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"Dreamaholic" - Kunst aus Finnland
Mehr als Melancholie und Aki Kaurismäki

Einen Einblick in die aktuelle finnische Kunstszene gibt die Ausstellung "Dreamaholic" im Bremer Weserburg Museum. Die Werke stammen aus der Miettinen Collection und zeigen die ganze Vielfalt finnischer Kunst, von Pop Art bis Postmoderne, von poetischen Inventionen bis hin zu sarkastischer Ironisierung der Realität.

Von Rainer Berthold Schossig |
    Eine Mitarbeiterin des Museums Weserburg steht in Bremen in der Ausstellung "Dreamaholic - Kunst aus Finnland" vor einem Bild von Kirsi Mikkola (Ohne Titel). Die Ausstellung gibt Einblicke in die aktuelle finnische Kunstszene und ist vom 4. Februar bis zum 27. August 2017 zu sehen. ACHTUNG: Verwendung nur zur Berichterstattung über die Ausstellung «Dreamaholic - Kunst aus Finnland» Foto: Carmen Jaspersen/dpa | Verwendung weltweit
    Die Ausstellung "Dreamaholic - Kunst aus Finnland" im Museum Weserburg in Bremen. (dpa / Carmen Jaspersen)
    Finnland liegt weit im Nordosten, hinterm grauen Baltischen Meer. Wir neigen dazu, alles was von dort kommt, durch einen Schleier von Melancholie und Kälte, Mitternachtssonne und mückenumschwärmter Einsamkeit zu betrachten, allenfalls noch versehen mit einem Schuss schwarzen Humors aus den Filmen von Aki Kaurismäki. Doch diese Schau belehrt uns eines besseren. Der finnische Unternehmer und Sammler Timo Miettinen erhebt Einspruch:
    "Auch finnische Kunst ist heute sehr international und ich höre oft sagen: Aki Kaurismäki-Filme sind sehr wichtig. Das sind sie auch, aber das ist etwas einseitig. Wir haben auch geometrische und funktionalistische Kunst, politische Kunst, wir haben wunderbare Malerei!"
    Farben und Fröhlichkeit, die Finnland repräsentiert
    Und die Malerei steht im Mittelpunkt der Bremer Auswahl aus der opulenten Miettinen Collection. Überraschend starkfarbige Werke, expressive Figurationen und Landschaften, aber auch hintersinnig-surreale Kompositionen und abstrahierender Eigensinn reizen das Auge, kippen Vorurteile und geben Einblicke in die Alltagswelt der Finnen. Zugleich wird viel geträumt, worauf der Titel "Dreamaholic" = Traumsüchtig anspielt:
    "Mit dieser Ausstellung 'Dreamaholic' möchte ich diese etwas einseitige Vision, Gedanke an Finnland, möchte ich davon Abstand nehmen und die Farben und die Fröhlichkeit, was Finnland repräsentiert, hervorheben."
    Das Museum Weserburg in Bremen.
    Das Museum Weserburg in Bremen. (dpa / picture alliance / Ingo Wagner)
    Zur Vielfalt der finnischen Gegenwartskunst, die sowohl eigenständig als auch eng international vernetzt ist, gehört auch die Fotografie. Sie bildet - neben freier Skulptur - einen besonderen Höhepunkt der Bremer Schau. Da ist die Documenta-Künstlerin Eija-Liisa Ahtila mit einer großformatigen Fotoserie: Außen- und Innenräume, Inszeniertes und Vermutetes, schweigende Introspektion und heimlich Geflüstertes mischen sich zu einem Tableau menschlicher Emotionen zwischen scheinbar unberührter Natur und lärmender Zivilisation. Die Fotografin Noora Geagea hat eine Demonstration beobachtet, wo ein androgyner Weißclown - mit roter Nase, gelbem Friesennerz und schwarzer Fliege - auf einen berittenen Polizisten trifft, friedlich - freilich im Schatten staatlicher Fürsorge. Der zivile Ungehorsam der Finnen ist sprichwörtlich, aber natürlich träumen sie auch von handgreiflicher Sexualität. Gut, dass der schwule Matrosenzeichner Tom of Finland mit von der Partie ist. Kurator Ingo Clauß umreißt das Spektrum:
    "Wir haben natürlich auch Tom of Finland mit seinen homoerotischen Zeichnungen, aber er wird konfrontiert mit Jüngeren, wie Aurora Reinhard, die auch über Machtstrukturen, über Feminismus und Gender in unseren heutigen Gesellschaften reflektiert, und da gibt es ganz spannungsreiche Beziehungen unter den Positionen."
    Ein Glücksfall internationaler Kunstbegegnung
    Die Spannbreite finnischer Gegenwartskunst reicht von der Pop Art bis zur Postmoderne, von poetischen Inventionen bis hin zu rabenschwarzer, sarkastischer Ironisierung der Realität. Bei alldem aber stechen Präzision und hohe handwerkliche Qualität ins Auge:
    "Eine gewisse Ernsthaftigkeit in der Ausführung aber auch in dem konzeptionellen Herangehen. Das gilt natürlich nicht für alle, es gibt immer wieder Positionen, die ausscheren, aber das ist etwas, darauf könnte man sich durchaus einigen."
    Die Bremer Auswahl aus der hierzulande noch völlig unbekannten Miettinen Collection ist ein Glücksfall internationaler Kunstbegegnung. Und von dem Kunstscout Timo Miettinen ist sicher noch die eine oder andere Überraschung zu erwarten.