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Doppelte Staatsbürgerschaft
"Das wird kein Wahlkampf-Schlager der CDU werden"

Die CDU-Politikerin Serap Güler hat sich dagegen ausgesprochen, die doppelte Staatsbürgerschaft zum Wahlkampfthema zu machen. Der Doppelpass entscheide nicht über die Zukunft Deutschlands, sagte Güler im Deutschlandfunk. Die Partei wolle aber im Wahlkampf über zukunftsrelevante Themen sprechen.

Serap Güler im Gespräch mit Stefan Heinlein |
    Serap Güler, CDU-Landtagsabgeordnete aus NRW
    Serap Güler, CDU-Landtagsabgeordnete aus NRW (picture alliance / Kay Nietfeld / dpa)
    Die nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete betonte, eine Mehrheit in der CDU sei ebenfalls dagegen. Dennoch sei der Beschluss vom CDU-Parteitag keine Überraschung, schließlich habe sich die Union zuvor nie für eine Doppelpass-Regelung ausgesprochen. "Dieser Beschluss war CDU pur."
    Sie warb dennoch dafür, über ein neues Modell für die Staatsbürgerschaft nachzudenken. Es sei nicht richtig, dass die fünfte oder sechste Generation davon profitiere, obwohl sie keinen Bezug mehr zur Heimat der Vorfahren habe. "Keine Staatsbürgerschaft hat es verdient, zum Staubfänger zu werden", sagte Güler.
    Am dringendsten bräuchte die erste und zweite Generation eine Doppelpass-Regelung. Diese profitierten nicht vom aktuellen Gesetz. Eine Neuregelung sei aber ein Thema für Koalitionsverhandlungen, sagte Güler, die Mitglied im CDU-Bundesvorstand ist.

    Das Interview in voller Länge:
    Die CDU, keine Partei, sondern ein Kanzlerwahlverein. Dieses Image klebt seit Adenauer-Tagen hartnäckig an den Christdemokraten. Doch nun, in der Abenddämmerung der Ära Merkel, proben die Mitglieder den Aufstand gegen ihre Dauervorsitzende. Ausgerechnet in der sensiblen Frage der doppelten Staatsbürgerschaft verpasste eine knappe Mehrheit der Delegierten auf dem Parteitag in Essen in dieser Woche der Kanzlerin eine schallende Ohrfeige. Seither wird nicht nur in Berlin über die konservative Kehrtwende der CDU debattiert, manche Innenexperten der Partei und auch die CSU wollen jetzt sogar einen Anti-Doppelpass-Wahlkampf im kommenden Jahr, und darüber möchte ich jetzt sprechen mit Serap Güler aus dem CDU-Bundesvorstand. Guten Morgen, Frau Güler!
    Serap Güler: Guten Morgen, Herr Heinlein!
    Heinlein: Haben Sie sich in Essen über Ihre Partei geärgert?
    Güler: Ach, was heißt geärgert, wir sind eine Volkspartei, und dann kommt es schon mal vor, dass die eigene Position nicht die Mehrheit hat. Geärgert ein bisschen vielleicht, aber nicht sonderlich.
    Heinlein: Die Strippenzieher hinter diesem Überraschungscoup in Essen waren ja Ihre Altersgenossen in etwa, zumindest Ihrer Generation von der Jungen Union. Sind Sie überrascht, dass der Widerstand gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ausgerechnet aus dieser Ecke kommt?
    Güler: Nein, die Junge Union hat damit gezeigt, dass unsere Partei anders als angekündigt, wie vorhin, nicht die Abnicker der Mutterpartei sind, also die junge Generation, sondern in der Lage ist, durchaus selbst etwas zu bewegen und selbstständig eine Debatte anzustoßen, und das freut mich erst mal als Vertreterin der jungen Generation.
    "Wenn Sie wollen, war dieser Beschluss CDU pur"
    Heinlein: Wie interpretieren Sie denn diese Entscheidung des Parteitages, ist das ein Fingerzeig in Richtung, die CDU will wieder konservativer, wieder wertekonservativer werden?
