Sollen die Krankenkassen werdenden Müttern Tests bezahlen, mit denen ein ungeborenes Kind auf Trisomie 21, bekannt als Down-Syndrom, untersucht werden kann? Zu dieser Frage fordern mehr als einhundert Abgeordnete eine Ethikdebatte im Bundestag. Am Vormittag haben einige von ihnen ein Positionspapier vorgelegt. Ihr Ziel: das Parlament mit den ethischen und gesetzgeberischen Fragen zu befassen, die sich aus der Zulassung solcher Gentests ergeben. Sie fordern außerdem: Menschen mit Down-Syndrom müssen an der Debatte beteiligt sein. Anwesend war bei der Pressekonferenz daher Sebastian Urbanski, Schauspieler und Synchronsprecher, der Trisomie 21 hat:
"Ich bin dagegen. Weil er Menschen wie mich vor der Geburt aussortiert. Wir alle haben ein Recht auf Leben. Gehört zur Vielfalt des Lebens. Vielfalt heißt auch, dass wir alle gemeinsam leben. Behinderte und Nicht-behinderte"
"All diese Fragen haben eine gesellschaftspolitische Dimension"
Der Gemeinsame Bundesausschuss wird bald darüber entscheiden, in welchen Fällen solche Tests künftig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden könnten. Das Gremium nimmt aber nur eine medizinische Bewertung der Tests vor. Josef Hecken, der Ausschuss-Vorsitzende, hatte daher ebenfalls eine ethische Debatte gefordert. Die Sozialdemokratin Dagmar Schmid formulierte das überparteiliche Anliegen der Parlamentarier so:
"Ist uns jedes Leben am Ende gleichviel wert? Oder wollen wir Kriterien anlegen, über die wir dann diskutieren. Das eine Leben ist lebenswerter als das andere und wer entschiedet, dass das so ist. All diese Fragen werden uns beschäftigen und sie haben eine gesellschaftspolitische Dimension."
Damit sprach sie auch für die vier weiteren anwesenden Abgeordneten von FDP, CDU, den Grünen und der Linkspartei.
"Einen natürlichen Anspruch, willkommen zu sein"
Zu seiner persönlichen Motivation für den Vorstoß sagte der CDU-Abgeordnete Rudolf Henke, zugleich stellvertretender Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im Bundestag:
"Ethisch hat jeder Mensch einen natürlichen Anspruch, gewollt und willkommen zu sein. Die vom Grundgesetz als unantastbar gewährleistete Würde des Menschen kann und darf auch durch Krankheit, Behinderung oder den Bedarf an Fürsorge und Pflege nicht verloren gehen."
Seit 2012 werden Schwangeren vorgeburtliche Bluttests angeboten, die unter anderem untersuchen, ob das Kind mit einer Trisomie 21, 18 oder 13 auf die Welt kommen würde. Die Kosten von etwa 400 - 600 Euro müssen die werdenden Eltern bisher selbst tragen. Was die Menschen unternehmen, die sich das nicht leisten können: auch diese Frage nach sozialer Gerechtigkeit war Thema auf der heutigen Pressekonferenz. Corinna Rüffer, die behindertenpolitische Sprecherin der Grünen sagte:
"Was wir brauchen in der Gesellschaft und in dieser Zeit mehr denn je, ist die Wertschätzung von Vielfalt. Müssen an der inklusiven Gesellschaft arbeiten."
Ethikrat-Chef will Bluttests nicht als Regeluntersuchung
Debatten darüber seien im Bundestag in der Vergangenheit viel zu kurz gekommen. Experten schätzen, dass sich in Deutschland bei einem positiven Test-Ergebnis neun von zehn Schwangeren für eine Abtreibung entscheiden. Belastbare Zahlen gibt es nicht. Alternativ zu dem Bluttest können sich werdende Mütter auch für eine Fruchtwasseruntersuchung entscheiden, um abschätzen zu lassen, ob das Kind eines seiner Chromosomen drei- statt zweifach besitzt. Ein Eingriff, der zwar zuverlässigere Ergebnisse liefert und schon jetzt in einigen Fällen von der Krankenkasse bezahlt wird. Er ist jedoch invasiv und birgt das Risiko einer Fehlgeburt. Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, hat sich gegenüber dem Deutschlandfunk dafür ausgesprochen, dass die Blutuntersuchung auf das Down-Syndrom künftig von den gesetzlichen Krankenversicherungen bezahlt wird:
"Das heißt nicht, das wir das auf alle Schwangerschaften ausdehnen. Zahlen derzeit auch nur die invasive Pränataldiagnostik bei Risikoschwangerschaften. Aber nicht als Regeluntersuchung bei allen Schwangerschaften."
Das sei aber seine Meinung als Ethiker – und nicht die des Ethikrates.