Markus Ulbig ist in einen Container gezogen. Vorübergehend - für seinen Wahlkampf um den Oberbürgermeister-Posten. Er nutzt ihn als mobiles Bürgerbüro und wird damit durch alle Ortsteile ziehen. Die Inneneinrichtung ist noch etwas karg, der Kandidat sitzt an einem fast leeren Tisch. Kalte Vorfrühlingsluft strömt durch die offene Tür. Der Stadtteil Neustadt ist Ulbigs erste Station. Es ist ein alternatives Wohnviertel. Und vor der sogenannten Dialogbox haben sich einige junge Leute aus der linken Szene versammelt und Fragen an den sächsischen Innenminister mitgebracht:
Als Innenminister sei er verantwortlich für Dinge in der Asylpolitik, die derzeit falsch laufen, sagt die junge Frau. Einer hält ein Schild in der Hand. "Refugees welcome" - Flüchtlinge willkommen, ist darauf zu lesen. Schnell sind sie mittendrin - in der Debatte über die Situation von Flüchtlingen in Dresden, in der Debatte über Pegida. Egal, wo der CDU-Politiker Markus Ulbig in diesen Tagen in Dresden spricht, um dieses Thema kommt er nicht herum.
"Das ist zumindest ein Thema, welches derzeit in Dresden auch bei den allermeisten Gesprächen, die wir führen, in irgendeiner Form eine Rolle spielt."
Neben Unterstützern für Pegida kommen auch Kritiker wie die jungen Leute aus der Neustadt zu ihm. Dabei erlebt er, wie er sagt, die ganze Bandbreite von Zustimmung bis Kritik. Ulbig sagt auch, dass einige Aussagen der Pegida indiskutabel seien. Als sächsischer Innenminister hat er jedoch einen widersprüchlichen Kurs gegenüber den Islamkritikern verfolgt. Nannte er sie zu Beginn noch "Rattenfänger", so traf er sich später mit der Pegida-Spitze zu geheimen Gesprächen. Diese Treffen unter anderem mit Ex-Organisatorin Kathrin Oertel und später mit Pegida-Sympathisanten bringen Ulbig viel Kritik ein. Er fische bei den, Zitat, "Ausländerfeinden" nach Wählerstimmen, so ein Vorwurf. Auch am Wahlkampfstand in der Neustadt sind die Besucher der Meinung, dass der OB-Kandidat nicht zu enge Kontakte mit der Pegida pflegen sollte.
"Ich kann nur ein klares Nein sagen. Das sind Rassisten und Nazis. Das ist nicht demokratisch, mit denen sollte man nicht sprechen. Man sollte eher mit Flüchtlingen sprechen, mit denen, die unter dem Rassismus leiden."
Oberbürgermeisterwahl im Juni
Gewählt wird am 7. Juni; falls ein zweiter Wahlgang nötig ist, findet der am 5. Juli statt. Die bisherige Oberbürgermeisterin Helma Orosz war Ende Februar aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Die Wahl ihres Nachfolgers ist über die Stadtgrenzen hinaus spannend, nicht nur weil mit Markus Ulbig und Eva-Maria Stange zwei Landesminister gegeneinander antreten. Beide kommen im Wahlkampf nicht um das Thema Pegida herum. Die Wissenschaftsministerin der SPD tritt für ein rot-rot-grünes Parteienbündnis an, das auch im Stadtrat die Mehrheit stellt.
"Wie werden wir mit dem Asylthema umgehen? Ich merke das heute schon in vielen Diskussionen, dass da kritischer und nachdrücklicher gefragt wird und da werden wir Antworten geben müssen. Der eine Teil, der sich heute unter dem Namen Herrn Bachmann und dem Verein Pegida wiederfindet, das ist für mich ein klar ausländerfeindlicher und nicht auf Integration setzender Teil. Da habe ich auch klare Worte: Das ist für mich kein Zeichen für Dresden, das ist auch kein akzeptables Verhalten."
Mit den Mitläufern dagegen will auch sie das Gespräch suchen. Bis zum 11. Mai können Kandidaten nominiert werden. Zu den zehn Interessenten, die bislang ihren Hut in den Ring warfen, könnten also noch weitere hinzukommen.
Zum Beispiel einer, der von der rechtspopulistischen Pegida unterstützt wird.
"Der 23. oder der 30.3., an diesem Tag werden wir eine Großveranstaltung mit prominenten Gästen haben. Und dort werden wir auch unseren OB-Kandidaten vorstellen", kündigte Pegida-Organisator Lutz Bachmann an diesem Montag vor 6.500 Teilnehmern an. Wie werden diese Demonstrationen den Wahlkampf prägen? Werden sie die Oberbürgermeisterwahl entscheiden? Wer profitiert von der aufgeheizten Stimmung in der Stadt? Frank Richter, Direktor der Landeszentrale für politische Bildung, beobachtet das Geschehen in Dresden seit Wochen genau. Er hat zahllose Diskussionsveranstaltungen moderiert:
"Viele Menschen sind in Dresden politisiert. Pegida stellt bestimmte Fragen, und diese Fragen werden von allen Kandidaten in irgendeiner Weise beantwortet werden müssen. Politisierungen wirken sich in aller Regel positiv auf die Wahlbeteiligung aus. Mehr Menschen diskutieren über Politisches und finden dann auch ein eigenes Urteil."
Und doch kommt Richter zu einem nachdenklichen Fazit:
"Die Stadt ist aber auch in irgendeiner Weise innerlich zerrissen, also irgendwie hat die Stadt auch Schaden genommen an ihrer Seele."
Angespannte Stimmung in Dresden
Denn die Stimmung in Dresden ist seit Monaten angespannt: Familien und Freundeskreise zerstreiten sich über Pegida. Auch Kommunalpolitiker ringen noch immer um den richtigen Umgang. Peter Stawowy, Publizist und Social-Media-Experte aus Dresden, betreibt den Blog dresdenwaehlt.de. Er denkt, dass vor allem der zweite Wahlgang spannend werden könnte, wenn die Stimmen im konservativen Lager neu verteilt werden.
"Je näher die Wahl rückt, also ein größeres Thema wird: Wer positioniert sich wie, wer versucht, da Wählerstimmen abzugreifen, wer geht auf Konfrontation?"
Auch wenn die zuletzt 6.000 Pegida-Demonstranten unter den gut 400.000 Wahlberechtigten rein zahlenmäßig die Wahl nicht entscheiden können, beherrschen sie mit ihren Forderungen zum Beispiel in der Asylpolitik seit Wochen die politische Debatte in der Landeshauptstadt. Wie hältst du es mit Pegida? Das wird die Gretchenfrage im Wahlkampf. Nicht nur Markus Ulbig muss darauf eine überzeugende Antwort finden. Und an deren Klarheit muss er noch arbeiten.
Anm. d. Red.: Irrtümlich war an dieser Stelle zunächst eine Rohfassung des Manuskripts eingestellt, die ein falsches Wahldatum enthielt. Der Fehler wurde korrigiert.