Dossier
70 Jahre Grundgesetz

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz feierlich verkündet. Keiner der damals Beteiligten hätte wohl damit gerechnet, dass die in ihm festgeschriebenen Normen und Werte auch 70 Jahre später noch das Fundament der deutschen Demokratie sein würden. Hintergründe, Analysen und Interviews zum 70. Jahrestag.

    Eine Ausgabe des Grundgesetzes, fotografiert am 04.11.2015 in Berlin. Versehen mit Denkfabrik-Stempel
    Eine Ausgabe des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Der Weg zum Grundgesetz
    Der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Peter Altmeier, spricht am im Hotel "Rittersturz" in Koblenz die Begrüßungsworte zur Eröffnung der Ministerpräsidentenkonferenz. Neben ihm sitzen (v.l.) der bayerische Ministerpräsident Hans Ehard, die amtierende Oberbürgermeisterin von Berlin, Louise Schröder, und der Innenminister von Rheinland-Pfalz, Jakob Steffan (verdeckt). 
    Rittersturz-Konferenz: Meilenstein für die spätere Bundesrepublik
    Im Juli 1948 tagten im Hotel Rittersturz die Ministerpräsidenten der Länder der drei westlichen Besatzungszonen. Hier wurden die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Struktur der Bundesrepublik gelegt.
    Am 10. August 1948, um 10 Uhr vormittags, eröffnete der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, Staatsminister Dr. Anton Pfeiffer, auf Schloß Herrenchiemsee die über 13 Tage anberaumte Verfassungsversammlung.
    Verfassungskonvent: Geburtsstunde der deutschen Verfassung
    Auf Schloss Herrenchiemsee kamen im August 1948 rund 30 Experten aus Justiz und Politik zusammen. Sie sollten eigentlich nur eine unverbindliche Arbeitsgrundlage für ein späteres Grundgesetz entwickeln.
    Parlamentarischer Rat 1948 bei der Konstituierenden Sitzung mit Konrad Adenauer. Rechts die Ministerpräsidenten der drei Westzonen.
    Der Parlamentarische Rat: Auf dem Weg zur wehrhaften Demokratie
    61 Männer und vier Frauen bildeten den Parlamentarischen Rat, der eine stabile demokratische Verfassung für eine westdeutsche Republik vorlegen sollte.

    Analyse
    Ein Hinrichtungsplatz in Kabul am 8. Oktober 2014
    Als die Todesstrafe abgeschafft wurde
    Sie ist umstritten und dennoch wird sie weltweit noch vollstreckt: die Todesstrafe. In der Bundesrepublik Deutschland wurde sie mit Inkrafttreten des Grundgesetzes abgeschafft - und zählt seither zu den moralischen Grundlagen des deutschen Staates.
    Der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gestikuliert am 16.12.2015 bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.
    Lammert: "Die Würde des Menschen ist antastbar"
    Der erste Satz des Grundgesetzes sei aus der leidvollen Erfahrung des Gegenteils im Zweiten Weltkrieg entstanden, so der ehemalige Bundestagspräsident Norbert Lammert. Das zeige: Staatsverfassungen ließen sich nur im historischen Kontext verstehen.
    Wissenschaftsfreiheit – eine Erfolgsgeschichte? Podium des 73. Zeitforum Wissenschaft in der BBAW am 19. März 2019 mit Andreas Sentker, Die Zeit, Nadia Al-Bagdadi, CEU, Budapest , Martin Stratmann. Max-Planck- Gesellschaft,  Anuscheh Farahat,  Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg und Uli Blumenthal, DLF (v.l.n.r.)
    Wissenschaftsfreiheit - eine Erfolgsgeschichte?
    Eingriffe in menschliches Erbgut und Entwicklung künstlicher Intelligenz – wie weit darf die im Grundgesetz verankerte Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre gehen?

    Interviews
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier blickt sich im Verfassungszimmer vom Verfassungsmuseum im Augustiner-Chorherrenstift auf der Chiemsee-Insel Herrenchiemsee (Bayern) um
    Steinmeier: "Wir müssen diese Gesellschaft wieder mit sich selbst ins Gespräch bringen"
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dazu aufgerufen, sich 70 Jahre nach der Unterzeichnung des Grundgesetzes wieder auf die demokratischen Traditionen Deutschlands zu besinnen, nicht nur auf die in Westdeutschland.

