Training der Edmonton Oilers vor wenigen Tagen in Boston. Leon Draisaitl trägt ein weißes Trikot, seine Haare sind nach der 45-minütigen Einheit klitschnass. Viele Mitspieler sind schon in der Kabine, ziehen sich um oder geben Interviews - der gebürtige Kölner hingegen bleibt noch etwas länger auf dem Eis. Dabei hätte er diese extra Schicht gar nicht nötig. Denn Draisaitl ist der Topstürmer der NHL.
Seit Wochen schon führt er die Torstatistik an - und auch in der Kategorie der Siegtreffer ist er Liga-Primus. “Ich kann dazu sagen, dass ich mich gut fühle. Dass ich, ja, eigentlich die ganze Saison sehr, sehr zufrieden bin, wie ich spiele", sagt Draisaitl nach seiner Trainingseinheit.
Aktuell sogar stärker als Topspieler McDavis
Eishockey-Analyst Bob Stauffer kennt ihn seit vielen Jahren. Er kommentiert seit 2008 die Oilers-Spiele im Radio und hatte den Deutschen 2014 in den Playoffs der kanadischen Juniorenliga erstmals gesehen. In seinen wildesten Träumen, sagt Stauffer, hätte er nicht gedacht, dass Draisaitl einmal ein so guter Torschütze werden würde.
Draisaitl stellt derzeit sogar Oilers-Kapitän Connor McDavid ein wenig in den Schatten - und der gilt als bester Eishockeyspieler der Welt. Denn Draisaitl ist “Mr. Zuverlässig” - hatte bis zum Auswärtsspiel am Dienstag in Boston in 14 Partien nacheinander jeweils mindestens ein Tor erzielt oder einen Treffer vorbereitet. Auf diese Serien legt der 29-Jährige aber gar nicht so viel Wert.
“Diese Serien, ich probier’ da nicht zu viel rein zu interpretieren. Die halten manchmal ein bisschen länger an, manchmal klappt’s überhaupt nicht. Das ist in dieser Liga einfach so, das habe ich über die Jahre gelernt. Mich würd’s natürlich freuen, wenn’s weiterläuft, aber, das Team steht natürlich im Mittelpunkt.”
Trainer: "Bester Draisaitl jemals"
Das Team wird trainiert von Kris Knobloch. Und der spricht vom derzeit wohl besten Leon Draisaitl, den er in der Hauptrunde der NHL je gesehen hat. Denn der Deutsche spiele konstant und über einen langen Zeitraum auf hohem Niveau, so Knobloch.
In der NHL ist knapp die Hälfte der Saison vorbei - und Draisaitl gilt als Kandidat für die Wahl zum MVP, also zum “wertvollsten Spieler der Saison.” Diese Auszeichnung hatte er bereits 2020 bekommen - als erster Deutscher in der stärksten Eishockeyliga der Welt.
Doch individuelle Ehrungen sind ihm nicht so wichtig. Draisaitl will endlich Meister werden. Und im Juni war er mit den Oilers nah dran am Titel, verlor das entscheidende siebte Spiel der Finalserie gegen die Florida Panthers jedoch 1:2. “Das wird für immer auf ‘ne gewisse Art und Weise präsent bleiben. Viel knapper kann man eigentlich nicht am Stanley Cup sein. Man hat Momente, wo man viel drüber nachdenkt - wenn man im Bett liegt, alleine. Tut weh, immer noch”, sagt Draisaitl.
Draisaitl: "Können jeden schlagen"
Gegen diesen Schmerz hilft nur neuer Anlauf. Edmonton ist zwar mit drei Niederlagen nacheinander in die Saison gestartet, hat sich mittlerweile aber in der Spitzengruppe der Liga etabliert. Draisaitl’s Zwischenfazit fällt dementsprechend aus:
“Ich glaub’, dass wir schlecht in die Saison gekommen sind, nicht wirklich unser Spiel gefunden haben, aber jetzt, die letzten Monate echt unseren Weg son bisschen gefunden haben - uns als Mannschaft auch gefunden haben. Wir spielen jetzt seit einigen Monaten kontinuierlich eigentlich sehr, sehr gutes Eishockey.
Ich weiß nicht, ob wir der Topfavorit sind. Ich glaub’, dass das enorm schwer in dieser Liga ist, auszurechnen. Aber, ich würd’ uns mit Sicherheit oben mit reinpacken und sagen, dass wir jede Mannschaft in einer best-of-sieben-Serie schlagen können.”
Ich weiß nicht, ob wir der Topfavorit sind. Ich glaub’, dass das enorm schwer in dieser Liga ist, auszurechnen. Aber, ich würd’ uns mit Sicherheit oben mit reinpacken und sagen, dass wir jede Mannschaft in einer best-of-sieben-Serie schlagen können.”
Auch, weil Edmonton eben Leon Draisaitl hat - den derzeit besten Stürmer der NHL.