    Güler: Wissen Sie, ich hab mich schon ein bisschen über die Berichterstattung gewundert, weil die CDU war letztendlich nie eine Partei, die sich für die Doppelpassregelung ausgesprochen hat. Uns wurde immer vorgeworfen, dass wir dagegen sind, deswegen war es auch keine Rückwende. Wenn Sie wollen, war dieser Beschluss CDU pur.
    Heinlein: Sind Sie auch gegen den Doppelpass?
    Güler: Nein, ich hab auch gegen diesen Antrag der Jungen Union gestimmt, nicht weil ich generelle Befürworterin der Doppelpassregelung bin. Ich finde, es macht keinen Sinn, in der fünften, sechsten, siebten Generation noch den Pass der Großeltern zu haben. Ich hab gegen den Antrag gestimmt, weil sie keine Ausnahmen zulässt – zumindest war das in dem Antrag nicht so deutlich, dass sie Ausnahmen zulassen will –, und deshalb war ich erst mal gegen den Antrag. Aber noch mal: Grundsätzlich die Optionspflicht abzuschaffen und über ein neues Staatsbürgerschaftsmodell nachzudenken, die Idee finde ich gut und sehe in diesem Beschluss auch die Chance darin, nach der nächsten Bundestagswahl im Rahmen der Koalitionsverhandlungen ein neues Modell ins Gespräch zu bringen.
    "Ich wäre viel lieber für einen Generationenschnitt"
    Heinlein: Das ist interessant, dass Sie das sagen, Frau Güler, mit wem wollen Sie denn in einer künftigen Koalition diesen mühsamen Kompromiss zur doppelten Staatsbürgerschaft dann wieder aufschnüren? Da bleiben Ihnen ja wenige Optionen.
    Güler: Wissen Sie, nochmal, wenn wir darüber reden, dass wir die Staatsbürgerschaft bis in die x-te Generation unendlich übertragen können, ich weiß nicht, ob die anderen Parteien das alle wirklich so sehen. Ich wäre viel lieber für einen Generationenschnitt, wo wir sagen, ja, bis zur dritten oder vierten Generation soll die Übertragung der Staatsbürgerschaft der Eltern oder Großeltern möglich sein, danach aber nicht mehr. Wenn wir diese Position vertreten, weiß ich gar nicht, ob es dafür keine Mehrheit gebe, weil die jetzige Regelung schließt ja diejenigen aus, die den Doppelpass am ehesten verdient hätten, und das ist vor allem die erste Generation, das ist die Generation der Gastarbeiter. Für die gilt die Doppelpassregelung auch heute nicht, auch vor dem Beschluss des CDU-Bundesparteitages nicht, und ich glaube, dass man da durchaus einen Koalitionspartner finden kann, der sagt, stimmt, die Generation sollte eigentlich eher davon profitieren als die sechste, die wahrscheinlich überhaupt keinen Bezug mehr zu der Heimat der Urgroßeltern hat, wenn, dann nur auf dem Papier. Und ich bin der Meinung, keine Staatsbürgerschaft hat es verdient, zum Staubfänger zu werden.
    Heinlein: Wer könnte denn dieser Koalitionspartner sein – ich möchte Sie da noch ein bisschen quälen –, Grüne, SPD, Linkspartei?
    Güler: Also die Linkspartei wird definitiv nicht unser Koalitionspartner sein, genauso wenig wie die AfD, aber ich denke, dass man mit den Grünen sicherlich hier vernünftig verhandeln könnte, vielleicht auch mit der SPD. Wir wissen, dass der Bundesvorsitzende der SPD nach der letzten Wahl gesagt hat, ich unterschreibe keinen Koalitionsvertrag ohne die doppelte Staatsbürgerschaft. Er hat ihn letztendlich unterschrieben, weil – nochmal – die doppelte Staatsbürgerschaft ist auch heute für die erste oder zweite Generation gar nicht möglich. Deshalb, die SPD mag jetzt …
    Doppelpass: "Kein Thema, was die Zukunft Deutschlands entscheiden wird"
    Heinlein: Darf ich kurz eine Frage stellen? Sie halten Schwarz-Grün immer noch für möglich, obwohl sich ja jetzt ein Wahlkampf andeutet – so sagen es zumindest einzelne Stimmen aus Ihrer Partei, die sagen, ja, wir wollen gegen den Doppelpass, gegen die doppelte Staatsbürgerschaft jetzt kräftig Wahlkampf machen, so wie Roland Koch 1990, 1989 mit einer Unterschriftenaktion. Halten Sie so einen Wahlkampf für sinnvoll?
