Jasper Barenberg: Dass sich Kinder mit ausländischen Eltern in Deutschland bis zu ihrem 23. Geburtstag entscheiden müssen, für den deutschen Pass oder den ihrer Eltern, das ist der SPD schon lange ein Dorn im Auge. Im Koalitionsvertrag einigten sich die Sozialdemokraten mit der Union zwar, diese sogenannte Optionspflicht zu streichen, den doppelten Pass also zuzulassen. Lange aber stritten die Regierungspartner jetzt noch um das Kleingedruckte, um die Bedingungen. Der Kompromiss lautet nun: Wer acht Jahre in Deutschland gelebt hat, oder hier sechs Jahre zur Schule gegangen ist, der behält quasi automatisch beide Pässe. Als Nachweis reicht alternativ auch ein Zeugnis zu einem Schulabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Damit hat vor allem die Union Abstriche von ihren Forderungen machen müssen. Warum wird die Optionspflicht dann nicht ganz abgeschafft? Das hat mein Kollege Jochen Fischer die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz gefragt, die stellvertretende SPD-Vorsitzende ist.
Aydan Özoğuz: Es ist gelungen, für die allergrößte Mehrheit, mindestens 90 Prozent derjenigen, die optionspflichtig sind, sie wirklich abzuschaffen. Es wird einfach nichts mehr folgen, diese Leute können dann einfach ihre zwei Pässe, die sie ja von Geburt an ganz legal haben dürfen, auch behalten, und es wird das, was uns allen ja große Kopfschmerzen machte, nämlich eine Einzelüberprüfung in allen Fällen, wo man weiß, 90 Prozent gehen mindestens – ich gehe von 95 Prozent aus – sowieso durch: Das hätte doch vielen, glaube ich, einfach ganz unnötige Kosten gemacht und auch ein großes Misstrauen ausgewirkt gegenüber den jungen Menschen.
Jochen Fischer: Aber es machen doch viele andere Staaten auch so. Zur Staatsangehörigkeit der Eltern kommt die des Geburtslandes. Warum ist das hier bei uns nicht möglich?
Özoğuz: Na ja, es ist ja jetzt möglich. Aber wie wir sehen, ist das einfach ein Thema, was wahnsinnig schwierig war umzusetzen. Das ist aber kein Einzelfall in dem Bereich Zuwanderung, Einwanderung, weil wir in Deutschland damit dann im Vergleich zu anderen weniger Erfahrung haben, und auch diese Ansicht eines Fremden: Kann ein Türke eigentlich Deutscher sein? Das ist etwas, was noch langsam wächst und vorsichtig wächst, und um dieses Signal den jungen Leuten endlich zu geben, dass es nicht davon abhängt, wie andere sie anschauen, sondern dass sie selbstverständlich, wenn sie in diesem Land verwurzelt sind, ihre Eltern schon verwurzelt sind, auch Deutsche sind und gleichzeitig die Herkunft nicht verleugnen müssen, das ist ein ganz tolles Signal.
Fischer: Der Bundesinnenminister, Herr de Maizière, hatte gesagt, dadurch würde auch die besondere Stellung der deutschen Staatsbürgerschaft noch einmal hervorgehoben. Woraus besteht die und wer hat was davon?
Özoğuz: Ich glaube, es ist immer etwas ganz besonderes, eine Staatsbürgerschaft eines Landes entweder zu erwerben, oder sie von Geburt an zu bekommen, und es ist schon etwas doppelt besonderes, wenn die Eltern einst aus einem anderen Land gekommen sind und möglicherweise gar nicht eingebürgert sind, aber hier schon verwurzelt und sesshaft sind. Das ist ja die Voraussetzung dafür, um überhaupt optionspflichtig zu sein. Und wenn dann ein Land sagt, ihr seid hier, ihr seid hier geboren, ihr seid hier groß geworden, ihr gehört zu uns mit eurer anderen Identität, das ist wirklich ein ganz hervorragendes Signal. Ich freue mich sehr darüber.
Fischer: Was bedeutet das denn nun eigentlich für die Integrationschancen der Kinder, auch wenn es diese zeitlichen Fenster nun gibt? Es wäre ja theoretisch möglich, dass jemand mit 21 Jahren Deutscher wird, der erst seit acht Jahren in Deutschland lebt, und auch dann zwar hier geboren wurde, aber dazwischen, sagen wir mal, im Heimatland der Eltern gelebt hat. Das wäre ja möglich, oder?
Özoğuz: Na ja, die Optionspflicht bleibt ja bestehen im, ich sage jetzt mal, "schlimmsten Fal", die heutige gültige Gesetzeslage, die sagt, Du musst Dich entscheiden für eine der beiden Staatsangehörigkeiten. Das heißt, jeder, der auch eine Weile im Ausland lebt, kann sich natürlich am Ende des Tages für die deutsche entscheiden, denn dafür war ja die Voraussetzung, dass schon ein Elternteil hier lange gelebt haben muss und dass man hier auch geboren wurde, und ich glaube, die Fälle, wo die Eltern hier verwurzelt sind und die Kinder dann wirklich so viele Jahre im Ausland leben, die wird es geben, zum Beispiel, wenn der Vater oder die Mutter ein ganz tolles Jobangebot im Ausland bekommt. Aber ansonsten ist das nicht mehr wie in den 80er-Jahren beispielsweise, wo ja viele Gastarbeiter gar nicht wussten, wohin mit ihren Kindern, und damals doch häufiger auch Kinder in ihre Heimat geschickt haben. Das findet ja heute so gar nicht mehr statt.
Fischer: Gucken wir noch mal kurz auf die entscheidenden Passagen der neuen Regelung. Es heißt, wer sich mit dem 21. Lebensjahr mindestens acht Jahre lang in Deutschland aufgehalten hat, auch hier geboren wurde, der kann dann schon die deutsche Staatsangehörigkeit bekommen. Außerdem zählt ja auch dazu noch der Nachweis von Schule oder Abschluss einer Ausbildung in Deutschland. Das hört sich alles sehr bürokratisch an. Wer hält das denn nach?
Özoğuz: Ich muss mal eben eines korrigieren. Die deutsche Staatsangehörigkeit bekommt man ja als optionspflichtiges Kind von Geburt an. Man kann es dann behalten, die deutsche Staatsangehörigkeit, und man darf auch die Herkunfts-Staatsangehörigkeit, wenn man es denn überhaupt will – auch nicht alle tun das ja -, man kann beide behalten und nicht wie heute eine dann abgeben müssen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Nun ist natürlich Bürokratie auch ein Stück Verwaltung, das ist ja nun mal so. Ich denke mir, es soll aber der CDU auch entgegengekommen werden, denn das war ja deren Bedingung, dass diese Worte „und aufgewachsen“, dass die in irgendeiner Form auch nachgewiesen werden können, und wir haben jetzt die Möglichkeit, wenn eine Behörde meint, da ist jemand wirklich zwölf Jahre im Ausland gewesen, oder etwas kürzer, warum eigentlich, dann hat sie die Möglichkeit zu sagen, komm doch bitte mal und lege das mal dar, was da eigentlich die Gründe sind. Das ist ganz wichtig zu sagen, wir haben hier wirklich uns alle bemüht, das was im Koalitionsvertrag steht auch genauso umzusetzen, dass es das beste Ergebnis für alle Beteiligten ergibt.
Barenberg: …, sagt die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, im Gespräch mit meinem Kollegen Jochen Fischer.
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