25. Mai, Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen. Am Abend versuchen etwa 20 Neonazis, das Dortmunder Rathaus zu stürmen. Darunter ist Siegfried Borchardt, auch "SS-Siggi" genannt. Er ist mit knapp über 2.000 Stimmen als Spitzenkandidat der rechtsextremen Partei "Die Rechte" in den Stadtrat gewählt worden und möchte nun seinen Sieg im Rathaus feiern. Seine Anhänger tragen gelbe T-Shirts mit der Aufschrift "Weg mit dem NWDO-Verbot". Gemeint ist die 2012 verbotene rechtsextreme Kameradschaft "Nationaler Widerstand Dortmund."
Rund 100 Gegendemonstranten stellen sich Borchardt und seinen Unterstützern in den Weg, versperren den Eingang zum Rathaus. Die Neonazis schlagen um sich, einer versprüht Pfefferspray. Zehn Menschen werden verletzt. Christian Gebel von der Piratenpartei erinnert sich:
"Ich wurde mit einer Flasche am Kopf getroffen. Es wurde dann später noch behandelt. Eine Kollegin hat also mehrere Schläge ins Gesicht bekommen. Eine andere Kollegin auch, einen sehr gut dokumentierten Faustschlag mitten ins Gesicht. Damit hatten wir also überhaupt nicht gerechnet, mit dieser Intensität."
Dabei seien laut Gebel die Zusammenstöße absehbar gewesen, denn Borchardt hatte zuvor auf seiner Facebook-Seite angekündigt, er wolle - Zitat - "mit einem Schlag ins Rathaus". Dazu ballt er auf einem Foto bei Facebook die Faust. Der Staatsschutz der Polizei, der die Partei "Die Rechte" eigentlich nie aus den Augen lässt, ist nicht mehr vor Ort als die Situation eskaliert. Die örtliche Polizei wird gerufen, kommt aber spät. Erklärungsversuche von Polizeisprecher Kim Ben Freigang:
"Es ist natürlich so, dass wir für uns kritisch, selbstkritisch hinterfragen müssen, ob uns da möglicherweise Informationen gefehlt haben, wo wir einfach sagen, da müssen wir vielleicht besser werden."
Siegfried Borchardts Einzug in den Stadtrat
Siegfried Borchardt erinnert mit seinem weißen Zwirbelbart und seiner Statur an den ehemaligen US-Wrestler Hulk Hogan. Der 61-Jährige spielt in der Dortmunder Neonazi-Szene eine zentrale Rolle. In den 1980er-Jahren gründete er den Dortmunder Fußball-Fanklub Borussenfront. Ein Sammelbecken für Rechtsextreme und Hooligans. Borchardt war darüber hinaus auch Landesvorsitzender der 1995 verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen, kandidierte bei Wahlen für die FAP. Wegen Landfriedensbruch und weil er Andersdenkende zusammenschlug, saß er mehrere Jahre im Gefängnis.
Wie Ratssitzungen mit "SS-Siggi" verlaufen, zeigte sich schon bei der konstituierenden Sitzung der Bezirksvertretung Dortmund - Innenstadt Nord. Auch in die wurde Borchardt gewählt. Draußen vor dem Gebäude stehen Polizeibeamte und beobachten rund ein Dutzend Rechtsextreme. Die meisten von ihnen tragen wieder gelbe T-Shirts, wie am Abend der Kommunalwahl. Drinnen: ein privater Sicherheitsdienst.
Borchardt nimmt im Saal Platz. Er trägt wie so oft Halstuch und beige Weste, stellt sein Germania-Tattoo zur Schau. Unter den Anwesenden im Rat will er Gegendemonstranten erkannt haben, die ihm am Wahlabend den Weg ins Rathaus verwehrt hätten. Eine Bühne, um sich fälschlicherweise als Opfer zu stilisieren.
"Ich will, dass die Polizei kommt, um die Personalien festzustellen. Körperverletzung gegen Kameraden. Hören Sie mal! Ich sitze im Rat, im Ratssaal!"
Nach der Sitzung verlässt Borchardt in Begleitung des Sicherheitsdienstes das Gebäude und schwingt dabei seinen schwarzen Gehstock mit Totenkopf.
Ein Fernsehteam will ihn filmen - Borchardts draußen wartende Unterstützer schlagen dem Kameramann mehrmals die Kamera von der Schulter.
