"Ich wünsche mir, dass ich endlich Ruhe hab. Dass ich mal schlafen kann, für immer. Das wünsche ich mir von Herzen."
Frieda Felger sitzt auf einem Sessel in ihrem Wohnzimmer in Bergisch-Gladbach Die kleine, schmächtige Frau scheint in dem weißen Wollpullover, den sie trägt, fast zu versinken. Die Verknotungen an ihren Finger- und Handgelenken weisen auf eine Arthrose hin. Hinter ihr ein Röhrenfernseher, auf dem Sideboard in der Ecke steht eine grüne Vase mit vier weißen Rosen. Neben ihr, aufmerksam, vorgebeugt, sitzt der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch. Er hört der 97-Jährigen aufmerksam zu, als sie von ihren Beschwerden erzählt: Dass sie kaum noch gehen kann, sich nach wenigen Minuten stehen wieder setzen muss, ihre Beine manchmal unkontrolliert anfangen zu zittern. Und dass sie nachts schlecht schläft.
" Wie wär's denn, wenn sie ne stärkere Schlaftablette nehmen würden und die ganze Nacht durchschlafen damit? - Kann ich nicht. Ich nehm’ ja die Entwässerungstabletten."
Das Video ist vom 10. November 2008. 18 Tage später ist Frieda Felger tot. Sie nimmt sich mit einem Medikamenten-Cocktail das Leben, den Roger Kusch Ihr besorgt hat. Er war dabei, als Frieda Felger zwei Becher mit einem narkotisierenden und einem tödlichen Mittel trinkt.
"Wir vermitteln eine ärztliche Verordnung von Sterbemitteln. Das heißt, wir arbeiten mit Ärzten zusammen, die im konkreten Fall den Fall prüfen. Und dann ein Rezept ausstellen, mit tödlichen Medikamenten."
Den Verein "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe", in dem er als Einzelperson 2008 insgesamt 5 Menschen beim Suizid assistierte, den gibt es mittlerweile nicht mehr. Auch nimmt er kein Geld mehr für seine Suizidbegleitung. 2008 lag der Preis noch bei 8000 Euro.
"Habe ich im Jahr 2008 Fehler gemacht? Kann ich sagen: Ja, wenn ich jetzt das Rad der Geschichte komplett noch mal zurückdrehen würde, würde ich schon im Jahr 2008 die Sterbehilfe unkommerziell angeboten haben."
Kusch wurde damals unter anderem durch seine Idee für einen sogenannten Selbsttötungsautomaten bundesweit bekannt: Eine Vorrichtung, die per Knopfdruck aus zwei Spritzen parallel jeweils 20 Millimeter Narkotikum und Kaliumchlorid in die Vene presst und den Menschen zum Tod verhilft. In den Medien bezeichnete man ihn als "Dr. Tod" oder auch als "Lächelnde Guillotine".Doch seine marktschreierischen, medienwirksamen Auftritte – die bereut der 56-Jährige keinesfalls. Ganz im Gegenteil:
"Wie hätte man denn ein so schwieriges Thema öffentlich machen sollen? Wie hätte denn die sterbewillige 85-jährige Frau in Kempten in der Zeitung von dem Automaten lesen sollen oder von der Möglichkeit von Sterbehilfe, wenn es nicht so marktschreierisch vermarktet worden wäre?"
Er arbeitet immer noch als Anwalt in Hamburg und lebt auch noch in derselben Wohnung, in der im November 2008 acht Polizisten bei einer Razzia Unterlagen und Dateien beschlagnahmten: Gegen den Juristen wurde wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Den Verdacht des Tötens auf Verlangen konnte die Staatsanwaltschaft nicht erhärten. Das Verfahren wurde fallen gelassen. Doch die Polizei hat ihm verboten, in Hamburg Sterbehilfe anzubieten. Zwischenzeitlich wurde es etwas ruhiger um den ehemaligen Politiker. Was längst nicht bedeutet, dass sich der selbst ernannte "Missionar der organisierten Sterbehilfe" aus diesem Metier zurückgezogen hätte. Mit etwas weniger medialem Pomp hat er bereits 2010 einen Nachfolgeverein gegründet. "Sterbehilfe Deutschland e.V.", eingetragen im schleswig-holsteinischen Oststeinbek. Der Name ist anders, die "Mission" ist die gleiche:
"Wir betreuen Mitglieder bei Fragen des Lebensendes. Bei der Gestaltung des Lebensendes. Das heißt, wir unterstützen Mitglieder bei ihrem Wunsch, das Leben so zu gestalten am Ende und auch so zu beenden, wie sie es für richtig halten."
