Einer der sportlich erfolgreichsten Multikulti-Klubs im deutschen Fußball ist der BAK, der Berliner Athletik-Klub. Die 500 Mitglieder stammen aus zwanzig Nationen. Es gibt 25 Nachwuchsteams, die erste Männermannschaft spielt in der vierten Liga. Die Mehrheit der Mitglieder hat türkische Wurzeln. So wie Nachwuchsleiter Burak Isikdaglioglu, doch mit dem Begrifff "Migrantenverein" kann er nichts anfangen:
"Nach unseren Satzungen sind wir alle Berliner Vereine. Natürlich können Berliner Vereine verschiedene Wurzeln haben, verschiedene Ausrichtungen haben. Steht ja auch ganz klar: politisch neutral. Integration kann nur stattfinden, wenn Max und Murat in einer Mannschaft spielen. Ich bin natürlich kein Freund von Aussagen wie: 'Man soll sich hier assimilieren'. Nein, wir werden unsere Herkunft, unsere Kultur, unsere Tradition, die Werte, die werden wir natürlich nicht ablegen. Man ist Deutscher, klar, aber man ist auch einfach ein Türke. Also sozusagen ein Doppelherz."
*Der Berliner AK hat Sozialprojekte aufgelegt, ist mit der Lokalpolitik gut vernetzt. Der Verein wird hauptsächlich von einem türkischstämmigen Bauunternehmer finanziert. Zwischenzeitlich stieg der türkische Erstligist Ankaraspor ein, selbst der ehemalige Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu sicherte Unterstützung zu.
Diese Nähe warf bei deutschen Sponsoren Fragen auf. Burak Isikdaglioglu will den Klub weiter öffnen: "Wir möchten noch mehr deutsche Spieler haben ohne Migrationshintergrund. Das fängt aber natürlich auch damit an, dass man auch deutsche Trainer holt. Die bringen natürlich erst mal auch bei den Eltern eine ganz andere Resonanz."
Wer beschimpft wird, zieht sich zurück ins eigene Milieu
Der BAK möchte ein vielfältiges Publikum ansprechen. Doch nur wenige hundert Zuschauer kommen regelmäßig ins Stadion. Viele türkischstämmige Berliner wünschen sich eine türkische Mannschaft. Doch schon jetzt wird der BAK in den Ostberliner Bezirken beschimpft und abfällig als "Türkenverein" bezeichnet. Er hat es schwer, Sponsoren zu finden. Und so geht es vielen der 50 migrantisch geprägten Fußballklubs in Berlin.
Die Konsequenzen: Sie ziehen sich zurück ins eigene Milieu oder sie ändern ihren Namen. Aus Galatasaray Berlin wurde der Rixdorfer SV, aus Samsunspor der FC Kreuzberg. Tina Nobis vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung wünscht sich mehr Gelassenheit:
"Wenn wir die einzige Linie für Gleichheit entlang des Migrationshintergrundes ziehen, dann verkennen wir, glaube ich, dass das Kategorien sind, mit denen wir auch ein Stück weit immer mehr zur Grenzziehung beitragen. Wenn Migrantensportvereine segregativ sind, dann sind aber auch Seniorensportvereine segregativ und dann sind auch Frauensportvereine segregativ. Und ich glaube, in diesen lokalen kleinen Räumen, da passiert eher Vergemeinschaftung. Und dass Identifikation vielleicht weniger ist: 'Ich fühle mich Deutsch', sondern: 'Ich fühle mich als Berliner'. Oder: 'Ich fühle mich als Spandauer oder Kreuzberger'."
Vor allem in Ballungsgebieten haben Migrantenvereine einen schlechten Ruf. Regionale Studien machen es deutlich: Spieler mit Einwandererbiografie sind überdurchschnittlich oft an Spielabbrüchen beteiligt. Sie werden aber auch häufiger provoziert und diskriminiert. Vor Sportgerichten werden sie mitunter härter bestraft als Spieler ohne Migrationshintergrund.
"Sie üben so etwas wie eine Brückenfunktion aus"
So staut sich Wut an, sagt Silvester Stahl von der Fachhochschule für Sport und Management in Potsdam: "Das sind eben häufig auch Jugendliche aus den so genannten bildungsfernen Familien, aus der Arbeiterschicht, wo eben auch ein schichttypisches Verhalten einfach vorliegt, was eben auch unabhängig von einem ethnischen Hintergrund ein anderes ist als zum Beispiel bei Gymnasiasten."
Die ersten Migrantenvereine haben den so genannten Gastarbeitern schon in den 1960er-Jahren ein Stück Heimat vermittelt. Viele haben sich geöffnet, pflegen religiöse Feiertage und traditionelles Essen. Andere wurden aufgelöst oder schotteten sich ab. In seltenen Fällen waren sie auch Treffpunkte der "Grauen Wölfe", einer rechtsextremen türkischen Bewegung. Oder der kurdischen PKK.
"Man muss sie eben auch vergleichen mit anderen ethnischen Organisationen. Zum Beispiel mit Kulturvereinen, mit politischen Organisationen, mit Elternvereinen oder religiösen Gruppen wie den Moscheevereinen. Und in diesem Vergleich schneiden sie dann eben außerordentlich gut ab. Weil sie eben in aller Regel auf die Strukturen der Aufnahmegesellschaft, nämlich die Landesfußballverbände, bezogen sind. Weil sie so etwas wie eine Brückenfunktion ausüben. Weil sie am allgemeinen Spielbetrieb teilnehmen", sagt Stahl.
Von den sieben Millionen Mitgliedern des DFB haben fast zwanzig Prozent eine Einwanderergeschichte. Dieser Anteil wird wachsen. Der Rücktritt Mesut Özils aus dem deutschen Fußball-Nationalteam wird auch an der Basis noch lange diskutiert werden. Die Migrantenvereine könnten dabei eine wichtige Stimme sein.
*An dieser Stelle haben wir aus Sicherheitsgründen einen Satz gelöscht.