Archiv


Dr. Faustus in zehn Teilen

Heinrich Breloer verfilmt zur Zeit die "Buddenbrooks", den Roman des jungen Thomas Mann, für den er 1929 den Literaturnobelpreis erhielt. Gleichzeitig kommt sein Alterswerk "Dr. Faustus" als Hörspiel und am 19. Oktober auch als Hörbuch heraus. Es scheint, als gäbe es eine Renaissance des Thomas Mann.

Von Frank Olbert |
    Manfred Hess, Sie sind der verantwortliche Dramaturg beim Hessischen Rundfunk und einer der drei Bearbeiter des Romans "Dr. Faustus". Gibt es denn eine Renaissance Thomas Manns?
    Ich finde es schwierig, von einer Renaissance zu sprechen, wenn verschiedene Leute aus Film und Hörspiel sich zur gleichen Zeit dem gleichen Autor widmen. Es liegt manchmal nahe, aber ich würde die Frage gern indirekt beantworten: Der Roman "Dr. Faustus" ist alles andere als populär. Er ist zwar auflagenstark, aber steht meist ungelesen in den deutschen Bücherschränken. Die Idee, ihn als Hörspiel herauszubringen, hatte ich bereits vor drei Jahren, nur müssen bei Großproduktionen dieses Ausmaßes erst einmal die Rahmenbedingungen stimmen. Und es war erst im Jahr 2006 soweit, dass sich das künstlerische Team bestehend aus dem Regisseur Leonhard Koppelmann und dem Komponisten Hermann Kretzschmar an die Arbeit machen konnte. Es war also sehr viel Vorarbiet nötig und wenn es da plötzlich Überschneidungen mit anderen Projekten gibt, nenne ich das eine glückliche Fügung oder eine glückliche Logik des Materials.
    Dann stelle ich trotzdem die Frage noch einmal anders: Was ist denn aktuell am "Dr. Faustus", welche Anforderung stellt die Bearbeitung und welche Rolle spielt die Zeit, aus der heraus er erzählt wird, also die Zeit des Nationalsozialismus?
    Erst einmal ist der Roman "Dr. Faustus" eine moderne Musiker- und Teufelsverschreibungsgeschichte, die das alte Dekadenzthema von Mann, die Genialisierung durch Krankheit, aufgreift. Als Spätwerk im Exil geschrieben verknüpft er die Idee des Rausches und der Anti-Vernunft mit dem Faschismus. Erzählt wird die Geschichte des Komponisten Adrian Leverkühn, der sich dem Teufel verschreibt und dafür mit einer Phase besonderer Kreativität belohnt wird, aus der Perspektive des Humanisten, emeritierten Lehrers und Altphilologen Serenus Zeitblom, und zwar erzählt er sie unter dem Eindruck des Vormarsches der Alliierten zwischen 1943 und 1945. Die Schilderung des Untergangs Deutschlands aus der Perspektive des inneren Emigranten Zeitblom verläuft parallel zur Lebens- und Leidensgeschichte Adrian Leverkühns, der die Geschichte Deutschlands von 1885 bis 1930 abdeckt, also vom Kaiserreich bis zur Weimarer Republik. Der Bürger und Humanist Zeitblom und der genialische Komponist Leverkühn, der mit dem Teufel paktiert, verkörpern zwei Seiten eines vielleicht typisch deutschen Hochmutes, die Welt zu verändern. Das ist das Aktuelle am Faustus, die Frage, wie weit gehe ich, um mich zum Ausdruck zu bringen, meine Ideen zu verwirklichen und wann schlägt auch dieser Weg in Barbarei um.
    Sie haben es eben schon gesagt: der "Dr. Faustus" steht im Bücherregal und nimmt da auch ziemlich viel Raum ein, der Roman ist sehr voluminös. Wie sind Sie bei derBearbeitung vorgegangen? Sie konnten ihn ja nicht eins zu eins übernehmen.
    Die Bearbeitung stand unter der Schwierigkeit, dass alles von einer Person, von Serenus Zeitblom beschrieben wird. Es finden sich kaum direkte Reden oder Szenen. Aber vieles, was er berichtet, wurde ihm von anderen Personen erzählt und diese Passagen haben wir in direkte Rede gesetzt und so einen gewissen Multiperspektivismus entwickelt, mit dem Effekt, dass im Verlauf der Hörspielfassung immer mehr andere Figuren die Lebensgeschichte Zeitblooms und somit auch die Geschichte Deutschlands erzählen. Das Buch wird so ein Stimmenspiel.
    Kommen wir noch zu einem Punkt, der in dem Roman zentral ist, nämlich zur Musik. Im Buch kann man sie nicht hören, im Hörspiel sehr wohl. Wie sind sie damit umgegangen?
    Das war ein schwieriges Moment. Hier kommt dem Komponist Hermann Kretzschmar das Verdienst zu, eine Konzeption entworfen zu haben. Die Musik in dem Hörspiel ruht auf drei Pfeilern. Zum einen gibt es Musikzitate im Roman selbst, die wir szenisch umsetzen konnten, wenn zum Beispiel Leverkühns greiser Lehrer Beethovens Opus 111 im musikkritischen Jargon Adornos vorführt. Dann gibt es die Musik, die Adrian Leverkühn komponiert. Das ist eine literarische Musik. Es ist Text und keine Kompositionsanleitung. Wir wären in Teufels Küche gekommen, wenn wir ihr gefolgt wären. Es sind Musikbeschreibungen Manns, die leitmotivisch funktionieren, literarische Beschreibungen, die Elemente wie Tod, Eros, Parodie, Teufel aufgreifen. Deshalb haben wir auf die Musik Leverkühns verzichtet. Sie bleibt stumm. Und schließlich gibt es die Hörspielmusik Kretzschmars sowohl als Emotionalisierung und Charakterisierung der Figuren und Themen des Romans, als auch als absolute Musik, eine eigenständige Reflexion Kretzschmars auf den Text, die dem Hörer eine Möglichkeit bietet, Abstand zu nehmen.
    Wir versuchen diesen Roman von Thomas Mann lebendiger zu gestalten, sodass über das Hörspiel eine Möglichkeit gefunden wird, sich dem Roman wieder neu zu nähern.
    Thomas Manns Roman "Doktor Faustus" wird noch bis zum 9. Dezember 2007 als Hörspielbearbeitung in zehn Teilen jeweils am Mittwoch um 21.30 Uhr und am Sonntag um 22 Uhr auf hr2 gesendet. Die Hörspielfassung haben der Regisseur Leonhard Koppelmann, der Komponist Hermann Kretzschmar und der Dramaturg Manfred Hess erstellt. Hanns Zischler spricht den Erzähler Serenus Zeitblom, Werner Wölbern den Musiker Adrian Leverkühn und Hans-Michael Rehberg ist als Vater Leverkühn zu hören. Als Hörbuch erscheint es im Hörverlag München.