"Ich hatte bisher kein Mandat. Ich war in der zweiten Reihe. Jetzt wage ich den Schritt in der Politik in die erste Reihe", sagte Torsten Burmester einen Monat vor Weihnachten.
Da war er gerade Kandidat der SPD für die Oberbürgermeisterwahl in Köln geworden. Dass damit auch sein Vertrag als Vorstandsvorsitzender des Deutschen Olympischen Sportbundes enden könnte, hatte er möglicherweise nicht bedacht.
Sein Arbeitgeber DOSB hatte angeblich erst vier Wochen zuvor aus der Zeitung von den Plänen seines obersten Hauptamtlers erfahren und war sauer. Das Ganze endete in einer, wie es hieß, "einvernehmlichen Trennung". Vorausgegangen war Burmesters Abberufung kurz vor der Mitgliederversammlung.
"Ein herzliches Willkommen zur 21. MV des DOSB in Saarbrücken", sagte kurz danach Michaela Röhrbein, Vorstandsmitglied des DOSB. Sie übernahm an Burmesters Stelle die Moderation der Veranstaltung am 7. Dezember.
Kritik nur hinter den Kulissen
Nach außen Business as usual. Hinter den Kulissen - massive Kritik. DOSB-Präsident Thomas Weikert trage mit die Verantwortung für das Führungschaos im Verband. Er müsse sein Amt zur Verfügung stellen. Von Neuwahlen war die Rede. Öffentlich aber wagte sich niemand nach vorn. So bleibt alles beim Alten.
Thomas Weikert ist auch nach der Versammlung noch DOSB-Präsident. Ob er an Rücktritt gedacht habe oder dazu aufgefordert worden sei? Diese Frage konnte Weikert auf der Pressekonferenz nach der MV sichtbar erleichtert beantworten mit: "Zwei Mal `Nein`"
Auf IOC-Linie
Aus Sicht des Präsidenten also alles in bester Ordnung. Auch die Bundesinnen- und Sportministerin Nancy Faeser ist beim DOSB-Lieblingsthema auf Linie:
"Wir wollen gemeinsam Olympische und Paralympische Spiele nach Deutschland holen“, sagt Faeser in ihrer Rede. Im anschließenden Interview macht sie die wichtige Ergänzung: „Dass wir hinter dieser Bewerbung stehen und zwar mit allen Bedingungen.“
Damit geht Faeser auf alle Forderungen des IOC ein. Dessen Noch-Präsident Thomas Bach hatte kurz vor der Mitgliederversammlung Druck ausgeübt. In einem FAZ-Interview hatte er betont, die Spiele könnten nur in ein Land vergeben werden, in dem die gastgebende Regierung nicht bestimme, welche Athleten einreisen dürften. Das richtete sich gegen Faesers ursprüngliche Haltung, Athleten aus Russland und Belarus aufgrund des Angriffskrieges gegen die Ukraine eine Einreise zu verwehren.
Paris als Vorbild
Jetzt gibt Bach einmal mehr die Regeln vor und Nancy Faeser folgt: „Es war immer klar, eine Selbstverständlichkeit für die Bundesrepublik, dass wir die Autonomie des Sportes achten und uns auch danach verhalten. Diese Einreisesperren gab es nie und insofern war es mir wichtig, das heute klarzustellen.“
Deutschland will, was Frankreich hatte. Die Image-Kampagne des DOSB schwelgt in Bildern der Spiele von Paris: „Lasst uns die Olympischen und Paralympischen Spiele endlich wieder nach Deutschland holen. Für neue Sportgeschichten made in Germany.“
Für Germany geht der DOSB nun mit der mündlichen Zusage der Bundesinnenministerin und der Zustimmung der Sportverbände in den Dialog mit dem Internationalen Olympischen Komitee. Der Haken: Für eine Bewerbung um Spiele 2036 oder 2040 fehlt ein Konzept.
Neue Ideen nötig
Seine ursprüngliche Idee musste der DOSB über den Haufen werfen: Keine Chance für eine Bewerbung mit Wettkampfstätten über das Land verteilt und dezentraler Unterbringung. Das habe man in informellen Gesprächen erfahren:
„Wenn wir also in Deutschland ein Bewerbungskonzept entwickeln wollen, welches international nicht nur mitspielen, sondern auch gewinnen kann, sind wir gut beraten in „one village-Konzepten“ zu denken.“
Das heißt: Ein zentrales Olympisches Dorf, in dem mindestens 70 Prozent der Athletinnen und Athleten untergebracht sind.
Bouffier hilft aus
Die möglichen Kandidaten: Die Städte Berlin, Hamburg, Leipzig und München und die Region Rhein-Ruhr. Sie sollen nun Leitlinien bekommen und damit Feinkonzepte erarbeiten. Bei der Mitgliederversammlung im Dezember 2025 will der DOSB den Delegierten mindestens ein Konzept zur Abstimmung vorlegen.
Für die entsprechende Olympiastimmung soll bis zum Sommer Volker Bouffier sorgen. Der CDU-Mann und ehemalige Ministerpräsident von Hessen wird vorübergehend DOSB- Vorstand für besondere Aufgaben. In dieser Rolle soll er für Olympia bei der neuen Bundesregierung werben. Auch wenn diese ganz andere Probleme haben dürfte, als sich in der aktuellen wirtschaftlichen Situation ein finanziell unüberschaubares Projekt ans Bein zu binden.
Die neue Regierung wird sich bei ihrem Amtsantritt auch mit dem Sportfördergesetz befassen müssen. Kernelement: eine Spitzensportagentur. Die soll die Vergabe der etwa 330 Millionen Euro Fördermittel für den Leistungssport pro Jahr zentral steuern. Nach dem Bruch der Ampelkoalition kam es vor Weihnachten auch über die nachgebesserte Version des Gesetzentwurfs zu keinem Beschluss im Bundestag, in dieser Legislaturperiode wird das Gesetz nicht mehr kommen.
Nicht alle "ganz zufrieden"
"Ich seh darin auch eine Chance, weil wir nochmal neu ansetzen können und auch Verbesserungen mit einbringen können, die nach meinem Dafürhalten dringend erforderlich sind", sagt Alfons Hölzl, Präsident des Deutschen Turnerbundes.
Nicht nur für Hölzl gibt es noch Redebedarf zwischen Sport und Politik - etwa über finanzielle Sicherheiten für die Verbände, weniger Bürokratie und wer welchen Einfluss hat.
Für den Deutschen Olympischen Sportbund ist das Sportjahr chaotisch zu Ende gegangen. Nicht nur wegen der Personalie Torsten Burmester. Auf der Mitgliederversammlung hat die „Sportfamilie“ wie sie sich immer so gern nennt, dennoch öffentlich Einheit demonstriert.
Deshalb kann Präsident Thomas Weikert mit dem Satz „Eigentlich bin ich ganz zufrieden.“ seine persönliche Jahresbilanz ziehen. Manche in der nach außen einig wirkenden Sportfamilie dürften das anders sehen.