Muster aus der Vergangenheit bestätigt. Es hat sich wieder gezeigt, dass es zum Teil im medizinischen Betreuer-Kreis von Spitzenathleten die Auffassung gibt: Doping im Spitzensport ist völlig normal.
Im Prozess diente das sogar als Verteidigungsstrategie: Es gab zwar ein umfassendes Geständnis, aber die Verteidigung wollte den Hauptangeklagten Mark Schmidt als gewissenhaften Arzt darstellen, der das Ganze "aus Liebe zum Sport" gemacht habe.
Auch die Aussagen von Ex-Radprofi Danilo Hondo, der Kunde bei Schmidt gewesen ist, zeigen, wie wenig Unrechtsbewusstsein vorherrschte. "Man hat natürlich ein ungutes Gefühl, weil man nicht erwischt werden möchte und man hofft, dass es endlich vorbei ist. Aber man ist in dieser Situation zusammen. Und man empfindet das jetzt nicht so als dramatisch", schilderte der frühere Top-Sprinter seine Wahrnehmung.
Und auch der Fall von Johannes Dürr hat gezeigt, dass dopende Sportler zwei Gesichter haben. Bei ihm hatte sich erst nach einiger Zeit herausgestellt, dass er noch während der ersten Doping-Geständnisse weiter gedopt hatte.
Durch diese Aussagen ist ein Bild entstanden, dass es den Sportlern schwer fällt, sich einzugestehen, wie umfassend sie betrügen und dass es nicht einfach eine Praxis ist, die akzeptiert werden kann. Zumal die gesundheitlichen Schäden oft ausgeblendet werden.