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DOSB-Präsident Thomas Weikert
"Zuversichtlich, dass wir das Bild umkehren können"

Thomas Weikert ist neuer Präsident des DOSB. Und auf ihn wartet viel Arbeit, denn der Verband hat in den vergangenen Monaten einen erheblichen Imageschaden erlitten. Im Sportgespräch erklärt Weikert, wie er den Neustart angehen möchte und warum er gegen einen Boykott der Winterspiele in Peking ist.

Thomas Weikert im Gespräch mit Marina Schweizer |
Der neue DOSB-Präsident Thomas Weikert
Der neue DOSB-Präsident Thomas Weikert (imago/Sven Simon)
Thomas Weikert ist neuer Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Der Jurist und ehemalige Präsident des Tischtennis-Weltverbandes ITTF setzte sich am Samstag bei der Mitgliederversammlung in Weimar mit 361 von 417 gültigen Stimmen gegen seine Konkurrentin, die ehemalige Fechterin Claudia Bokel (56 Stimmen), durch.
Jetzt wartet viel Arbeit auf Weikert, denn der DOSB hat in den vergangenen Monaten ein katastrophales Bild abgeben, spätestens seit im Mai in einem anonymen Brief die Führungskultur im Verband öffentlich angeprangert wurde. Der DOSB ist schwer beschädigt. Weikert soll ihn nun aus der Krise führen.

"Das Bild war fatal"

"Wenn man sagen würde, der DOSB hat keinen Imageschaden erlitten, dann wäre man ja ganz falsch", sagte Weikert im Deutschlandfunk-Sportgespräch. "Aber es ist ja so, dass ich auf eine gute Mitarbeiterschaft bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufbauen kann. Das, was in der Öffentlichkeit ankam, ist zu Recht kritisiert worden. Und das Bild war fatal. Aber es ist nicht alles so, wie es nach außen scheint. Man muss natürlich die Vorgänge aufarbeiten und das werden wir auch tun."
Zuversichtlich stimme Weikert, dass das Präsidium nun komplett neu aufgestellt sei. "Nur frische Leute, die bisher noch nicht für den DOSB gearbeitet haben. Von daher bin ich sehr zuversichtlich, dass wir dieses Bild in den nächsten Wochen umkehren können. Wir werden die Vergangenheit aufarbeiten, werden aber auch in die Zukunft gucken, weil wir viele Aufgaben zu bearbeiten haben. Unsere Kernaufgaben sind ja, dass wir die Vereine stärken, dass Kinder sich bewegen, dass Jugendliche wieder Sport treiben können und wir auf Spitzensport achten, Peking steht vor der Tür."

"Gemeinschaft hat gesagt, wir wollen den Neuanfang"

Aus dem alten Präsidium hat es unterdessen niemand in das neue Präsidium geschafft. Weikert sieht das als Zeichen. "Wenn alle Bewerber sich gegenüber den Kollegen aus dem alten Präsidium durchsetzen, dann denke ich schon, dass auch die Gemeinschaft der Mitgliedsverbände oder Organisationen gesagt hat, wir wollen den Neuanfang. Und das wollen wir mit diesen Personen auch tun."
Weikerts erste Amtshandlung werde sein, mit dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu sprechen. Danach werde er sich Zwischenberichte aller wichtigen Vorgänge einholen, inklusive der juristischen Auseinandersetzungen. Dann gehe es um die Zielsetzung im Breiten- und Leistungssport. "Der Breitensport hatte in der Pandemie bisher nicht den Stellenwert, den er haben sollte. Die Kinder müssen sich bewegen, der Schulsport muss weitergehen. Die Vereine müssen weiter aktiv sein und darauf müssen wir einwirken. Und das ist vielleicht in der Vergangenheit zu wenig gemacht worden."