Eine Woche danach dann Borchardts Premiere im Dortmunder Stadtrat. Den Sitz gibt er bereits zwei Monate später an einen Parteifreund ab. Bei seinem ersten Auftritt aber erhöhte Sicherheitsstufe: draußen Polizei, drinnen Ordnungsdienst. Doch dieses Mal demonstrieren mehrere hundert Menschen gegen den Einzug des Rechtsextremen ins Rathaus. Ein Bürger will wissen, was Borchardts politische Ziele sind und verwickelt ihn in ein Gespräch:
"Was möchten Sie denn für die Stadt konkret tun?" - "Habe ich Ihnen doch gerade gesagt." - "Das habe ich nicht mitgekriegt." - "Ach so. Für sozial-schwache Deutsche einsetzen. Deutsche." - "Und wie wollen Sie das festmachen, wenn einer einen deutschen Pass hat und wie ein Ausländer aussieht?" - "Passen Sie mal auf, ganz einfach: Sie haben deutsche Eltern, dann werden Sie als Deutscher geboren. Und wenn Sie als Schwein im Pferdestall geboren sind, dann sind Sie immer noch kein Rennpferd, sondern immer noch ein Schwein. Fertig. So leicht lässt sich das feststellen."
Rechtsextreme im Dortmunder Rathaus sind nichts Neues
Dass es diese Denke ins Dortmunder Rathaus geschafft hat, ist eigentlich nichts Neues. Bereits in der letzten Legislaturperiode hatten die rechtsextreme NPD und DVU jeweils einen Sitz im Rat inne. Doch wie kommt es, dass die Neonazi-Szene gerade in Dortmund so aktiv ist? Alexander Häusler von der sogenannten Arbeitsstelle Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf erklärt:
"Dortmund ist deswegen ein Sonderfall als Hotspot aufgrund seiner neonazistischen Tradition. In Dortmund ist der erste Kreisverband der neonazistischen FAP, der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei, schon in den 1980er-Jahren gegründet worden. Eine weitere Tradition im rechten Hooligan-Umfeld ist durch Siegfried Borchardt und die sogenannte Borussenfront ein Teil dieser Besonderheit, das eben die Stadt zu einem Anlaufpunkt für die Neonazi-Szene gemacht hat."
Ein weiterer Grund für Dortmunds aktive rechtsextreme Szene dürfte auch sein, dass Spitzenpersonal der Partei Die Rechte in der Stadt wohnt. Der Verfassungsschutz spricht von 500 Parteimitgliedern bundesweit, davon sind über die Hälfte - 270 Personen - in Nordrhein-Westfalen aktiv. Einer von ihnen ist der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes: Michael Brück. Der 24-Jährige betreibt den Internetversandhandel antisem.it - Antisemit, wenn man es zusammenhängend spricht. Im Shop gibt es Sturmhauben, Mundschutz und Pfefferspray zu kaufen. Der Verfassungsschutz weiß davon:
"Der Tenor ist antisemitisch, das soll auch der Name bedeuten. Wir haben das nicht nur beobachtet, sondern selbstverständlich auch geprüft, auch staatsanwaltschaftlich prüfen lassen, ob es hier ausreicht für ein Verbot. Es ist aber schwer mit unseren Möglichkeiten, rechtlich, die wir haben. Mit dieser Partei muss man sich in erster Linie politisch auseinandersetzen. Was die einzelnen Mitglieder damit wollen, ist klar. Sie wollen provozieren und damit Aufmerksamkeit erregen", sagt Burkhard Freier, Leiter des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfalen. Im Mai 2012 gründete Christian Worch, einer der führenden Köpfe der militanten Neonazi-Szene, die Partei Die Rechte. Er ist heute Bundesvorsitzender der Partei, die sieben Landesverbände hat. Anfangs von Worch als "gemäßigtere" Alternative zur NPD geplant, ist die Partei Die Rechte laut letztjährigem Verfassungsschutzbericht heute noch viel radikaler.
"Weiterhin wechselten enttäuschte ehemalige NPD-Mitglieder zur Partei Die Rechte, die mit dem ambivalenten Verhältnis des NPD-Landesverbandes zu den Neonazis nicht einverstanden sind und selber für einen radikaleren Kurs eintreten." (Quelle: NRW-VS-Bericht 2013, S.68)
Mit den Neonazis gemeint sind vor allem die Mitglieder der 2012 verbotenen rechtsextremen Kameradschaft Aachener Land, Kameradschaft Hamm und Nationaler Widerstand Dortmund. Der Landesverband Nordrhein-Westfalen der Partei Die Rechte gründete sich nämlich kurz nach dem Verbot dieser Kameradschaften und dient, so steht es auch im Bericht des NRW-Verfassungsschutzes, als Auffangbecken.