Und statt eines gewerblichen Suizidangebots können die Freitodinteressierten nun Mitglied werden und Beiträge entrichten. 250 Männer und Frauen im gesamten Bundesgebiet haben das bereits getan: Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 100 Euro pro Jahr – oder man entscheidet sich, einmalig 1000 Euro zu bezahlen für die lebenslange Mitgliedschaft. Menschen, so sagt Roger Kusch, die sich auf den Fall der Fälle bewusst vorbereiten wollen:
"Do-it-yourself Suizide sind riskant. Und möchten den Fall, dass sie einmal sterben wollen, und zwar nach eigener Planung, von einem Verein begleitet wissen. Die andere Gruppe sind die, die bereits sterbenskrank sind – oder sich sterbenskrank fühlen. Und demnächst, oder in Bälde, unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollen."
In den vergangenen zwei Jahren haben die ehrenamtlichen Helfer des Sterbehilfevereins mehr als 50 Menschen in den Freitod begleitet. Namen werden nicht genannt - weder von den Mitgliedern, von den Ärzten und Apothekern, noch von den ehrenamtlichen Helfern, mit denen der Verein zusammenarbeitet.
Ein Suizid ist nach dem deutschen Recht nicht strafbar. Deshalb kann eine Beihilfe dazu – etwa durch die Versorgung mit legal erhältlichen Arzneimitteln – es auch nicht sein. Genau das machen sich Roger Kusch und seine Gefährten zu Nutze. Doch dabei machen sie es sich nach Meinung zahlreicher Kritiker zu einfach. Denn der Verein beruft sich allein auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, auf dessen subjektives Gefühl, nicht mehr leben zu wollen. Auch dann, wenn es aus Depressionen oder anderen psychischen Störungen resultiert.
"Schmerzen sind nicht Kriterium der Sterbehilfe. Es gibt Menschen, die bekommen unsere Hilfe, ohne überhaupt irgendwelche Schmerzen zu haben. Der Tod ist dann plausibel, wenn der Mensch es für sich selbst entscheidet."
Frieda Felger sitzt auf einem Sessel in ihrem Wohnzimmer in Bergisch-Gladbach Die kleine, schmächtige Frau scheint in dem weißen Wollpullover, den sie trägt, fast zu versinken. Die Verknotungen an ihren Finger- und Handgelenken weisen auf eine Arthrose hin. Hinter ihr ein Röhrenfernseher, auf dem Sideboard in der Ecke steht eine grüne Vase mit vier weißen Rosen. Neben ihr, aufmerksam, vorgebeugt, sitzt der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch. Er hört der 97-Jährigen aufmerksam zu, als sie von ihren Beschwerden erzählt: Dass sie kaum noch gehen kann, sich nach wenigen Minuten stehen wieder setzen muss, ihre Beine manchmal unkontrolliert anfangen zu zittern. Und dass sie nachts schlecht schläft.
" Wie wär's denn, wenn sie ne stärkere Schlaftablette nehmen würden und die ganze Nacht durchschlafen damit? - Kann ich nicht. Ich nehm’ ja die Entwässerungstabletten."
Das Video ist vom 10. November 2008. 18 Tage später ist Frieda Felger tot. Sie nimmt sich mit einem Medikamenten-Cocktail das Leben, den Roger Kusch Ihr besorgt hat. Er war dabei, als Frieda Felger zwei Becher mit einem narkotisierenden und einem tödlichen Mittel trinkt.
"Wir vermitteln eine ärztliche Verordnung von Sterbemitteln. Das heißt, wir arbeiten mit Ärzten zusammen, die im konkreten Fall den Fall prüfen. Und dann ein Rezept ausstellen, mit tödlichen Medikamenten."
Den Verein "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe", in dem er als Einzelperson 2008 insgesamt 5 Menschen beim Suizid assistierte, den gibt es mittlerweile nicht mehr. Auch nimmt er kein Geld mehr für seine Suizidbegleitung. 2008 lag der Preis noch bei 8000 Euro.
"Habe ich im Jahr 2008 Fehler gemacht? Kann ich sagen: Ja, wenn ich jetzt das Rad der Geschichte komplett noch mal zurückdrehen würde, würde ich schon im Jahr 2008 die Sterbehilfe unkommerziell angeboten haben."
