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Draghi auf der Hut

Regierungskrise in Italien, Haushaltsnotstand in den USA, Ringen um die Euro-Bankenunion: Das Umfeld für den krisengeplagten Euroraum bleibt fragil. Kein Wunder , dass sich die europäischen Währungshüter alle Optionen offen halten.

Von Ursula Welter | 02.10.2013
    Politik trifft auf Währungshüter - die Mischung ist immer heikel, in Paris zumal.
    Aber die noch junge Tradition der europäischen Notenbank will es so: Bei auswärtigen Sitzungen lädt die Staatsspitze das EZB-Direktorium ein. So konnte Präsident Hollande gestern Abend Frankreichs Wunschliste skizzieren, etwa die rasche Umsetzung der Bankenunion fordern, nochmals anmerken, dass Paris, anders als Berlin, auf gemeinschaftliche Haftung für strauchelnde Banken hofft, und dass an der Seine eine aktive Wechselkurspolitik durch die Notenbank begrüßt würde, gerade jetzt, da der starke Euro auf den Exporten lastet.

    Diese politische Wunschliste des Gastgebers schwebte ein wenig über der Szene, als Mario Draghi, nach der Ratssitzung, auf die Euro-Stärke angesprochen wurde und antwortete:

    "Sie wissen, dass der Wechselkurs nicht zu den Zielen der EZB gehört, sondern das unser Ziel Preisstabilität ist."

    Wie erwartet, wird die Politik des billigen Geldes fortgesetzt, der Leitzins bleibt mit
    0,5 Prozent auf historisch niedrigem Niveau.

    "Der Rat hat entschieden", sagte Mario Draghi, "dass die Leitzinsen für längere Zeit auf dem jetzigen oder einem niedrigeren Niveau verbleiben werden."

    Die Kreditklemme in den südeuropäischen Staaten und anziehende Geldmarktsätze im Blick, denn die könnten alle Fortschritte zunichtemachen.

    "Wir sind bereit, andere Instrumente einzusetzen, wenn nötig", betonte Draghi und wiederholte damit, was er zuletzt den Europaparlamentariern erklärt hatte: Die Europäische Zentralbank wird notfalls erneut mit längerfristigen Refinanzierungsinstrumenten Geld in die Märkte pumpen.

    Und wie bewertet die EZB die Lage in Europa, angesichts der politischen Turbulenzen in Italien, des Reformstaus in Portugal, der griechischen und der slowenischen Sorgen?

    "Derlei belastet die Fundamente der Euro-Zone nicht mehr so stark, wie das vor wenigen Jahren noch der Fall war", erklärte der EZB-Präsident. Der Spar- und Reformwille sei inzwischen stärker, die EZB habe reagiert und auch in Sachen politischer Führung der Euro-Zone gehe es voran.

    Der französischen Führung hinterließ der oberste Währungshüter Europas allerdings deutliche Hausaufgaben. Es gäbe Fortschritte beim Schuldenabbau, aber:

    "Da muss mehr geschehen und das gleiche gilt für die Strukturreformen", schrieb Draghi seinem Gastgeber ins Besucherbuch. Mit Blick auf die US-Haushaltsprobleme betonte der EZB-Chef, dies könne, sollte der Streit anhalten, für die gesamte Weltkonjunktur zum Problem werden.

    Angesichts des Streits der Regierungen in Europa um die Ausgestaltung eines Abwicklungsfonds für Banken in der künftigen Bankenunion äußerte Mario Draghi die Hoffnung, dass es bis zum Frühjahr zu einer Einigung komme. Die EZB jedenfalls werde, um ihrer künftigen Funktion als Bankenaufsicht gerecht werden zu können, dort allenfalls Beobachterstatus haben. Was die Kriterien für den anstehenden Banken-Stresstest durch die Notenbank angehe, komme es auf Strenge und auf Transparenz an. "Sonst sind wir nicht glaubwürdig", betonte Mario Draghi.