    Güler: Unterschriften – also wenn einige Stimmen jetzt sagen, wir werden damit Wahlkampf machen, dann heißt das noch lange nicht, dass wir damit Wahlkampf machen werden. Ich hab's gerade gesagt, ich würde mir wünschen, dass das im Rahmen der Koalitionsgespräche auf den Tisch kommt. Wir haben ganz viele andere Themen auch auf dem Bundesparteitag gehabt, über die wir im Wahlkampf sprechen wollen, da ist – das hat Paul Ziemiak gestern auch gesagt –, da ist das Doppelpassthema keins, was die Zukunft Deutschlands entscheiden wird, und wir wollen im Wahlkampf über die Zukunft Deutschlands sprechen. Und wenn ich mir den Bundesparteitag der Grünen anschaue, wie sie sich beispielsweise für eine Vermögenssteuer ausgesprochen haben, dann ist das auch eine Position, die wir nicht mittragen werden. Deshalb, auf einem Parteitag einer Partei spricht man über die Dinge, die einer Partei wichtig sind, in einer Koalition spricht man dann über andere oder setzt man andere Prioritäten. Das ist so im Rahmen einer Koalitionsverhandlung, das war bei den letzten auch so und das wird bei den nächsten nicht anders sein. Deshalb mache ich mir um den zukünftigen Koalitionspartner, dass wir einen aus dem demokratischen Lager haben werden, mit dem auch eine Mehrheit finden werden, was die Positionen betrifft, keine Sorgen.
    Heinlein: Vor den Koalitionsverhandlungen kommen ja da zunächst die Wahlen selbst und der Wahlkampf, über den möchte ich noch ein bisschen sprechen. Werden Sie sich aktiv einsetzen im CDU-Bundesvorstand, in dem Sie ja sitzen, dass es eben keinen Doppelpass-Wahlkampf, à la Roland Koch geben wird, und Sie werden sich auch aktiv dann gegen die CSU oder gegen Ihren innenpolitischen Sprecher Stephan Mayer durchsetzen und sagen, nein, das will ich nicht, ein Doppelpass-Wahlkampf kommt für mich nicht infrage.
    Güler: Ja, Stephan Mayer ist ja auch erst mal CSU-Politiker, und wir werden das sicherlich im Bundesvorstand thematisieren. Und ja, ich werde mich dafür einsetzen, weil ich finde es nicht richtig, dass man mit diesem Thema Wahlkampf macht, dazu stehe ich auch und im Rahmen meiner Möglichkeiten, auch im Bundesvorstand, werde ich mich dafür einsetzen. Ich glaube aber, Sie haben jetzt einige Stimmen zitiert, in den letzten Tagen nicht nur Sie, auch andere Medien und Stimmen, die sagen, damit möchten wir in den Wahlkampf ziehen, und der ein oder andere wird das sicherlich auch am Stand thematisieren, das können Sie gar nicht beeinflussen, aber die Mutterpartei selbst, da glaube ich nicht dran, dass sie damit Wahlkampf machen wird, und das ist auch gut so. Und ich glaube auch nicht, dass die meisten in der Partei damit Wahlkampf machen wollen. Weil das Ergebnis zeigt ja auch, es gab eine Mehrheit, aber die war äußerst knapp, und deshalb bin ich davon überzeugt, dass das kein Wahlkampfschlager der CDU in der nächsten Bundestagswahl werden wird.
    Heinlein: Und diese Überzeugung teilen Sie vermutlich mit der Bundeskanzlerin.
    Güler: Diese Überzeugung teile ich mit der Bundeskanzlerin, aber, nochmal, mit mindestens 49 Prozent der anderen, die gegen diesen Antrag gestimmt haben.
    Heinlein: Im Deutschlandfunk heute Morgen Serap Güler aus dem CDU-Bundesvorstand. Frau Güler, ich danke ganz herzlich für das Gespräch, und ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
    Güler: Danke Ihnen, auch so!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.