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Drei Gifte werfen einen langen Schatten

Biologie. - Wenn gelegentlich vor dem Verzehr bestimmter Feigen oder Pistazien etwa aus dem Nahen Osten gewarnt wird, dann wird der Verbraucher auf ''Mykotoxine'' aufmerksam. Diese natürlichen Giftstoffe werden von Schimmelpilzen gebildet, wenn diese bei feuchter Lagerung der Lebensmittel nach der Ernte ideale Lebensbedingungen vorfinden. Doch auch in Kaffee, Kakao und Fruchtsäften oder auch in Mais und diversen Getreideprodukten finden sich Spuren von Mykotoxinen. Zwar gelten manche der Stoffe als gesundheitsschädlich, doch nur für wenige wurden in der EU zulässige Höchstmengen geregelt. Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Mykotoxin-Forschung, die noch bis morgen in Giessen tagt, nahmen sich die Forscher der wachsenden Liste kritischer Schimmelpilz-Gifte an.

    Von Volker Mrasek

    Für die Wissenschaft bleibt noch viel zu tun auf dem Gebiet der Mykotoxine. Dass Feld-Pilze eine ganze Reihe verschiedener Giftstoffe fabrizieren und sie in befallenen Getreide-Ähren deponieren, ist hinlänglich bekannt. Es gibt auch bereits gesetzliche Höchstwerte für einige dieser Natursubstanzen. Doch die Palette kritischer Pilz-Gifte im Weizen-, Roggen oder Hafer-Korn ist noch längst nicht komplett, im Gegenteil: Sie wird länger und länger. Auf der Giessener Fachtagung der Gesellschaft für Mykotoxinforschung ist jetzt auch die Rede von Citrinin, Nivalenol und einer Substanz namens Ochratoxin C in Getreide, alle produziert von verschiedenen Mikro-Pilzarten in unseren Agrar-Kulturen. Die Namen der drei Stoffe muss man sich als Laie nicht unbedingt merken. Doch interessant zu wissen ist, dass das Trio bisher nicht als bedenklich gilt. Tatsächlich aber ist Getreide häufiger damit belastet als vermutet. Der Biochemiker Frank Ellner von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft sieht darin ...

    ... ein Signal dafür, dass man die Untersuchungen nicht nur auf bestimmte zwei oder drei typische Toxine fokussieren soll, sondern dass man auch sehen muss, dass man also ein breites Spektrum untersucht, wenn man die Belastung wirklich nachweisen will.

    Ellners Arbeitsgruppe untersucht seit Jahren, wie viel Mykotoxine zum Beispiel in Winterweizen vorkommen. Zur Überraschung der Forscher stellte sich dabei heraus: Das Korn ist zunehmend mit Nivalenol belastet, einem Giftstoff, von dem angenommen wurde, dass ihn hiesige Getreide-Schädlinge nur in vernachlässigbarer Menge produzieren. Stattdessen muss Ellner nun feststellen:

    Nivalenol-Bildner sind auch in unserem Gebiet, wenn wir das mal salopp sagen wollen, auf dem Vormarsch.

    Hessische Lebensmittelchemiker fanden Spuren des Pilzgiftes inzwischen auch in Getreide-Mehlen. Nivalenol gilt als Zellgift. Laut Ellner muss es genauso kritisch gesehen werden wie andere, heute schon geregelte Mykotoxine. Der Biochemiker wünscht sich deshalb, ...

    ...dass man bei den Untersuchungen zum Vorkommen von Toxinen dieses Nivalenol doch zumindest mit begleitend untersuchen soll.

    Auch Ute Meister plädiert für eine Ausweitung der Routine-Überwachung. Die Chemikerin arbeitet am Institut für Getreideverarbeitung in Rehbrücke bei Potsdam. Dort hat sie ein neues Nachweisverfahren ausgetüftelt. Und zwar für Citrinin - noch so ein bisher vernachlässigtes Pilzgift. Es gilt als nierenschädigend und löste im Tierversuch sogar Krebs aus. Mit ihrer Methode konnte Meister das Citrinin in Lebensmitteln nachweisen, so etwa in Getreide-Kleie, aber auch in Rosinen und Kakaoschalen. Die Forscherin will nicht ausschließen:

    Wenn man beim Citrinin eine zuverlässige Methode hat, dass man es plötzlich auch überall findet. Also, was man nicht untersucht hat, davon kann man nicht behaupten, dass es nicht drin ist. Je feiner die Untersuchungsmethoden werden, desto, ja, schneller kann sich das Bild wandeln, das man bis jetzt hat. Das kann sich also ganz schnell verschieben.

    In ein anderes Licht rücken Forscher schließlich auch ein drittes Schimmelpilz-Gift. Sein Name: Ochratoxin C. In welchen Lebensmitteln es vorkommt, ist bis heute nicht systematisch untersucht. Gefunden wurde der Stoff vereinzelt in Traubensäften und Wein. Allerdings hielt man ihn immer für einen unbedeutenden Begleiter anderer Mykotoxine, die Mengen waren gering. In Giessen wurde jetzt aber berichtet, dass Ochratoxin C das Immunsystem weitaus stärker beeinträchtigen kann als bisher bekannt - stärker noch als andere Pilzgifte. Das jedenfalls hat eine Studie in Jena ergeben, an der Bundesforschungsanstalt für Virus-Krankheiten der Tiere. Die drei Fälle zeigen: Die Liste gesundheitsbedenklicher Mykotoxine in Futter- und Lebensmitteln ist noch immer unvollständig, weitere Forschungsarbeit notwendig. Das sehen viele Mykotoxin-Experten so. Andererseits wollen sie dem Verbraucher nicht den Appetit verderben auf Getreideprodukte, Fruchtsäfte, Bier und Wein. So rät auch der Ernährungsexperte Wilfried Drochner von der Universität Stuttgart-Hohenheim zur Besonnenheit:

    Also, es wäre falsch, jetzt der Bevölkerung Ängste zu machen. Andererseits müssen wir dazu kommen, dass wir auch solche Stoffe, die in ihrer Toxizität nicht dramatisch sind - dass wir sie zurückdrücken in der Nahrungskette.