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Doppelte Staatsbürgerschaft
Eine "unnötige Hürde"

Grünen-Fraktionschefin Göring-Eckardt hat den Kompromiss der Großen Koalitoin zur doppelten Staatsbürgerschaft kritisiert. Dass der Anspruch überhaupt überprüft werden müsse, sei eine "unnötige Hürde", sagte Göring-Eckardt im DLF. "Wenn man etwas gegen Vorbehalte tun will, dann muss man mehr tun für Integration, nicht für Bürokratie."

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Jasper Barenberg | 28.03.2014
    Ein deutscher und ein türkischer Reisepass liegen nebeneinander
    Die Bundesregierung hat sich auf einen Kompromiss bei der doppelten Staatsbürgerschaft geeinigt. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Jasper Barenberg: Am Telefon begrüße ich Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag. Schönen guten Morgen.
    Katrin Göring-Eckardt: Herr Barenberg, guten Morgen.
    Barenberg: Wir haben jetzt unterschiedliche Stimmen gehört, Reaktionen auf die Einigung in der Koalition. Wie groß ist denn aus Ihrer Sicht der Schritt voran zu einem modernen Staatsangehörigkeitsrecht?
    Göring-Eckardt: Na ja, das ist ein bürokratischer Trippelschritt, und ich glaube, er strahlt alles andere aus als eine Willkommenskultur. Er strahlt nicht aus, ihr seid eingeladen, er strahlt nicht aus, jemand der hier geboren ist, gehört auch selbstverständlich dazu. Und deswegen sage ich, ja, ein kleiner Schritt, aber er ist verbunden mit Bürokratie und er ist verbunden aus meiner Sicht mit dem falschen Signal. Und das Signal heißt, wir gucken erst mal, wen wir davon abhalten können, bevor wir einladen, die doppelte Staatsbürgerschaft zu nutzen.
    Barenberg: Wir haben gerade gehört, dass die Integrationsbeauftragte schätzt, dass 90 bis 95 Prozent der Betroffenen automatisch und ohne, dass sie irgendetwas tun müssen, beide Pässe dann behalten werden können. Ich verstehe nicht ganz, warum Sie da von einem falschen Signal sprechen, von keinem Willkommenssignal. Das ist doch genau das Signal.
    Göring-Eckardt: Ja, das Signal besteht darin, dass überprüft werden muss. Und ob das 95 oder 90 Prozent sind, das würde ja erst mal dafür sprechen, dass man diese Überprüfung schlicht und ergreifend sein lassen kann. Da kommt ja immer das Beispiel von dem Kind, was im Schulalter dann wieder in das Land der Eltern, der Großeltern geschickt wird, um dort zur Schule zu gehen, und dann wiederkommt. Dann sage ich, ehrlich gesagt, wenn dieses Kind hier geboren ist, warum sagen wir dem nicht, natürlich, du gehörst auch dazu und du hast die Chance auf diesen Doppelpass, weil wir dich einladen, weil du hier geboren bist. In den USA ist das selbstverständlich, in vielen europäischen Ländern ist es selbstverständlich. Wir bauen eine unnötige Hürde auf und diese Hürde brauchen wir nicht und wir brauchen auch nicht mehr diese ewigen Unterschiede. Es geht ja nicht nur um den Optionszwang für diejenigen, die jetzt sich entscheiden müssen oder sollten, sondern es geht ja am Ende auch um die Elterngeneration. Wir haben dann Eltern, die haben nur einen Pass, Kinder, die haben möglicherweise zwei Pässe nach der Überprüfung. Ich finde, das hat mit Weltoffenheit sehr wenig zu tun und auch mit dem, was wir ja so dringend brauchen. Die Leute müssen ja das Signal bekommen, wir wollen euch, ihr seid hier zuhause und wir brauchen euch im Übrigen auch.
    Barenberg: Und da kann es immerhin ein Anfang sein, wenn man jedenfalls sagt wie Sie, dass dann die Elterngeneration vielleicht der nächste Schritt auf diesem Weg sein sollte?
