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Drei Jahre BER-Untersuchungsausschuss
Aufarbeiten eines teuren Debakels

Im Juni 2012 sollte der internationale Großflughafen für Berlin und Brandenburg, kurz BER, eröffnet werden. Dazu kam es bekanntlich nicht. Das Berliner Abgeordnetenhaus beauftragte einen Untersuchungsausschuss: Und der ist nach mehr als 1.000 Aktenordnern und 50 Zeugen noch nicht fertig mit den Ermittlungen.

Von Wolf-Sören Treusch | 15.10.2015
    Baustelle Flughafen Berlin Brandenburg (BER) Willy Brandt.
    Baustelle Flughafen Berlin Brandenburg (BER) Willy Brandt. (dpa / picture-alliance / Ulrich Baumgarten)
    - "Ja, das sind unsere Akten hier."
    - "Wie viele?"
    - "Keine Ahnung. Wir zählen die nicht, wir arbeiten die durch. Da geht es nicht darum, wie viele das sind, sondern darum, was da drin steht."
    Martin Delius von der Piratenfraktion ist der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses. Drei Jahre lang haben er und die anderen Ausschussmitglieder weit mehr als 1.000 Aktenordner gesichtet. Zeit, eine vorläufige Bilanz zu ziehen.
    "Kollektive Verantwortungslosigkeit, strukturelle Schwäche der Flughafengesellschaft, kein Controlling, keine Nachsteuerung, das gegen die Wand fahren lassen, das sprichwörtliche, was jeden einzelnen Bereich der Baustelle angeht: Das war der Grund, warum das mit dem BER nicht funktioniert hat."
    Das steht nicht nur zwischen den Aktendeckeln, das haben auch die Vernehmungen von bisher mehr als 50 Zeugen erbracht. Es ist ein hartes Stück Arbeit, Licht ins Dunkel des Flughafen-Desasters zu bringen.
    "Wir wissen aus öffentlichen Aussagen, dass die Geschäftsleitung an den Controllingberichten, die eigentlich unabhängig sein sollten, herum geschrieben hat. Wir haben, und das ist halt auch Aufarbeitung dieses Aktenberges, Beweise dafür gefunden, dass die Geschäftsleitung dies ohne Begründung per Befehl an die Controller getan hat."
    Geschäftsführung hat wissentlich falsch informiert
    Im Klartext heißt das: Die damalige Geschäftsführung der Flughafengesellschaft, Manfred Körtgen und Rainer Schwarz, beide längst entlassen, haben den Aufsichtsrat über die äußerst schwierige Situation der Bauarbeiten kurz vor dem geplanten Eröffnungstermin im Juni 2012 wissentlich falsch informiert.
    Andreas Otto von Bündnis 90/Die Grünen nennt einen zweiten Grund für das BER-Debakel:
    "Man hat im laufenden Bauprozess Veränderungen vorgenommen. Stellen Sie sich vor: Die Wand steht halb und dann kommt jemand und sagt, die muss jetzt woanders hin. Hat dadurch eben ein enormes Maß an Mehrkosten, an Mehraufwand und an Zeitverlust selber mutwillig generiert, und das geht eben nicht."
    Dafür sei nicht nur die Geschäftsführung verantwortlich gewesen, sondern auch der Aufsichtsrat. Der dann, nächster Fehler, nach dem Scheitern des Eröffnungstermins im Juni 2012 den Generalplaner rausschmiss. Was zu wenigstens einem Jahr Stillstand auf der Baustelle führte:
    "Da kommt man relativ schnell darauf, dass der langjährige Vorsitzende des Aufsichtsrates, Klaus Wowereit, maßgeblich Verantwortung trägt für den Misserfolg des BER. Der Aufsichtsrat hat sich überhaupt nicht gekümmert darum, wie diese Organisation Flughafengesellschaft aufzubauen ist, mit welchen Kapazitäten. Und was die eigentlich machen soll."
    Auch Aufsichtsrat ist in der Kritik
    Wie auch immer der Untersuchungsausschuss in seinem Abschlussbericht die Rolle Klaus Wowereits bewerten wird. Auch Vertreter der Regierungskoalition geben zu: Da ist etwas schief gelaufen in der Arbeit des Aufsichtsrates. Der CDU-Obmann im Ausschuss, Stefan Evers:
    "Ich muss in Kauf nehmen – und das finde ich auch richtig so – dass wenn ich ein Projekt habe, dass von drei öffentlichen Eigentümern: dem Land Berlin, Brandenburg und dem Bund gemeinsam getragen wird, auch Politiker diese Verantwortung übernehmen. Das ist völlig in Ordnung, aber sie müssen sich umgeben im Aufsichtsrat und nicht nur in ihren Mitarbeiterstäben mit Menschen, die etwas vom Bauen verstehen. Und das waren doch recht wenige."
    Eine weitere Erkenntnis nach drei Jahren Aufklärungsarbeit: Öffentliche Großprojekte wie der Bau eines Flughafens sind quasi dazu verdammt, den vorgegebenen Zeit- und Kostenrahmen zu sprengen. Das ist vor allem den haushalts- und vergaberechtlichen Vorschriften geschuldet. Die Koalition jedenfalls ist überzeugt: Den einen Schuldigen für das Debakel wird man nicht benennen können. Deshalb fordert sie, die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu beenden. Stefan Evers, CDU, und Ole Kreins, SPD:
    - Evers: "Mein Anspruch ist es nicht, bis zur letzten Schraube zu klären, was in diesem Flughafen im Argen liegt. Ob das die Deckenventilatoren sind oder abzureißende Wände, Lichtschalter, die nicht funktionieren, Klospülungen, die täglich gedrückt werden müssen, damit es nicht zu stinken beginnt am Flughafen. Mein Anspruch ist es, dass wir die strukturellen Ursachen dieser Probleme aufarbeiten. Und das haben wir getan."
    - Kreins: "Wir sind so weit als SPD, dass wir sagen können, wir können schon Dinge aufschreiben, an die Öffentlichkeit bringen und thematisieren, was unsere Ergebnisse aus der Untersuchung sind. Und nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag zu bohren und zu popeln."
    Delius: "Die Koalition erzählt Quatsch, wenn sie behauptet, sie könnte jetzt den Untersuchungsausschuss beenden und den Abschlussbericht fertigmachen."
    Meint hingegen der Ausschussvorsitzende Martin Delius von den Piraten. Vor Sommer 2016, sagt er, ist mit dem Abschlussbericht nicht zu rechnen. Gerade zum Thema Kostenentwicklung habe man noch viel zu wenige Zeugen gehört. 2,4 Milliarden Euro sollte der Bau des Flughafens ursprünglich kosten. Inzwischen liegen die Schätzungen bei wenigstens 5,4 Milliarden, Tendenz steigend.