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Draghi: Wirtschaft in der Eurozone bleibt fragil

Der Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, sieht die Finanzmärkte auf einem stabilen Kurs. Vor Wirtschaftsvertretern in Berlin gab er seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich dies zukünftig auch positiv auf die Wirtschaft auswirke - was bisher noch nicht der Fall sei.

Von Thomas Otto |
    Die Wirtschaft in der EU hat die Rezession hinter sich gelassen. Bei der Stabilisierung der Eurozone habe es bedeutende Fortschritte gegeben, so EZB-Chef Draghi heute in Berlin. Das Risiko eines extremen Ereignisses im Euroraum sei gesunken. Dazu habe beigetragen, dass die EZB angekündigt hatte, Staaten unter einem Rettungsschirm mit Anleihekäufen zu unterstützen.

    "Die Eurozone ist eine Union der Stabilität. Und sie sollte eine Union bleiben, die auf Stabilität gebaut ist."

    Dieser Erfolg habe sich aber noch nicht auf die Wirtschaft ausgewirkt. Dort stecke die Erholung noch in den Kinderschuhen:

    "Diese verbesserte Situation auf den Finanzmärkten hat noch nicht zu einer breiten wirtschaftliche Erholung geführt. Die Wirtschaft bleibt fragil und die Arbeitslosigkeit ist noch viel zu hoch. Im Hinblick auf die mittelfristige Entwicklung der Inflation erwartet der EZB-Rat, dass die Leitzinsen auf bisherigem oder niedrigerem Niveau bleiben werden."

    Im Moment können sich Banken von der EZB zu einem Zins von 0,5 Prozent Geld leihen. Die Inflation ist nach Angaben der EU-Statistikbehörde Eurostat weiter gesunken. Im EU-Schnitt liegt sie im Moment bei 1,3 Prozent. Niedrigzinspolitik allein reiche aber nicht aus, so Draghi:

    "Wir müssen noch arbeiten, um das Erreichte auch in größeres Wachstum und höhere Beschäftigung zu verwandeln. Unsere wichtigste Aufgabe ist es heute, die Eurozone durch verlässlichere Politik, größere Wettbewerbsfähigkeit und solide Institutionen zu stärken."

    Eine dieser Institutionen ist eine europäische Bankenaufsicht. Ab Herbst kommenden Jahres soll die EZB diese Aufgabe übernehmen.

    "Wir brauchen einen Mechanismus, der es uns ermöglicht, marode Banken zu schließen, ohne die Finanzstabilität zu gefährden, so wie es seit langer Zeit in den USA gemacht wird. Damit wird eine schnellere Erholung von Bankenkrisen und eine stabilere Kreditversorgung für Unternehmen und Haushalte gewährleistet."

    Solch eine Bankenabwicklung sei auf Grundlage bestehender EU-Verträge machbar, betonte Draghi. Außerdem habe die Kreditvergabe der Banken an die Wirtschaft höchste Priorität.

    "Eine Hürde für die Kreditvergabe ist im Moment fehlende Transparenz bei den Bankenbilanzen. Eine europäische Aufsicht wird sich damit befassen. Wir planen, die Bilanzen der Banken, die wir beaufsichtigen, zu bewerten."

    Um eine größere Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen, forderte der Zentralbankchef von den Regierungen, die Arbeitskosten zu senken. Außerdem müssten Regierungen sich darum bemühen, bürokratische Hürden für Investitionen abzubauen.