Wir erhalten eine Liste aus Weltverbandskreisen. Auf ihr sind die Namen der Spieler des aktuellen russischen WM-Kaders. Hinter einigen der Nationalspieler: Nummern von verdächtigen Befunden, etwa nach Ligaspielen. Dopingproben, die offenbar vertuscht wurden. Der damals Verantwortliche ist der 2016 in die USA geflüchtete Laborleiter Grigori Rodschenkow. Er meldet die Proben als sauber: In einem exklusiven TV-Interview mit der ARD-Dopingredaktion erklärt er, warum:
Grigori Rodschenkow: "Ich habe die Anweisung von Mutko erhalten, dass wir keine positiven Fälle im Fußball gebrauchen können. Meistens waren das Kortikosteroide, wegen der vielen Verletzungen im Fußball. Also war alles garantiert abgesichert, keine Athleten wurden disqualifiziert. Er sagte mir: Ich liebe Fußball! Und er war mein Chef und ich habe seinen Befehl befolgt."
Hajo Seppelt: "In welchem Zeitraum ist das genau passiert?"
Grigori Rodschenkow: "Seit 2008 bis zu meiner Abreise, bis zu meinem Rücktritt."
Der ehemalige Sportminister Witali Mutko: Ist er verantwortlich für mehr als sieben Jahre Dopingvertuschung im russischen Fußball? Auf unsere Anfragen reagiert er nicht, sein Amt als Präsident des russischen Fußballverbands lässt er eigentlich ruhen. Aber wir treffen ihn vor zwei Tagen beim Trainingsauftakt der russischen Nationalmannschaft.
"Im Fußball gibt es sowas nicht"
"Sportarten wie Biathlon, Leichtathletik, Radsport sind vom Doping betroffen, im Fußball gibt es sowas nicht", sagt Mutko. Aus dem olympischen Sport ist Mutko wegen seiner Verstrickungen lebenslang verbannt worden. In Russland wird er zum Vize-Premier ernannt. Von der FIFA brauchte er bislang keine Konsequenzen zu fürchten. Dabei liegen die Beweismittel zu den Nationalmannschaftsspielern seit mehr als einem Jahr beim Fußballweltverband. Und der teilt auf Anfrage mit: Man untersuche noch. Auf welche Dopingmittel genau, erfahren wir nicht.
Wir sprechen mit Insidern. Fragen uns, warum die FIFA unter Präsident Gianni Infantino so wenig aufklären konnte. Offen sprechen will keiner. Aber in einem anonymen Statement heißt es: "Es ist offenkundig, dass es sich Gianni Infantino mit den Russen nicht verscherzen will. Der Eindruck ist überdeutlich: Wer gegenüber Infantino Kritisches gegen Russland sagt, riskiert seine Karriere."
Neben den verdächtigen Proben der Nationalspieler befindet sich, nach Informationen der ARD Dopingredaktion, in einer Kopie der Datenbank des Moskauer Anti-Doping-Labors zudem eine hohe zweistellige Zahl an weiteren russischen Fußballern.
"Sehr, sehr verdächtig"
Der WADA-Chefermittler Günter Younger spricht dabei von neuen, ernstzunehmenden Hinweisen: "Was ich sagen kann, ist, dass wir natürlich Befunde haben, die sehr, sehr verdächtig sind und die auch entsprechend ermittelt werden müssen und wir ein sehr wachsames Auge darauf legen, dass die auch entsprechend ausermittelt werden."
Der russische Sport bestreitet bis heute, dass es ein Vertuschungssystem gegeben habe. Doch sie könnten die Indizien ausräumen und den Dopingkontrolleuren der WADA den Zugang zum Moskauer Labor gewähren um die Daten abzugleichen.
Günter Younger: "Russland nach wie vor verweigert uns den Zugriff.
Hajo Seppelt: "Kann es also am Ende sein, dass Doper deshalb bei der Fußball-WM auflaufen werden, weil man es einfach nicht schaffen konnte, diese Fälle aufzuklären?"
Günter Younger: "Diese Frage müssen Sie der FIFA stellen, was entsprechend gemacht worden ist, um tatsächlich auch die verdächtigen Athleten entsprechend zu testen."
Und somit bleibt zu hoffen, dass die FIFA noch vor dem Eröffnungsspiel Russlands gegen Saudi-Arabien am 14. Juni 2018 aufklärt, ob 2014 Spieler des russischen WM-Kaders gedopt waren oder nicht.