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DOSB nach Präsidentenwahl
Es muss ein Ruck durch den deutschen Sport gehen

Zumindest personell sei der vielbeschworene Neustart im DOSB fast gelungen, kommentiert Bianka Schreiber-Rieitg. Der neue Präsident Thomas Weikert sei augenscheinlich der richtige Mann, die Probleme zu lösen. Bei der Aufarbeitung der Vorwürfe und Vorfälle seien nun jedoch alle gefordert.

Ein Kommentar von Bianka Schreiber-Rietig | 05.12.2021
Weikert spricht ernst in ein Mikrofon und gestikuliert.
ITTF-Präsident Thomas Weikert (picture alliance / Jonas Güttler/dpa)
Man mag es kaum glauben: Es gibt tatsächlich positive Nachrichten aus dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Der vielbeschworene Neustart ist zumindest in personeller Hinsicht (fast) gelungen. Im krisengebeutelten Dachverband wurde mit dem Juristen Thomas Weikert der offensichtlich richtige Mann für die anstehenden Probleme und Aufgaben gewählt: Sach- und zielorientiert, ruhig, teamorientiert. Er kommt ohne markige Sprüche aus und auch eine HB-Männchen-Explosion, wie sie seinem Vorgänger hin und wieder zu eigen war, wenn ihm etwas gegen den Strich lief, ist nicht zu erwarten.
Der Limburger hat nun den Part des internen und externen Versöhners, des Aufklärers, des Vertrauensbildenden und des Anpackers. Dafür hat er erst einmal ein Jahr Zeit. Und in diesen zwölf Monaten muss er auch mit der neuen Regierung geklärt haben, welchen Sport diese Republik will. Erst dann lassen sich Projekte zielorientiert angehen. Der erfahrene Funktionär Weikert weiß, dass die Autonomie des Sports, die er in seiner Vorstellungsrede im Umgang mit der Politik herausstellte, begrenzt ist. Trotzdem sagt er der designierten grünen Außenministerin Annalena Baerbock deutlich, was er von ihrem Boykottvorschlag der Olympischen Spiele in Peking hält: Sie solle mal die Kirche im Dorf lassen.

Für Weikert gelten Werte als Richtschnur

Aber: Mit Weikert führt nun einer den DOSB, der – so lässt er sich jedenfalls ein – nicht alles im Sport mitmachen wird, nur weil es Image und Geld bringt. Für ihn gilt: Werte im Sport als Richtschnur für eigenes Handeln. Dazu gehört auch, sich für Menschenrechte stark zu machen. Mal sehen, ob er sich mit diesem Anspruch gegen die kommerziell orientierte Sport-Welt durchsetzen kann.
Gesellschaftspolitisch war der DOSB in den letzten Jahren eher eine Randerscheinung. Das soll nun anders werden. Vielfalt des Sports – Vielfalt der Gesellschaft: Das spiegelt die Neubesetzung des Präsidiums wider: Mit der ehemaligen paralympischen Athletin Verena Bentele ist zum ersten Mal der Behindertensport im DOSB vertreten. Kerstin Holze, Vorstandsvorsitzende der Stiftung Kinderturnen, hat viele Themen im Blick, die in letzter Zeit im deutschen Sport zu kurz kamen. Und der ehemaligen Bahnradfahrerin Miriam Welte, die für die Landessportbünde antrat, muss man Zeit geben für Perspektivwechsel zwischen Spitzen- und Breitensport. Erfreulich auch, dass die Nicht-Olympischen Sportverbände vom Katzentisch an die Präsidiumstafel geholt wurden: Ihr Präsident Oliver Stegemann wird sich sicher die Butter nicht mehr vom Brot nehmen lassen.

Personalie Stephan Mayer polarisiert

Im Spiel dabei bleiben wollte Stephan Mayer. Begeisterungsstürme löste seine Wahl nicht aus. Die 257 von 427 Stimmen zeigen das. Der CSU-Mann, bis Mittwoch noch parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, dort auch zuständig für Sport, polarisiert. Nicht nur, weil er dem DOSB als gekürter Präsidentenkandidat überraschend einen Korb gab. Seine Bewerbung für ein Vize-Amt als Vorschlag der Teamsport Deutschland sorgte für Verstimmung. Nun ist er aber gewählt – und muss doch erst mal draußenbleiben: Denn nach dem Bundesministergesetz braucht er eine Freigabe der Bundesregierung. Die er noch nicht hat. Das könnte vielleicht ein hausgemachtes Problem für das neue Präsidium werden.
Öffentlich wurde über die Personalie Mayer natürlich nicht diskutiert. Wie über manches andere auch nicht. Man hält noch am Hinterzimmer-Diskurs fest. Und da fliegen dann öfters die Fetzen. Das Parlament des deutschen Sports, die Mitgliederversammlung, nahm das am Samstag hin. Die Lethargie – und die hatte in Weimar nun nichts mit dem Pandemie-bedingten Ablauf zu tun – des Plenums hält an. Es kommt nur in Bewegung, wenn es in die Kaffeepause geht. Das neue Präsidium muss es schaffen, eine Diskussionskultur in Gang zu setzen, die auch Transparenz und Vertrauen nach außen verschafft.

Bei der Aufarbeitung der Vorwürfe sind alle gefordert

Bei der Aufarbeitung der Vorwürfe und Vorfälle im Haus des Sports, die Bitternis und Verletzungen verursachten, sind nun alle gefordert – und besonders die Mitgliedsorganisationen. Versöhnen statt spalten sollte Handlungsvorgabe für alle sein. Der Vorsitzende der Ethikkommission, Thomas de Maizière, formulierte es so: "Den Ruf des DOSB zu verbessern wird dauern, braucht Geduld und das Mitwirken aller – nicht nur das Präsidiums. Wer Ansprüche an andere stellt, sollte bei sich selber anfangen." Neuanfang: Bundespräsident Roman Herzog forderte einst einen Ruck durch die Republik. Der muss nun endlich auch durch den deutschen Sport gehen.