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Dresden und die UNESCO-Hypnose

Die Welt steht am Abgrund. Die Vereinten Nationen, in Gestalt ihrer zuständigen Komitees und Kommissionen, runzeln die Stirnen, ringen die Hände, drohen mit Konsequenzen. Protestnoten werden gewechselt, Prüfungen anberaumt, Ultimaten gesetzt. Regierungen intervenieren, Menschen lamentieren, Medien delirieren. Was ist los? Nordkorea dreht durch? Oder der Iran? Nein, es ist die Waldschlösschenbrücke, die im lieblichen Elbtal nahe bei Dresden gebaut werden soll.

Von Burkhard Müller-Ullrich |
    Seit Jahren hält uns die UNESCO mit diesem Thriller in Atem. Sein Titel: die Weltkulturerbeliste. Die ist inzwischen so lang wie Methusalems Bart; keiner weiß, was da außerhalb des heimischen Bezirks noch alles draufsteht, aber jeder möchte unbedingt da draufkommen und, wenn er endlich drauf ist, nicht wieder runterfliegen. Durch irgendeine PR-Magie hat die UNESCO es geschafft, alle Welt davon zu überzeugen, dass diese von irgendwelchen unbekannten Sachverständigen und Sachbearbeitern erstellte Welterbeliste irgendwie bedeutsam sei.

    Und nun wird diese Bedeutsamkeit von der UNESCO nach allen Regeln der Kunst und des Geschäfts bewirtschaftet. Dazu gehört, dass riesige Reisetruppen von Sachverständigen und Sachbearbeitern ständig um die Welt jetten, um den Zustand nicht nur des Elbtals und der Kölner Blickachsen, sondern auch der Lagunen von Neukaledonien und der historischen Kaffeeplantagen in Guantánamo zu begutachten, woraufhin ihre Vorgesetzten aus 193 Mitgliedsstaaten zu Konferenzen jetten, um feierlich Beschlüsse über die Erweiterung der Liste oder die strafweise Streichung einzelner Erbstücke zu fassen.

    Letzteres beschäftigt und besorgt die Dresdener sehr, denn einerseits wollen sie die Schönheit des Elbtals durchaus erhalten, andererseits aber wollen sie mit ihren Autos auch zügig über die Elbe kommen. Und die kleine Hufeisennase, jene Fledermausart, die durch den Bau der Brücke angeblich in ihrem Bestand gefährdet wird, soll natürlich auch geschont werden. Die Entscheidung ist sicherlich schwierig, und niemand kann sie den Dresdnern abnehmen. Wie aber kommt es, dass man mit der Waldschlösschenbrücke schon seit Jahren die ganze Republik rammdösig macht?

    Das ist wieder so ein UNESCO-Zauber, und er heißt: Kultur. Man muss nämlich hierzulande nur "Kultur" sagen, und schon ist die Sache wichtiger als Atombombe und Finanzkrise zusammen. Das spricht doch eigentlich sehr für uns - so sehr, dass wir Deutsche von der UNESCO ruhig zwei oder drei Welterbejoker bekommen sollten. Bloß - was sollen wir damit? Hat nicht jedes Land das Recht, seine schönsten Stellen zu verschandeln? Und bitteschön: Die Dresdner zerschießen ja keine Buddhastatuen, wie es die Taliban im Bamyantal taten, sie bauen bloß eine Brücke! Auch der Eiffelturm wurde mal als störend empfunden; hätte es damals schon eine UNESCO gegeben, wäre Paris glatt von der Dreisterneliste gestrichen worden. Doch letztlich ist diese Michelin-Mentalität das Gegenteil von Kultur: Sie ist was für Leute, die immer einem Führer folgen wollen. Also vor allem für Deutsche.