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Dresdner Flüchtlinge
"Die Atmosphäre ist vergiftet"

Montags sei die Innenstadt von Dresden mittlerweile eine No-Go-Area für Ausländer, sagte Ali Moradi vom sächsischen Flüchtlingsrat im DLF. Durch die Untersuchungspanne rund um den Tod des Flüchtlings Khaled Bahray - hier gingen Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst nicht von einem Tötungsdelikt aus - sei auch das Misstrauen gegenüber der Polizei groß.

Ali Moradi im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Demonstranten in Berlin tragen ein Trauerbanner in Gedenken an den getöteten Flüchtling Khaled aus Eritrea.
    Trauerfeier für den getöteten Flüchtling Khaled Bahray. (imago/Future Image)
    Er könne die Angst der Flüchtlinge nachvollziehen, weil die Mitläufer von Pegida keine bequemen Leute seien, sagte Ali Moradi im DLF. Er findet es nicht in Ordnung, dass die Landeszentrale für politische Bildung eine Plattform für die Pegida-Pressekonferenz geboten hat.

    Moradi hofft, dass der Fehler bei der ersten Untersuchung des getöteten Flüchtlings Khaled Bahray eine einmalige Panne sei. Vor Ort hatten die Ermittler die Stichverletzungen nicht gesehen, sie kamen erst bei einer späteren Obduktion heraus. Die Polizei und Staatsanwaltschaft gingen deshalb zunächst nicht von einem Tötungsdelikt aus.
    Er habe Vertrauen in die Arbeit der Polizei, weil er den Zuständigen seit Jahren kenne. Er glaube aber nicht, dass die anderen Flüchtlinge das gleiche Vertrauen hätten. Auf der Trauerfeier seien die Leute sehr aufgeregt gewesen. Es sei ein großes Misstrauen gegenüber der Polizei vorhanden.