"Eindeutig setzt sich diese Partei aus diesen Personen zusammen, die vorher auch führend tätig gewesen sind in den neonazistischen Kameradschaften. Zum Teil auch verurteilte Gewalttäter, die eben auch quasi unter dem Dach der Partei Die Rechte noch weiter diese Aktivitäten fortgesetzt haben. Diese Leute machen keinen Hehl draus, dass sie ihre Aktivitäten jetzt einfach nur fortführen unter einem neuen Dach, nämlich dieser Partei", sagt Alexander Häusler von der Arbeitsstelle Neonazismus an der FH Düsseldorf: Er beobachtet die Partei und deren Umfeld seit vielen Jahren. Die "Aktivisten", wie sich die Parteimitglieder selbst bezeichnen, verharmlosen nationalsozialistische Verbrechen und machen Stimmung gegen Flüchtlinge, Linke und Andersdenkende.
"Ein Beispiel hierfür ist die provokative Aktion in Form eines sogenannten Stadtschutzes in Erscheinung zu treten, wo man in SA-verwandter Manier versucht, aufzutreten und so ein Drohpotenzial in den jeweiligen Regionen, in den jeweiligen Sozialräumen zeigen zu können."
Die Neonazis der Partei Die Rechte gelten laut Häusler als gut vernetzt - auch international. Zuletzt waren beispielsweise Neonazis der Partei Goldene Morgenröte aus Griechenland zu Besuch. Zudem können die Rechtsextremen in Dortmund spontan bis zu 50 Personen mobilisieren.
"Ey wir, ist unser Staat! Unser Staat, unser Land, verstehste? Seid alles Arschlöcher! Scheiß Islamisten! Deutschland unser Land! Deutschland unser Land!"
Dortmunder Nazis und die HoGeSa-Demo in Köln
Ende Oktober in Köln. Mehr als 4.000 rechte Hooligans und Neonazis rufen rassistische Parolen und randalieren. Auf der Demonstration macht auch Siegfried Borchardt mit seiner Borussenfront Stimmung gegen Salafisten:
"Wir wollen keine Salafisten-Schweine! Deutschlaaaand!"
Auch seine Parteifreunde grölen mit. Die politische Einstellung und die Bereitschaft zur Gewalt verbinden. Über Facebook ruft seine Partei "Die Rechte" zur sogenannten HoGeSa-Demo auf, informiert sogar in einem aktuellen Ticker im Internet über den Verlauf der Demonstration. Das zeigt - die Dortmunder Neonazis spielen eine wichtige Rolle in der Szene. Und auch bei Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund steht Dortmund laut Innenministerium landesweit an der Spitze:
"2005 ersticht ein Neonazi den Punker Thomas Schulz. 2009 greifen mehrere Hundert Neonazis eine Erse-Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Dortmund an. Ein Jahr später attackieren rund ein Dutzend Rechtsextreme die Gäste einer Kneipe der links-alternativen Szene mit Messern und Stühlen."
Lange Zeit ignorierte die Stadt Dortmund das Problem mit den Neonazis. Doch das hat sich inzwischen geändert: Eine Koordinierungsstelle der Stadt fördert Projekte gegen Rechtsextremismus, und es gibt mittlerweile eine Beratungsstelle für Opfer rassistischer Gewalt. Zudem untersagte die Stadtverwaltung den Rechtsextremen, ein Gebäude als Parteizentrale zu nutzen und kaufte selbst ein anderes Haus, für das sich die Neonazis interessierten. Auch der Fußballverein Borussia Dortmund bemüht sich, Neonazis aus dem Stadion zu halten – mit Stadionverboten und medialen Kampagnen. "Das Problem wurde endlich von allen erkannt", sagt der Sonderbeauftragte für "Vielfalt, Toleranz und Demokratie" der Stadt Dortmund, Hartmut Anders-Hoepgen:
"Kommune stärkt Zivilgesellschaft, und die Zivilgesellschaft ist in dieser Zeit sehr stark auch mit ihren Aktivitäten angewachsen. Als ich 2007 angefangen habe, gab es vielleicht drei, vier Netzwerke und runde Tische. Inzwischen gibt es 14."