"Werden 'Safe Sport' anpacken"

Im Bereich Good Governance sieht Weikert den deutschen Sport gut aufgestellt. "Die Ehtik-Kommission ist unabhängig. Die Nationale Anti-Doping-Agentur ist sehr gut aufgestellt. Wir haben in Deutschland ein sehr gutes Testsystem. Wir werden 'Safe Sport' anpacken, das ist sehr wichtig. Das ist eine Sache, die wir schnell angehen müssen."
Bei "Safe Sport" geht es um das Thema (sexualisierte) Gewalt im Sport. Die Bundesregierung unterstützt ein unabhängiges Zentrum für "Safe Sport". Für den DOSB war ein solches Zentrum dagegen bisher nicht der Königsweg. Weikert hat in diesem Punkt nun einen Dialog angekündigt. "Ich kann nicht sagen, dass das eine Kehrtwende ist. Aber auf jeden Fall ist das Thema zentral anzupacken. Wie wir das tun, werden wir im Dialog mit der Bundesregierung besprechen."
Ob der Sport ein Problem mit Fällen von sexualisierter Gewalt hat, wisse Weikert nicht. "Ich weiß nur, dass wir zentral darauf reagieren müssen. Das müssen wir aufarbeiten, wir gucken in die Zukunft. Das ist unsere Aufgabe und das Thema werden wir auf jeden Fall schnell angehen."

Spitzensportförderung "entbürokratisieren"

Angehen will Weikert auch die Spitzensportförderung. "Ich denke, man muss mit der Bundesregierung jetzt gemeinschaftlich erörtern, wie der Leistungssport am besten zu fördern ist. Das geht aber nicht einseitig. Wir dürfen keine weitere Bürokratie aufbauen. Wir müssen die Leistungssportförderung entbürokratisieren, soweit es eben möglich ist. Da sind gute Ansätze im Koalitionsvertrag enthalten."
Das nächste große Ereignis für den DOSB sind die Olympischen Winterspiele in China im Februar. Schon jetzt wird der Sport von der politischen Diskussion, vor allem der Menschenrechtsverletzungen, in China überschattet. Weikert reise denn mit einem guten Gefühl zu den Spielen, "als dass nach meinen Informationen für die Athleten alles getan wird, dass dort gute Sportbedingungen sind. Alles andere wird der DOSB beobachten und hat auch die ganze Sache schon beobachtet. Er hat auch seine Sorge geäußert bezüglich der Athletin Peng Shuai und alles andere müssen wir uns angucken."

"Unsere Aufgabe, dass Athletinnen und Athleten sicher sind"

Es sei klar, dass es in China verschiedene Problematiken gebe. "Darauf weisen wir unsere Athletinnen und Athleten hin. Wir sprechen als DOSB mit vielen Organisationen und NGOs und lassen uns beraten. Es ist für uns erst einmal die Aufgabe, dass die Athletinnen und Athleten sicher in China sind. Und da bin ich fest überzeugt. Alles andere muss jetzt erst einmal die Politik machen." Athletinnen und Athleten könnten sich jedoch zur Situation äußern, wenn sie das wünschen, so Weikert.
Grünen-Politikern Annalena Baerbock hatte in einem "Taz"-Interview von einem Boykott der Olympischen Spiele gesprochen. Weikert antwortete daraufhin, sie solle "die Kirche im Dorf lassen". "Die Frage war, dass Annalena Baerbock 'krass' von einem Olympia-Boykott gesprochen hat. 'Krass' heißt für mich, ein sportlicher Boykott. Und das wollen die Athletinnen und Athleten nicht. Und da stelle ich mich dann als allererstes vor die Mannschaft. Die Athletinnen und Athleten wollen, dass Olympia durchgeführt wird."

WTA "mutig"

Als "mutig" hatte Weikert nach seiner Wahl unterdessen den Schritt der Frauentennis-Organisation WTA bezeichnet, aufgrund des Falls Peng Shuai alle Tennis-Turniere in China abzusagen. "Auf der anderen Seite fand ich das gut, dass der DOSB sich da sehr früh positioniert hat, Sorge geäußert hat und Klarheit gefordert hat. Wir waren dann erst einmal froh, Peng Shuai überhaupt zu sehen. Aber jetzt muss das natürlich weitergehen. Und es muss zu einem Treffen kommen mit IOC-Präsident Thomas Bach, so wie es angekündigt ist. Und danach sollte man das Ergebnis bewerten."
Im Umgang mit totalitären Systemen müsse man zweigleisig fahren, so Weikert. "Auf der einen Seite das Offensive, was die WTA betreibt. Auf der anderen Seite ist es eben so, dass die diplomatischen Kanäle genutzt werden sollen und im Hintergrund dann die Aufklärung erfolgt. Man sollte erst einmal abwarten und das Ergebnis dann später bewerten. Und das wird der DOSB dann auch sicher tun."