Die Polizei in Dresden musste in den vergangenen Wochen viel Kritik einstecken: Warum wurde der deutsch-türkische Redner Akif Pirincci nicht bei seiner Rede anlässlich des einjährigen Bestehens der Pegida-Kundgebungen gestoppt? Warum nicht Pegida-Chef Lutz Bachmann in dieser Woche? Beide hatten mit NS-Anspielungen provoziert. Gegen beide wird deshalb ermittelt. Weder Pirincci noch Bachmann waren aber von der Polizei unterbrochen worden.
Für René Jahn, bis Anfang dieses Jahres Pegida-Mitorganisator, steht fest: Die Polizei, die die seit gut einem Jahr in Dresden stattfindenden Kundgebungen begleitet, "ist der Sache doch zugetan". Das sagte er in der DLF-Diskussionssendung "Länderzeit" zum Thema "Pegida - nur noch Hass statt Dialog". "Weit über die Hälfte der Polizei ist auf unserer Seite", so Jahn, er sage bewusst nicht "Pegida-Seite, sondern auf Seite der Bürger, die berechtige Ängst habe". Zu seiner aktiven Zeit in dem Bündnis habe er eine "super Zusammenarbeit" mit Ordnungsamt und Polizei der Stadt erlebt.
Umarmt die Polizei Pegida? Die Polizei selbst weist den Vorwurf kategorisch zurück: "Uns als Polizei(beamte) wurde per Verfassung die Neutralitätspflicht ins Stammbuch geschrieben. Diese Pflicht nehmen wir sehr ernst. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren - von niemanden!", antwortet Dresdens Polizeisprecher Thomas Geithner auf unsere Anfrage. Zuschriften an die Redaktion, die das anders sehen, widerspricht in der Deutschlandfunk-Länderzeit auch Christian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag. Eine "Politisierung und Sympathisierung" der Polizei schließe er aus, so Hartmann.
SPD: Pegida ist Symptom eines tiefer liegenden Problemes
Andere Landespolitiker kommen zu einem weniger klaren Ergebnis. "Natürlich gibt es auch Polizisten, die Einstellungen von Pegida teilen", sagt Albrecht Pallas. Pallas ist selbst Polizeibeamter, zu Beginn in der Bereitschaft, später bei der Kriminalinspektion in Dresden. Seit vergangenem Jahr ist er freigestellt. Der 35-Jährige zog für die SPD in den sächsischen Landtag ein, ist dort seitdem innenpolitischer Sprecher der Fraktion. Kurze Zeit nach der Landtagswahl fand die erste Pegida-Kundgebung statt. "Ein Kanal, über den ganz viele Menschen ihre verschiedene Ablehnung gegenüber der Politik und Parteien zeigen konnten." So nahm Pallas die Bewegung zunächst wahr. Zwar seien auch schon damals stadtbekannte Rechte dabei gewesen, "deutlich radikalisiert" habe sich Pegida aber erst nach der Spaltung in diesem Januar, so Pallas, der seitdem gegen das negative Image seiner Stadt kämpft:
Pegida sei dennoch nicht das Problem, sondern das "Symptom eines tiefer liegenden Problemes", findet Pallas: Hier komme eine "relevante Gruppe ehemaliger DDR-Bürger zusammen, die nicht in der Demokratie angekommen ist". Das betreffe natürlich auch Polizisten als "Teil der Gesellschaft". Aber mehr als die Hälfte? Nein, sagt Pallas. Jahns Einschätzung entspringe dem "selbstreferenziellen Kosmos", in dem sich Pegida bewege.
Aber hätte die Polizei nicht bei den Reden Pirinccis und Bachmanns jüngst einschreiten müssen? Auch hier sagt der Politiker, der noch immer selbst Polizeibeamter ist: Nein. Wenn überhaupt wäre die Versammlungsbehörde der Stadt hierfür zuständig gewesen. Doch auch die habe abwägen müssen - und sich gegen die schwerwiegenden Folgen eines Abbruchs entschieden, wie einen möglichen Aufruhr. "Ich kann verstehen, dass man nicht sehendes Auge in eine Situation kommen wollte, die man nicht beherrschen konnte."
Grüne und Linke: Polizei ist Querschnitt der Gesellschaft
Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Vorsitzender der Grünen im Sächsischen Landtag, erklärt auf unsere Anfrage: "Die Polizeibediensteten stellen natürlich einen Querschnitt der Gesellschaft dar. Wir können also davon ausgehen, dass auch unter ihnen eine entsprechende Anzahl von Sympathisanten von Pegida sind." Es gebe allerdings "auch Vorhaltungen des vertraulichen Umgangs von Polizei und Pegida bei Demonstrationen, für die ich aber keine Belege kenne". Zudem verweist Lippmann darauf, dass in jüngster Zeit die Weitergabe von internen Informationen an Pegida-Chef Bachmann bekannt geworden sind. "Polizisten, die dies tun, sind Pegida offensichtlich mehr als 'zugetan'." Allerdings verbiete sich eine Verallgemeinerung auf "die Polizei".
Auch die Linkspartei spricht vom Querschnitt der Gesellschaft - macht aber vor allem die Landesregierung für ein "hohes Frustrationspotenzial und auch die Gefahr für fehlerhafte Handlungen im Dienst" verantwortlich. Die sächsische Beamten kämen "aufgrund der vielen und komplexen Einsatzlagen und des allgemein harten Personalabbaus in fast allen Ländern und beim Bund kaum aus den Stiefeln", sagte Enrico Stange dem Deutschlandfunk. Er ist seit 2009 Mitglied des Sächsischen Landtags. "Auch wenn gerade die durch Sparpolitik oft gebeutelten Gesetzeshüter mit Recht vor allem auf die Politik sauer sein dürften, so sind Haltungen, wie sie die Galgennachbildungen dokumentieren, dem Auftrag, dem Amtseid, der Neutralitätsverpflichtung und dem grundsätzlichen Dienstverständnis und Arbeitsethos diametral entgegengesetzt." Für eine ordnungsgemäße Dienstausübung erfordere diese Situation "im schlimmsten Fall eine ans Pathologische grenzende Schizophrenie", so Stange. Dass mehr als jeder zweite Polizist mit Pegida sympathisiert, hält er dennoch für falsch. Ex-Pegida-Chef Jahn versuche mit "Polemik einen Schulterschluss von Polizei und fremdenfeindlicher Pegida zu konstruieren".
AfD: Pegida spiegelt Empfindungen vieler Deutscher wider
Auch die AfD geht in ihrer Antwort auf unsere Anfrage auf die Situation der Polizei ein. Die "Montagsdemonstranten" forderten eine bessere personelle und materielle Ausstattung der Beamten, heißt es in der Stellungnahme von Frauke Petry, der Bundesvorsitzenden und Fraktionsvorsitzenden der AfD im Sächsischen Landtag. "Damit haben sie sich sicher viele Freunde bei der Polizei gemacht, die seit Jahren von der sächsischen Staatsregierung kaputtgespart wird."
Petry verweist auf Umfragen, die zeigten, "dass die Sorgen und Ängste der Bürger auf den Montagsdemonstrationen mittlerweile die Empfindungen vieler Deutscher widerspiegeln und somit sicherlich auch vieler sächsischer Polizisten." Auf wie hoch sie den Anteil schätzt, schreibt Petry nicht.
Ein Aktivist, eine These. Fünf Parteienvertreter, fünf unterschiedliche Einschätzungen. Einfache Antworten gibt es keine. Weder zum Umgang der Polizei mit Pegida, noch auf den der Politik.