    Göring-Eckardt: Ich sage deswegen bürokratischer Trippelschritt, immerhin in die richtige Richtung, nicht verbunden mit dem richtigen Signal. Aber ich bin auch überzeugt, das wird es nicht gewesen sein. Das muss sich jeder klar machen. Diejenigen, die hier leben, die hier selbstverständlich leben, die werden sich nicht gefallen lassen, dass sie weiter als Menschen, die immer noch eine Überprüfung brauchen, die immer noch mal infrage gestellt werden, hier zu leben. Und deswegen sage ich, für Deutschland wäre es aus ökonomischen, aus demografischen Gründen, aber auch aus gesellschaftlichen Gründen sehr, sehr sinnvoll, das anders zu machen. Und ich denke, das wird in Zukunft auch nicht mehr aufzuhalten sein. Und darüber bin ich, ehrlich gesagt, froh. Diese Bürokratie, dieses noch mal auf der Bremse stehen, das wird am Ende nichts nützen, der CDU und der CSU nicht, aber auch nicht der SPD, die sich darin jetzt reingegeben hat.
    Barenberg: Vorbehalte gab es vor allem in der Union. Muss man nicht auch einfach sagen, dass diese Vorbehalte auch in der Bevölkerung noch verbreitet sind, dass man denen auch in gewisser Weise Rechnung tragen wird. Dass man jetzt vielleicht einen ersten vorsichtigen Schritt, dem dann später weitere folgen können?
    Über Katrin Göring-Eckardt:
    Geboren 1966 in Friedrichroda, Thüringen. Die Politikerin von Bündnis 90/Die Grünen begann 1984 mit einem Studium der evangelischen Theologie, welches sie 1988 abbrach. Göring-Eckardt war 1989 Gründungsmitglied der Partei Bündnis 90. Seit 1998 ist sie Abgeordnete des Deutschen Bundestags und dort seit 2013 Fraktionsvorsitzende ihrer Partei.
    Göring-Eckardt: Ehrlich gesagt glaube ich, wenn man gegen Vorbehalte was tun will, dann muss man mehr für Integration tun und nicht mehr für Bürokratie. Da wäre uns, glaube ich, mehr geholfen und da haben wir in der Tat hier noch sehr viel zu tun. Wir haben, was die Integrationsmöglichkeiten, die Integrationskurse angeht, an vielen, vielen Stellen noch nicht nur Nachholbedarf, sondern auch eine Situation, die uns selber nicht nützt, sondern schadet. Deswegen würde ich sagen, wenn man etwas gegen Vorbehalte tun will, dann tut man was bei der Integration, aber nicht bei der Frage, wie bürokratisch man die Staatsbürgerschaft bekommt. Ich sage noch mal: In den USA ist es selbstverständlich, in vielen europäischen Ländern ist es selbstverständlich, wenn du da geboren bist, dann gehörst du dazu. Und das, finde ich, sollte in Deutschland auch das Selbstverständlichste sein, was es überhaupt gibt.
    Barenberg: Die Grünen haben ja eine kritische, aber konstruktive Opposition angekündigt mit Blick auf Projekte, die sie vernünftig finden. Ist das eines von diesen Projekten? Werden Sie im Bundestag dieser Lösung auch in ihren Einzelheiten zustimmen?
    Göring-Eckardt: Na ja, wir gucken uns das genau an. Aber wir haben ja dem zugestimmt, was der Bundesrat eingebracht hat, was drei Bundesländer eingebracht haben. Herrn Albig haben Sie vorhin gerade zitiert aus Schleswig-Holstein, wo rot-grüne Politik gesagt hat, dass man den Optionszwang komplett auflösen sollte. Das ist unsere Haltung. Wir werden konstruktiv sagen, was wir daran noch für dringend verbesserungswürdig halten, aber das hier ist ein wirklich zu kleiner Schritt. Und das sagen vor allen Dingen ja auch die Betroffenen. Und solange die nicht sagen, ja, jetzt fühlen wir uns auch hier gut aufgehoben, hier willkommen, kann man nicht sagen, das ist schon ein guter Weg.
    Barenberg: Die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Danke, Katrin Göring-Eckardt, für das Gespräch.
    Göring-Eckardt: Ich bedanke mich auch. Auf Wiederhören.
    Barenberg: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.