Archiv


Dringender Handlungsbedarf

Bis zum Jahr 2010 soll das massenweise Artensterben verlangsamt werden - dieses Ziel hatte sich die internationale Gemeinschaft gesetzt. In einer Woche beginnt im japanischen Nagoya ein neuer UN-Gipfel zur Biologischen Vielfalt und Naturschützer fordern, das Thema endlich ernster zu nehmen.

Von Dieter Nürnberger |
    Für den NABU, den Naturschutzbund, geht es immer noch darum, beim Thema Verlust der Artenvielfalt, weltweit die Trendwende zu schaffen. 2010 ist ja das UN-weit deklarierte Jahre der Biodiversität – und eigentlich wollte die Weltgemeinschaft bis zu diesem Zeitpunkt das Artensterben zumindest verlangsamen. Nichts davon ist gelungen – und teilweise werde die Situation derzeit bei einigen Tier- und Pflanzenarten immer dramatischer. Jörg Andreas Krüger ist stellvertretender Bundesvorsitzender des NABU – er nennt ein sehr anschauliches Beispiel, welches auch für unsere Breitengrade zutrifft.

    "Wir haben hoch bedrohte Tiergruppen – beispielsweise die Frösche. Von rund 6500 Arten auf dieser Erde sind fast 2000 direkt vom Aussterben bedroht. Wir verlieren quasi pro Woche eine Art."

    Somit sei ein dringlicher Handlungsbedarf der über 190 Vertragsstaaten bei dieser Konferenz gegeben. Doch im Grunde war dies auch schon vor zwei Jahren so – als in Bonn die Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen stattfand. Die Schwierigkeit wird sein, sämtliche Länder sozusagen unter einer gemeinsamen Idee und auch unter gemeinsamen Maßnahmen zu vereinen. Die Vereinigten Staaten beispielsweise nehmen an der Konferenz teil, sind aber nicht Vertragsstaat – übrigens eines der letzten Länder auf der Welt, die bislang nicht beigetreten sind.

    Es geht natürlich – aus Sicht des Naturschutzbundes – um die Erhaltung von Lebensräumen, die Schaffung von besonderen Schutzgebieten also. Dafür brauche man Geld. Langfristig streben Umweltverbände deshalb an, dass künftig rund ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes eines jeden Staates in dieses Aufgabenfeld Erhaltung der Artenvielfalt investiert werde. Jörg Andreas Krüger.

    "Wir haben gelernt, dass es nicht allein darauf ankommt, Geld in die Landschaft und für Schutzgebiete zu investieren. Es ist aber eine wesentliche Säule. Viel wesentlicher aber ist, dass wir bei der Produktion für Nahrungsmittel darauf achten, wie nachhaltig dies ist. Wie verankern wir hier Naturschutz und auch die Forderung nach Erhalt der Artenvielfalt."

    Und das gehe eigentlich nur über einen Katalog an ordnungspolitischen Maßnahmen – sprich: Bei besonders umwelt- und artenschutzschädlichen Verfahren müsse ein Verbot her. Das könnte beispielsweise die Abschaffung destruktiver Fangpraktiken sein, Stichwort somit: Fischereipolitik.

    "Es gibt Fischereitechniken wie etwa die Langleinen-Fischerei. Das sind kilometerlange Angelschnüre, alle zwei Meter hängen hier riesige Haken. Daran hängen dann später auch Hunderte von Säugetieren und Vögeln. Die verenden, weil sie sich an den Ködern festbeißen. Das Zweite ist die sogenannte schwere Grundschleppnetz-Fischerei: Schwere, mit Metallkörpern ausgestattete Netze, pflügen hierbei den Meeresgrund um. Damit wird aber im Prinzip die gesamte Ökologie des Meeresbodens aufgewühlt – Seesterne und anderes eben auch."

    Besonders bei diesem Punkt – einem Verbot solcher Fangpraktiken – will zumindest Europa Vorreiter sein. So hat auch das EU-Parlament erst kürzlich eine solche Forderung in ihre Zielvorgaben für die Konferenz in Japan mit aufgenommen.

    Und ein Punkt sei diesmal besonders wichtig. In Nagoya soll zumindest ein erster, wichtiger Schritt beschlossen werden, der künftig eine Anpassung der Patentgesetze der Industrieländer an die Bestimmungen der Biodiversitätskonvention vorsieht. In der Fachsprache wird dies ABS genannt – Access and Benefit Sharing. Jörg Andreas Krüger erklärt, worum es hierbei genau geht:

    "Im sogenannten ABS-Protokoll wird es darum gehen, Ländern mit vielen genetischen Ressourcen – Pflanzen aus Regenwäldern als Beispiel – einen Vorteilsausgleich zu gewähren. Konzerne der westlichen Welt nutzen dies ja, um etwa Medikamente oder Kosmetika herzustellen. Bisher ist es so, dass die hier forschenden Unternehmen sich ihre Entdeckungen patentieren lassen. Die Herkunftsländer solcher Ressourcen haben aber keine Möglichkeiten, damit Geld zu verdienen. Künftig sollten die Konzerne zumindest etwas dafür bezahlen."

    Die Liste der Forderungen des Naturschutzbundes im Vorfeld der Konferenz in Nagoya ist somit recht lang und vielfältig, was die Maßnahmen angeht.