Nachfolger Borchardts: Dennis Giemsch
Zurück ins Dortmunder Rathaus. Im Sommer ist Borchardts Karriere als Stadtrat schon wieder vorbei. Er tritt nach wenigen Wochen zurück, für ihn folgt Dennis Giemsch. Der Landesvorsitzende von Nordrhein-Westfalen der Partei Die Rechte trägt Jeans, Turnschuhe, ein kariertes Hemd. Bei seiner Premiere als Ratsmitglied ist die Atmosphäre ähnlich angespannt wie Monate zuvor bei Borchardt. Mit einem Unterschied: Es ist weniger Sicherheitspersonal anwesend. Im Saal ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, draußen nur ein Streifenwagen der Polizei. Giemsch sitzt in der letzten Reihe. Links neben ihm ist der Platz frei, rechts von ihm ein Durchgang. Die anderen Stadträte gehen sichtbar auf Distanz. Doch der 29-Jährige ist nicht alleine im Rathaus. Auf der Besuchertribüne haben stadtbekannte Neonazis Platz genommen. Oberbürgermeister Ullrich Sierau übergibt das Wort an Giemsch. Als Ratsmitglied hat er natürlich Rederecht:
"So, das Wort hat Herr Giemsch." - "Dankeschön schon mal für das Wort. Also, ich muss sagen, der Bericht von Frau Jägers war wirklich toll. Man hatte Fakten, man hatte den persönlichen Lebensweg eines syrischen Studenten, der vielleicht bald schon Fachkraft ist und einen deutschen Arbeitnehmer ersetzen wird. Das ist alles super! Aber in Zeiten, in denen in Dortmund jedes vierte Kind bereits jetzt armutsgefährdet ist, die Kassen sowohl bei der Stadt Dortmund als auch im Land NRW leer sind und die Politik in Bund und im Land überfordert sind, kennt unsere Partei nur eine Losung: Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!"
"Gut, dass das so kurz war", meint trocken der Oberbürgermeister der SPD. Was Giemsch von Entscheidungen im demokratisch gewählten Stadtrat hält, macht er während einer Sitzungspause deutlich:
"Klasse. Hier werden weltpolitische Fragen geklärt. Hier kann man den Menschen wirklich helfen. Das war Sarkasmus."
Der 29-Jährige ist vorsichtig. Im Interview achtet er penibel auf jedes Wort, das er sagt. "Ausländer raus!", diese dumpfe Parole beispielsweise wiederholt er im Interview nicht; Giemsch spricht nun von "Ausländerrückführung". Seiner Partei Die Rechte räumt er Chancen ein, irgendwann einmal mitzuregieren.
"Muss man abwarten, was die Zeit bringt. In der Ukraine hat man gesehen, dass es von heute auf morgen ist ein Regimesturz, und auf einmal gibt's auch Organisationen wie den Rechten Sektor, die auf einmal mitbestimmen können, zumindest in Teilfragen. Und da muss man schauen, wie sich die politische Landschaft in der Bundesrepublik Deutschland in den kommenden Jahren entwickelt. Das kann von heute auf morgen sein, das kann sein, dass es noch zehn Jahre dauert. Mal schauen, wie lange sich der Kapitalismus so noch hält."
Wie allen 94 Mitgliedern des Dortmunder Stadtrats steht auch Dennis Giemsch eine Aufwandsentschädigung zu. Sitzungsgeld und eine monatliche Pauschale für seine politische Arbeit - etwas über 5.000 Euro pro Jahr - macht bei einer sechsjährigen Wahlperiode ca. 30.000 Euro Steuergelder.
"Das meiste spende ich sowieso in politische Arbeit. Alles. Ist also eigentlich nichts für mich."
Hetze im Netz
Was Giemsch unter politischer Arbeit versteht, zeigt ein Antrag, den er kürzlich im Stadtrat stellte. Das Mitglied der Partei Die Rechte will wissen, wie viele Menschen jüdischen Glaubens in Dortmund leben. Und er will wissen, wo sie leben. Um - Zitat - "einen angemessenen Umgang mit allen Religionen zu finden", heißt es im Antrag zur Begründung. Für seine politischen Ziele hält Giemsch auch andere Informationen für notwendig:
"Wir kriegen jetzt jeden Termin, wo der Bürgermeister auftritt, wo andere Ratsmitglieder auftreten, alle städtischen Dinge, da sind wir jetzt drüber informiert. Wir wissen, wohin die Gelder fließen, und da kann man dann halt den politischen Widerstand auch dahintragen, wo er hingehört. Wir nehmen diese Informationen, und wir werden Demonstrationen veranstalten, Flugblätter verteilen und überall da hingehen, wo es dem Gegner wehtut."
