Seit gut einer Woche ist mal wieder Feuer unterm Dach des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Diesmal ist der Brandherd aber nicht mit verbalen Schaumlöschern Marke Rücker oder Hörmann zu bändigen. Die Ethik-Kommission des DOSB ist nun als Löschtrupp im Einsatz - vom Dachverband höchstselbst in Marsch gesetzt.
Vorsitzender Thomas de Maizière, Hansjörg Geiger, Kati Wilhelm und Betty Heidler sind die Brandbekämpfer, die nach den heftigen Vorwürfen,die in einem Offenen Brief sehr anschaulich als "Kultur der Angst" im Haus des Sports skizziert werden, noch retten sollen, was zu retten ist.
Aber: Sind die Vier von der DOSB-eigenen Ethikkommission die richtigen Einsatzkräfte? Besteht da nicht zu viel Nähe zwischen Auftraggeber und Aufklärern? Die Besetzung der Kommission, vor allem mit einem Ex-Bundesinnenminister, der kurz vorher als Sportminister noch auf der anderen Seite des Tisches saß, löste vor drei Jahren bei der Gründung intern wie extern Befremden aus.
Und das hält an: Vertrauen in die Unabhängigkeit der Kommission haben nur wenige.
Vertrauen verspielt
Auch bei ihrem neuesten Einsatz. Denn am Ende geben die "Ethiker" nur eine Empfehlung. Die Entscheidung treffen Vorstand und Präsidium - also: Die Beschuldigten urteilen über sich selbst. Vertrauen und Glaubwürdigkeit hat der Dachverband schon lange verspielt - nicht zuletzt, weil ein angepasster Vorstand und ein mutloses Präsidium ihrem ehrenamtlichen Präsidenten nicht nur zu viel durchgehen ließen, sondern ihm auch nicht Einhalt geboten haben.
Und offensichtlich haben sie auch selbst ihre Hausaufgaben nicht ordentlich erledigt. Denn es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass ein Vorstand, der für Personalfragen und die Befindlichkeit der MitarbeiterInnen zuständig ist, über einen längeren Zeitraum nicht mitbekommen haben will, dass das Betriebsklima im eigenen Laden sich dem Gefrierpunkt nähert. Und dass es eine Reihe Schwierigkeiten gibt.
Jetzt sind die Probleme öffentlich, tiefe Betroffenheit hat die Führungscrew plötzlich befallen. Nun rotieren sie mal wieder in der Frankfurter Otto-Fleck-Schneise.
Schlechtes Gewissen
Das DOSB-Krisenmanagement ist skurril und lausig. Der Brief wird sofort zur Fake-Mail erklärt – Inhalt Nebensache. Trotzdem - und wenn das nichts über ein schlechtes Gewissen sagt - verfassen Präsidium und Vorstand je ein Statement der Solidarität mit dem Präsidenten. Offiziell einstimmig.
Den demonstrativen Korpsgeist unterläuft nämlich der Aktivensprecher Jonathan Koch, der mit dem Text nicht einverstanden ist. Seine Signatur landet trotzdem neben den anderen Unterschriften, die nach seinem öffentlichen Protest plötzlich alle mit einer merkwürdigen Erklärung auf der Website gelöscht werden. Richtigstellung des Vorgangs trotz zweimaliger Intervention Kochs – Fehlanzeige. Sind Logik und KommunikationsberaterInnen gerade im Urlaub?
Der Schlamassel wird immer größer – und es ist sicher, dass der DOSB alleine ohne schwerwiegende Blessuren aus dieser Nummer nicht mehr herauskommt – neutrale Hilfe wäre für eine saubere Klärung von Nöten.
Aber wie ernst meint der DOSB es mit der Aufklärung eigentlich? Und wie kümmern ihn Ethik-Code und Compliance-Regeln? Papiere zu verfassen sei das eine, sie zu leben das andere, mahnte der frisch gekürte Ethik-Vorsitzende de Maizière bei seiner Neujahrsrede 2019 in Frankfurt.
Papiere, die keiner liest
Papiere gibt es im DOSB en masse. Eines davon, mit dem Titel "Good Governance - Gute Verbandsführung", hat der DOSB 2015 verabschiedet. Gelesen, geschweige in seine tägliche Arbeit aufgenommen, hat es aber in den DOSB-Führungsetagen offensichtlich kaum jemand. Sensibilität und Gespür für die Stimmungslage in der Belegschaft, für die Unzufriedenheit, für den Druck durch ständige Verfügbarkeit, für Arbeitsüberlastung scheint offensichtlich kein Verantwortlicher entwickelt zu haben. Denn es gärt lange vor sich hin.
Nach der Fusion am 20.Mai 2006 des Deutschen Sportbundes und des Nationalen Olympischen Komitees unter der Ägide Thomas Bach/Michael Vesper, die den Sportverband umkrempelten, fingen die Klagen an. Beim zehnjährigen DOSB-Bestehen wurden die Feierlichkeiten in Frankfurt von Beschwerden über "Sittenverfall und schlechtes Betriebsklima" gestört. Und übel stieß auch der Vorwurf auf, dass man dem Olympischen nun alles unterordne, vor allem den Breitensport.
Auch damals gab es empörte Abwiegelungs-Statements und gegenseitige Solidaritätsadressen. Und auch da schaute die "Sportfamilie" zu.
Der neue Präsident Alfons Hörmann erfüllte die Erwartungen, es würde sich etwas zum Besseren wenden, nicht. Nach seinem Amtsantritt war die (Aufbruchs-) Stimmung schneller im Keller als ein 100-m-Sprinter im Ziel. Und auch mit der Frau an seiner Seite, Veronika Rücker, hörten die atmosphärischen Störungen nicht auf.
Der neue Präsident Alfons Hörmann erfüllte die Erwartungen, es würde sich etwas zum Besseren wenden, nicht. Nach seinem Amtsantritt war die (Aufbruchs-) Stimmung schneller im Keller als ein 100-m-Sprinter im Ziel. Und auch mit der Frau an seiner Seite, Veronika Rücker, hörten die atmosphärischen Störungen nicht auf.
Schmuddelkind
Schlagwörter wie Wahrheit, Klarheit, Transparenz trägt der Allgäuer zwar wie eine Monstranz vor sich her, aber Gesprächs- und Debattenkultur wurden nicht besser. Und Ton und Umgangsformen intern und extern immer rüder. Dazu kamen inhaltliche und handwerkliche Fehler – und so entwickelt sich nicht nur der Präsident zum Enfant terrible, sondern das Lobbyisten-Hätschelkind Sport ist mittlerweile auch auf der sportpolitischen Bühne zum nervenden Schmuddelkind geworden.
Wie lange wollen die Mitgliedsorganisationen diesen Crashkurs weiter mitfahren? Respekt, Teamgeist, Miteinander, Fair play, das sie ja gerne von anderen einfordern, müssen sie selbst Mitgliedern und AthletInnen vorleben. Und es braucht keine sich selbst überschätzenden, eitlen und karrieregesteuerten FunktionärInnen, die sich gegenseitig die Köpfe einschlagen. Mitglieder, Vereine und Ehrenamtliche an der Basis, die der Lebensnerv des Sports in Deutschland sind, brauchen keinen DOSB, der als ständiger Problemverursacher kein Teil von Lösungen ist.
Das Schlimmste, was dem deutschen Sport jetzt passieren kann, ist, dass dieser neuerliche Skandal im DOSB als Hornberger Schießen endet. Auch faule Kompromisse verbieten sich schon allein aus Verantwortung für die MitarbeiterInnen. Rücktritte sind also unumgänglich.