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Doric String Quartet spielt Mendelssohn
Prägnante Gesten und Charaktere

Die Streichquartette von Felix Mendelssohn Bartholdy sind in den letzten Jahren wieder mehr in den Fokus gerückt. Auch das Doric String Quartet widmet den Werken jetzt eine Gesamtaufnahme - mit klarem Ton und lebendigen Interpretationen. Unser Kritiker ist sehr überzeugt.

Am Mikrofon: Marcus Stäbler |
    Die Musiker des Dorc String Quartet, Alex Redington, Jonathan Stone, Hélène Clément, John Myerscough, stehen nebeneinander und schauen in die Kamera.
    Die Musiker des Dorc String Quartet: Alex Redington, Jonathan Stone, Hélène Clément, John Myerscough (George Garnier)
    Musik: Streichquartett op. 12, 1. Satz
    Zögernd tastet sich die Musik voran. Die Pausen sind lang gedehnt, als wäre die Zeit dickflüssig geworden. Melancholie macht sich breit. Erst mit dem Allegro löst sich das trübe Klima und weicht einem heiteren, sonnigen Ton. Das Doric String Quartet verdichtet den Notentext zu prägnanten Gesten, Charakteren und Stimmungen. Das hat das britische Ensemble schon mit seinen fulminanten Haydn-Einspielungen der vergangenen Jahre demonstriert, und das ist auch in der neuen Mendelssohn-Aufnahme deutlich zu spüren, wie hier am Beginn des Quartetts op. 12.
    Als erster Teil eines neuen Mendelssohn-Zyklus präsentiert das Doric String Quartet drei Streichquartette des Komponisten auf einem Doppelalbum. Das Programm vereint Mendelssohns frühes Quartett op. 12 in Es-Dur aus dem Jahr 1829 mit dem Quartett op. 44, 3 in derselben Tonart, entstanden knapp zehn Jahre später und dem f-Moll-Quartett op. 80. von 1847.
    Musik: Streichquartett f-Moll op. 80, 3. Satz
    Alle Interpretationen offenbaren die charakteristische Handschrift des Doric String Quartet. Das international renommierte Ensemble – besetzt mit drei britischen Streichern, die sich schon seit der Schulzeit kennen, und einer französischen Bratscherin, seit 2013 dabei – spielt mit schlankem Klang und dosiert sein Vibrato sparsam. Besonders expressive Intervallschritte werden mitunter durch ein leichtes Angleiten der Töne hervorgehoben, ein Portamento, wie es der romantische Stil verträgt, aber solche Effekte sind immer dezent und geschmackvoll eingesetzt.
    Reichtum an Farbnuancen
    Was beim Doric String Quartet besonders ins Ohr fällt, ist der Reichtum an Farbnuancen – wie in der Canzonetta aus Mendelssohns Streichquartett op. 12. Manche Piano-Passagen raunen die Streicher, als würden sie dem Hörer ein Märchen erzählen, der rasche Mittelteil klingt wie ein luftiges Elfengetrippel.
    Musik: Streichquartett op. 12, 2. Satz
    Das Doric String Quartet artikuliert klar und fein – auch dank der maßgeschneiderten Bögen, die das Ensemble in seiner Mendelssohn-Aufnahme nutzt. Die vier Streicher haben bei einem mexikanischen Bogenbauer, der in Den Haag lebt und auf historische Nachbauten spezialisiert ist, einen Satz Klassik-Bögen in Auftrag gegeben und bekommen. Sie eröffnen dem Doric String Quartet im klassischen und frühromantischen Repertoire eine noch raffiniertere Vielfalt an Klangnuancen. Das Binnenleben von Mendelssohns Musik mit seinen agilen Mittelstimmen ist noch transparenter abgebildet als in anderen Aufnahmen, etwa zu Beginn des f-Moll-Quartetts op. 80.
    Musik. f-Moll-Quartett op. 80, 1. Satz
    Das f-Moll-Quartett, sein letztes vollendetes Werk, schrieb Felix Mendelssohn kurz nach dem plötzlichen Tod seiner geliebten Schwester Fanny Hensel, die er nur um ein halbes Jahr überleben sollte. Seine dunkle Stimmung und der Schmerz über den Verlust haben in der Musik unverkennbar ihre Spuren hinterlassen. Mendelssohn schlägt hier einen düsteren und weniger konzilianten Ton an als in anderen Werken. Viele Ensembles bestärken den Charakter des Quartetts in der Klagetonart f-Moll mit einem schroffen und dramatischen Zugriff. Das Doric String Quartet findet auch hier einen ganz eigenen Weg und rückt vor allem den zweiten Satz in ein neues Licht. Hören wir kurz zum Vergleich die 2012 entstandene Aufnahme mit dem Quatuor Ebène; dort wirkt die Musik wie von einem Gefühl der Panik voran gehetzt.
    Musik: f-Moll-Quartett op. 80, 2. Satz
    Beim Doric String Quartet kommt dieser Satz aus einem ganz anderen emotionalen Aggregatzustand. Durch das viel langsamere Tempo und die Akzente in den Unterstimmen entsteht hier eine bleierne Schwere; sie lastet auf jedem Schritt und macht das Vorangehen zur Mühsal.
    Musik: f-Moll-Quartett op. 80, 2. Satz
    Der zweite Satz aus dem f-Moll-Quartett von Felix Mendelssohn, gespielt vom Doric String Quartet in der ersten Folge seiner neuen Mendelssohn-Gesamtaufnahme. Man kann sicher streiten, ob das Tempo für ein Allegro assai schon eine Spur zu langsam gewählt ist – aber dafür offenbart die Aufnahme hier eine tiefe Melancholie, wie sie vielleicht noch kein anderes Ensemble in dem Satz aufgespürt hat.
    Filigraner und sinnlicher Ton
    Das Allegro assai aus dem f-Moll-Quartett ist das extremste Beispiel für die sehr eigenen Vorstellungen des Doric String Quartet. Ganz so weit entfernt sich die Formation sonst nicht von den sonst üblichen Interpretationsmustern. Aber auch in den anderen Werken treten die Ideen der vier Streicher plastisch zu Tage.
    Im langsamen Satz aus dem Es-Dur-Quartett op. 44,3 rückt das Doric String Quartet die Ausdruckskraft von Mendelssohns Harmonik ins Zentrum, die mit schmerzlichen Reibungen und Vorhalten angereichert ist.
    Musik: Streichquartett Es-Dur op. 44,3, 3. Satz
    Mit ihrem filigranen, aber zugleich auch sinnlichen Ton erkunden die Mitglieder des Doric String Quartet die Farbnuancen und die Expressivität im Adagio non troppo aus Mendelssohns Es-Dur-Quartett. Im abschließenden Finale wandelt sich der Charakter. Dort entfachen die Streicher genau jenes Feuer, das der Komponist mit seiner oft gebrauchten Vortragsbezeichnung "con fuoco" fordert. Sorgfalt und der Blick fürs Detail vereinen sich mit Virtuosität und hitzigem Temperament.
    Musik: Streichquartett Es-Dur op. 44,3, 4. Satz
    Das war das Finale aus dem Es-Dur-Quartett op. 44,3 von Felix Mendelssohn. Ein Ausschnitt aus der neuen Aufnahme des Doric String Quartet, sie ist der erste Teil einer zweiteiligen Gesamteinspielung der Mendelssohn-Streichquartette beim Label Chandos.
    Felix Mendelssohn: Streichquartette op. 12, op. 44,3, op. 80.
    Doric String Quartet
    Chandos 20122 (2 CDs)