Ob Fatma Karacakurtoglu eine Gegnerin ist? Die gebürtige Türkin sitzt für Die Linke im Dortmunder Stadtrat. Sie fühlt sich in Gesellschaft der Rechtsextremen nicht wohl in ihrer Haut.
"War eine bedrohliche Situation, weil wir in einem kleinen Aufzug zu fünft waren, wo drei Männer von den Rechten eingestiegen sind, wir als zwei Frauen mit drin standen. Da weiß man ja teilweise nicht, was man machen soll. Ob man jetzt aussteigen soll, ob man drin bleiben soll. Das sind so kurze Entscheidungen. Aber die hätten im Grunde genommen uns auch da abstechen können. Das hätte ja auch keiner mitgekriegt."
Fatma Karacakurtoglu hat irgendwie Angst vor Giemsch und dessen Umfeld. Sie ist enttäuscht von den Sicherheitsvorkehrungen im Rathaus. Die Stadträtin möchte eigentlich nicht, dass Anhänger der Partei Die Rechte dort ein- und ausgehen. Schutz vor den Rechtsextremen im Rathaus ist das vielleicht noch möglich, nicht aber im Internet: Giemsch betreibt privat einen Blog, ist bei Facebook und Twitter zu finden - mit bürgerlichem Namen. Fast täglich hetzen er und andere Parteimitglieder in den sozialen Medien gegen Migranten und Andersdenkende. Alexander Häusler von der FH Düsseldorf:
"Sie probieren, Netz 2.0 orientiert mit Videos auch im Internet durchaus zeitgemäß und durchaus fast auch semi-professionell nationalsozialistische Weltanschauungen mehr oder weniger jugendkulturell oder popmodern, internet-kompatibel zu verkaufen und an die Leute zu bringen."
Verfassungsschutz und die Partei Die Rechte
Der Verfassungsschutz hat die Mitglieder der Partei Die Rechte seit Jahren im Blick. Wie viele V-Männer in der Dortmunder Szene tätig sind, will Verfassungsschutz-Chef Burkhard Freier natürlich nicht verraten. Nur so viel:
"Alle nachrichtendienstlichen Mittel, die wir haben. Und zwar die uns das Gesetz erlaubt. Alle setzen wir ein gegen die Partei Die Rechte. Das ist ganz wesentlich, weil innerhalb des Rechtsextremismus ist das für uns ein Beobachtungsschwerpunkt. Wir versuchen auch Material zu kriegen, was darauf hindeuten könnte: Liegen Straftaten im Einzelfall vor oder die gesamte Partei? Ist es überhaupt eine Partei?"
Sollte das nordrhein-westfälische Innenministerium zu dem Entschluss kommen, dass die Partei Die Rechte womöglich ihr Parteienprivileg nur ausnutzt, um verfassungsfeindliche Aktivitäten zu tarnen, könnte ein Verbotsantrag folgen. Ein langwieriger juristischer Prozess, wie man am Beispiel der rechtsextremen NPD sieht. Aus Sicht von Alexander Häusler von der FH Düsseldorf müsste ein Verbot auch wohl überlegt sein:
"Allerdings muss man sagen, das kann eben leider nicht von heute auf morgen funktionieren, weil der Schutz der Partei, das Parteienprivileg mit Grund ein hohes rechtliches Gut ist, dem hohe Hürden gesetzt sind. Das heißt, es muss den Gerichten erst einmal gelingen, nachzuweisen, dass diese Partei eigentlich gar nicht im eigentlichen Sinne parteipolitisch aktiv ist, sondern eben mehr oder weniger nur ein Dach für militante Neonazi-Aktivisten. Meines Erachtens nachweisbar."
Burkhard Freier vom Verfassungsschutz äußert sich ähnlich optimistisch:
"Man sagt immer: Über Verbote redet man nicht, sondern man macht sie. Bei den Erkenntnissen, die wir haben, reichen sie aus. Aber Verbote sind eigentlich nur ein Bestandteil. Sie sind wirkungsvoll. Gerade im Rechtsextremismus. Genauso wichtig ist, dass die Öffentlichkeit weiß, was los ist und sich auch politisch dagegen wehren kann."