Kusch wurde damals unter anderem durch seine Idee für einen sogenannten Selbsttötungsautomaten bundesweit bekannt: Eine Vorrichtung, die per Knopfdruck aus zwei Spritzen parallel jeweils 20 Millimeter Narkotikum und Kaliumchlorid in die Vene presst und den Menschen zum Tod verhilft. In den Medien bezeichnete man ihn als "Dr. Tod" oder auch als "Lächelnde Guillotine".Doch seine marktschreierischen, medienwirksamen Auftritte – die bereut der 56-Jährige keinesfalls. Ganz im Gegenteil:
"Wie hätte man denn ein so schwieriges Thema öffentlich machen sollen? Wie hätte denn die sterbewillige 85-jährige Frau in Kempten in der Zeitung von dem Automaten lesen sollen oder von der Möglichkeit von Sterbehilfe, wenn es nicht so marktschreierisch vermarktet worden wäre?"
Er arbeitet immer noch als Anwalt in Hamburg und lebt auch noch in derselben Wohnung, in der im November 2008 acht Polizisten bei einer Razzia Unterlagen und Dateien beschlagnahmten: Gegen den Juristen wurde wegen des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz ermittelt. Den Verdacht des Tötens auf Verlangen konnte die Staatsanwaltschaft nicht erhärten. Das Verfahren wurde fallen gelassen. Doch die Polizei hat ihm verboten, in Hamburg Sterbehilfe anzubieten. Zwischenzeitlich wurde es etwas ruhiger um den ehemaligen Politiker. Was längst nicht bedeutet, dass sich der selbst ernannte "Missionar der organisierten Sterbehilfe" aus diesem Metier zurückgezogen hätte. Mit etwas weniger medialem Pomp hat er bereits 2010 einen Nachfolgeverein gegründet. "Sterbehilfe Deutschland e.V.", eingetragen im schleswig-holsteinischen Oststeinbek. Der Name ist anders, die "Mission" ist die gleiche:
"Wir betreuen Mitglieder bei Fragen des Lebensendes. Bei der Gestaltung des Lebensendes. Das heißt, wir unterstützen Mitglieder bei ihrem Wunsch, das Leben so zu gestalten am Ende und auch so zu beenden, wie sie es für richtig halten."
Und statt eines gewerblichen Suizidangebots können die Freitodinteressierten nun Mitglied werden und Beiträge entrichten. 250 Männer und Frauen im gesamten Bundesgebiet haben das bereits getan: Der Mitgliedsbeitrag liegt bei 100 Euro pro Jahr – oder man entscheidet sich, einmalig 1000 Euro zu bezahlen für die lebenslange Mitgliedschaft. Menschen, so sagt Roger Kusch, die sich auf den Fall der Fälle bewusst vorbereiten wollen:
"Do-it-yourself Suizide sind riskant. Und möchten den Fall, dass sie einmal sterben wollen, und zwar nach eigener Planung, von einem Verein begleitet wissen. Die andere Gruppe sind die, die bereits sterbenskrank sind – oder sich sterbenskrank fühlen. Und demnächst, oder in Bälde, unsere Hilfe in Anspruch nehmen wollen."
In den vergangenen zwei Jahren haben die ehrenamtlichen Helfer des Sterbehilfevereins mehr als 50 Menschen in den Freitod begleitet. Namen werden nicht genannt - weder von den Mitgliedern, von den Ärzten und Apothekern, noch von den ehrenamtlichen Helfern, mit denen der Verein zusammenarbeitet.
Ein Suizid ist nach dem deutschen Recht nicht strafbar. Deshalb kann eine Beihilfe dazu – etwa durch die Versorgung mit legal erhältlichen Arzneimitteln – es auch nicht sein. Genau das machen sich Roger Kusch und seine Gefährten zu Nutze. Doch dabei machen sie es sich nach Meinung zahlreicher Kritiker zu einfach. Denn der Verein beruft sich allein auf das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, auf dessen subjektives Gefühl, nicht mehr leben zu wollen. Auch dann, wenn es aus Depressionen oder anderen psychischen Störungen resultiert.
"Schmerzen sind nicht Kriterium der Sterbehilfe. Es gibt Menschen, die bekommen unsere Hilfe, ohne überhaupt irgendwelche Schmerzen zu haben. Der Tod ist dann plausibel, wenn der Mensch es für sich selbst entscheidet."