    Das komplette Interview zum Nachlesen:
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon ist jetzt Ali Moradi, er ist Geschäftsführer des sächsischen Flüchtlingsrats. Er stammt aus dem Iran und ist seit 20 Jahren in Deutschland. Schönen guten Morgen, Herr Moradi.
    Ali Moradi: Schönen guten Morgen.
    Heckmann: Herr Moradi, wie verbreitet ist die Angst unter Flüchtlingen in Sachsen und wie macht die sich bemerkbar? Ist es so, dass sich viele nicht mehr auf die Straße trauen, wie es immer wieder heißt?
    Moradi: Das ist richtig. Das ist nicht neu, dass es in Sachsen Ausländerhass und Rassismus gibt. Aber was wir in den letzten zehn Wochen hier erleben: Woche zu Woche wird immer schlimmer und die Atmosphäre ist sehr vergiftet und die Leute haben Angst. Montag ist das Stadtzentrum fast zu einer No-Go-Area definiert worden und Montags schicken viele ihre Kinder nicht zur Schule. Und die Frauen, die Kopftuch tragen, die trauen sich nicht von zuhause raus. Am Abend sieht man kaum andere Gesichter, egal, ob sie Asylbewerber sind oder mit einem deutschen Pass ein bisschen wie Ausländer aussehende Personen sind oder Studenten, Doktoranden, egal was.
    Heckmann: Können Sie diese Angst nachvollziehen? Ist diese Angst berechtigt aus Ihrer Sicht?
    Moradi: Ich kann das nachvollziehen, weil die Mitläufer mit Pegida, die sind keine bequemen Leute. Ich glaube, Sie haben es sich angeschaut. Wir haben darunter zehn Prozent, 15 Prozent solche Neonazis und Hooligans, die nicht bequem und nicht friedlich laufen.
    Heckmann: Jetzt sagt die Pegida-Bewegung selbst, die Sprecherin jedenfalls am Sonntag im ARD-Fernsehen - ich weiß nicht, ob Sie es gesehen haben - und auch dann bei der Pressekonferenz am nächsten Tag in Dresden, man hätte gar nichts gegen Ausländer und man habe auch nicht das Ziel, dass Ausländer Angst hätten. Glauben Sie dieser Argumentation?
    Moradi: Kein Satz über Ausländer und deren Ängste
    Moradi: Ich glaube überhaupt nicht. Und genau in dieser Sendung, was ich eine Stunde lang gesehen habe, war kein Satz über Ausländer und Ängste und hatte auch niemand Verständnis auch für Ausländer und sich darum gekümmert, sondern man hat nur Pegida eine Bühne gegeben. Und gestern auch in Dresden hat die Landeszentrale für politische Bildung diesen Pakt gemacht. Ud unser Landeszentralchef, Herr Richter, die Rolle, die er spielt. Ob diese Rolle von der Landeszentrale definiert worden ist, das muss auch geklärt werden.
    Heckmann: Sie spielen darauf an, dass die Organisatoren der Pegida gestern eine Pressekonferenz in den Räumlichkeiten der Landeszentrale abgehalten haben. Finden Sie das eigentlich in Ordnung?
    Moradi: Landeszentrale agiert als Pegida-Versteher
    Moradi: Nein, das finde ich nicht in Ordnung, weil die Landeszentrale für politische Bildung sollte eigentlich überparteilich agieren. Und von Anfang an hat man hier Pegida unterstützt als Pegida-Versteher. Und nicht nur die, sondern wir haben hier auch einen Populismuswettbewerb in letzter Zeit gehabt.
    Heckmann: Das würde der Herr Richter sicherlich zurückweisen. Der würde sagen, oder sagt es ja auch, dass er einen Dialog mit den besorgten Bürgerinnen und Bürgern in Gang setzen will. Denken Sie nicht, dass das auch notwendig ist?
    Moradi: Mehr besorgte Bürgerinnen und Bürger sind die anders aussehenden Migranten und Leute mit Migrationshintergrund hier, dass die große Angst haben. Wer kümmert sich um die?
    Heckmann: Sie sind der Meinung, dass die Interessen und die Bedürfnisse der Flüchtlinge da komplett unter die Räder geraten bei der ganzen Diskussion?
    Moradi: Richtig.
    Heckmann: Und das ist symptomatisch für die Entwicklung in Deutschland im Moment?
    Moradi: Ja, das ist problematisch. Das ist sehr problematisch sogar.
    Heckmann: Kommen wir mal auf die Polizei zu sprechen und auf diesen schlimmen Todesfall von Khaled, dem Asylbewerber aus Eritrea. Die Polizeibeamten, die konnten ja zunächst kein Fremdverschulden feststellen. Glauben das eigentlich die Flüchtlinge, die mit ihm zusammengelebt haben, oder auch die, die sie kennen in Dresden, das den Polizisten, dass sie das nicht sehen konnten, diese Stichwunden? Oder ist da ein gewisses Misstrauen da?
    Moradi: Misstrauen gegenüber der Polizei sehr groß
    Moradi: Man redet davon, dass ein Arzt, eine Person untersucht hatte, die Leiche untersucht hatte. Ich weiß nicht, was für ein Arzt das war. Das ist meine erste Frage. Ich hoffe, dort diese Panne wird eine einmalige Panne sein, und ich habe großes Vertrauen an Herrn Dieter Kroll, den Präsidenten der Polizeidirektion in Dresden. Ich kenne ihn als gradlinig und hoffe, er wird von anderen Seiten nicht beeinflusst und er wird ein glasklares Ergebnis hier vorlegen.
    Heckmann: Würden Sie denn sagen, dass die meisten Flüchtlinge, die Sie kennen in Dresden, dieses Vertrauen auch haben so wie Sie in die Polizei?
    Moradi: Leider nicht. Ich kenne Herrn Dieter Kroll seit Jahren. Deswegen weiß ich, dass er eine gradlinige und korrekte Person ist.
    Heckmann: Und wie macht sich das Misstrauen der anderen Flüchtlinge bemerkbar? Was sagen die?
    Moradi: Das war auch ganz genau zu sehen am letzten Samstag, diese Trauerfeier, die wir hier durchgeführt haben. Die Leute waren aufgeregt, sehr aufgeregt. Und manche Schwarzafrikaner, die sagen, das ist wieder der nächste Mord, der nicht aufgeklärt werden wird.
    Heckmann: Also ein großes Misstrauen auch durchaus gegenüber den Ermittlungsbehörden und der Polizei.
    Moradi: Das ist ein großes Misstrauen gegenüber der Polizei.
    Heckmann: Herr Moradi, ich danke Ihnen für das Gespräch. Wir haben gesprochen mit Ali Moradi, dem Geschäftsführer des sächsischen Flüchtlingsrats, über die Situation von Flüchtlingen in Dresden im Jahr 2015. Danke, Herr Moradi.
    Moradi: Schönen Dank. Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.