    Der Verfassungsrechtler Dieter Grimm steht in einer Bibliothek und hält sein Buch "Europa ja - aber welches?"
    Verfassungsrechtler: "Das Grundgesetz ist auf der Höhe der Zeit"
    Auch nach 70 Jahren komme man mit dem Grundgesetz "gut hin", sagte Verfassungsrechtler Dieter Grimm im Dlf. Es sei "auf der Höhe der Zeit". Das Wahlrecht und die Regeln zur Verfassungsänderung sehe er aber gern geändert.
    Die Hand eines Mannes hälte eine Ausgabe des deutschen Grundgesetzes.
    Rechtsanwalt: "Freiheitsrechte veralten nicht"
    Es sei wunderbar, dass das Grundgesetz 70 Jahre nach seiner Entstehung gefeiert werde, sagte Georg M. Oswald, Anwalt und Schriftsteller, im Dlf. Freiheitsrechte oder ein Prinzip wie die Gewaltenteilung veralteten nicht. Dennoch müssten uns mit diesen Werten immer wieder aufs Neue auseinandersetzen.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Das Wunder der verspäteten Demokratie
    Es sei ein "Wunder", dass Deutschland trotz gescheiterer Entnazifizierung zu einer gut funktionierenden Demokratie wurde, sagte der Publizist Christian Bommarius im Deutschlandfunk.
    Der Potsdamer Historiker Manfred Görtemaker, fotografiert vor einer Bücherwand
    Historiker: Grundgesetz hat sich "enorm bewährt"
    Die Basis für das Grundgesetz wurde auf dem Verfassungkonvent im August 1948 gelegt. Der dort skizzierte Entwurf habe zu einer Verfassungsstabilität geführt, die bewundernswert sei, sagte der Historiker Manfred Görtemaker im Dlf.
    Feature
    Dr. Elisabeth Selbert in einer zeitgenössischen Aufnahme. Die als "Mutter des Grundgesetzes" bezeichnete SPD-Politikerin sorgte als Mitglied im Parlamentarischen Rat für die Verankerung des Gleichberechtigungs-Grundsatzes. Elisabeth Selbert wurde am 22. September 1896 in Kassel geboren und verstarb ebenda am 9. Juni 1986. | Verwendung weltweit
    Männer und Frauen sind gleichberechtigt - Der Kampf um GG-Artikel 3, Absatz 2
    Dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen so im Grundgesetz steht, liegt auch an der Mitarbeit von Elisabeth Selbert. Sie lehnte den ursprünglichen Entwurf ab.
    Die Adenauer-Legion - Rüstungspsychologie und Demokratiedefizite
    Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Deutschen erst einmal genug vom Militär. Eine breite Mehrheit lehnte die Wiederbewaffnung ab. Mit einer geheimen, millionenschweren PR-Kampagne versuchte Konrad Adenauer, die Stimmung zu drehen.

    Gott im Grundgesetz
    Erste Tagung des Parlamentarischen Rates am Nachmittag des 1. September 1948 in Bonn: Neben den 65 stimmberechtigten Mitgliedern aus westdeutschen Ländern nahmen Vertreter Berlins mit beratender Stimme an der Sitzung teil. In der ersten Reihe von links nach rechts: Max Reimann, KPD; Walter Menzel, SPD; Carlo Schmid, SPD; Theodor Heuss, FDP; Hans-Christoph Seebohm, DP; unbekannt; Adolf Suesterhenn, CDU; Anton Pfeiffer, CDU; Konrad Adenauer, CDU
    Wie Gott in die Präambel kam
    Ob auf ein höheres Wesen Bezug genommen wird, war 1949 einer der strittigsten Punkte bei der Entstehung des Grundgessetzes. Der Verfassungsrechtler Horst Dreier erklärt, was die Formulierung "in Verantwortung vor Gott" bedeutet und warum damit kein Glaubensbekenntnis verbunden ist.
    Philipp Scheidemann steht an einem Fenster und richtet sich an eine im Bild nicht sichtbare Masse.
    Sind die Kirchen ein Staat im Staate?
    Die Kirchen dürfen laut Artikel 140 ihre Angelegenheiten selbst regeln. Das bedeute jedoch nicht, dass staatliches Recht hier nicht gelte, sagt die Juristin Antje Ungern-Sternberg.
    Die Paulskirche in Frankfurt am Main
    Theologe: "Wir haben ganz gute Verhältnisse"
    Deutschland hat mit Blick auf die im Grundgesetz, Art. 4 garantierte Religionsfreiheit "ein gutes Klima und eine sehr liberale Rechtsprechung". Dies dürfe aber "kein Anlass zur Selbstzufriedenheit sein", sagte der Theologe und Menschenrechts-Experte Heiner Bielefeldt im Dlf.
    Jesusfigur auf dem Grundgesetz
    Wie offen ist das Grundgesetz für andere Religionen?
    Die FDP-Politikerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat "unsere Verfassung" als "offen für andere Religionsgemeinschaften" bezeichnet. Sie müssten aber bestimmte Anforderungen erfüllen."
    Literatur
    Vier Hefte übereinander: das Grundgesetz als Magazin
    Das Grundgesetz als Magazin
    Zwischen Frauenzeitschriften und Autoheftchen liegt im Kioskregal ein neuer Hochglanztitel: das Grundgesetz. Der Journalist Oliver Wurm hat es als Magazin herausgebracht. Das sei politisch korrekter Patriotismus, findet Arno Orzessek in seiner Medienglosse.
    Karl-Rudolf Korte: "Gesichter der Macht"
    Was kann und darf der Bundespräsident? Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben mit dem Amt eine interessante Mischung aus Ersatzkaiser, Reservemacht und Staatsnotar geschaffen. Diese hat sich in den vergangenen siebzig Jahren vielfach bewährt, wie der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte darlegt.
    Michael F. Feldkamp: "Der Parlamentarische Rat 1948-49"
    Das Grundgesetz wird 70 Jahre alt. Der Parlamentarische Rat hatte den Entwurf in Abstimmung mit den Alliierten erarbeitet. Wie dieser Rat gearbeitet hat, zeichnet der Historiker Michael F. Feldkamp nach. Er saß als Angestellter des Bundestages dicht an den Quellen.