Archiv

Drittmittelfinanzierung
Wenn Facebook der Forschung den Geldhahn zudreht

Offenbar ist das von Facebook gesponserte Ethikinstitut für Künstliche Intelligenz der TU München doch nicht so unabhängig wie immer behauptet. Das lassen Verträge vermuten, die jetzt geleakt wurden. Institutsleitung und Wissenschaftsministerium dementieren eine Einflussnahme auf Inhalte und Personal.

Tobias Krone im Gespräch mit Thekla Jahn |
Ein Schild mit der Aufschrift "Referat Drittmittel" hängt in der Domstraße an einem Gebäude der Universität von Greifswald (Mecklenburg-Vorpommern), aufgenommen am 28.01.2013.
Welchen Einfluß eine Mitfinanzierung durch Drittmittel auf Forschung und Lehre hat, ist nicht immer ganz klar. (picture alliance / dpa / Stefan Sauer)
Thekla Jahn: Die TU München präsentiert sich nach außen hin gern als unternehmerische Hochschule. An der bayerischen Exzellenzuni blühen die Forschungsprojekte – und auch die Start-Up-Szene gedeiht gut. Was ebenfalls gut zu laufen scheint, ist die Kooperation mit großen Wirtschaftsunternehmen, etwa dem Software-Giganten SAP. Der hat angekündigt, jetzt ein Forschungszentrum für 700 IT-Forscherinnen und -Forscher zu bauen – direkt auf dem TU-Campus. Und auch Facebook hat schon Anfang des Jahres für Aufsehen gesorgt, indem es ein Ethikinstitut für Künstliche Intelligenz mitfinanziert – offiziell "ohne irgendwelche Auflagen und Erwartungen". Dass diese Forschungsfreiheit zumindest stark bezweifelt werden kann, zeigt jetzt der Vertrag, der zu diesem Sponsoring durch die Süddeutsche Zeitung an die Öffentlichkeit gekommen ist – und der auch unserem Bayernkorrespondenten Tobias Krone vorliegt. Herr Krone, was steht in dem Vertrag denn genau drin?
Tobias Krone: In dieser schriftlichen Vereinbarung über die Schenkung von 7,5 Millionen Dollar stehen vor allem zwei interessante Sachen drin. Die Geldsumme fließt nicht als Gesamtsumme, sondern in einzelnen Raten von jährlich 1,5 Millionen Dollar. Ob die Zahlung kommt, entscheidet Facebook immer am 30. November eines jeden Jahres. Nach dem Gutdünken des Unternehmens fließt also jeweils das Geld – man kann es so lesen, dass die TU das Geld nicht einklagen kann und das Facebook jederzeit auch mal nicht zahlen kann.
Das andere interessante Detail ist, ein Punkt der Vereinbarung lässt sich so lesen: Wenn sich an der Leitung des Instituts etwas ändern sollte, dann müsse Facebook schriftlich zustimmen. Bisher sitzt der unternehmensfreundliche Wirtschaftsethiker Christoph Lütge an der Spitze dieses Instituts. Das bayrische Ministerium für Wissenschaft sagt aber, das so zu lesen, als habe Facebook Mitspracherecht beim Personal, das sei abwegig.
Kritiker vermuten indirekte Einflußnahme
Jahn: Heißt das, Facebook bestimmt mit bei der Erforschung der Ethik im Digitalen?
Krone: Das ist zu mindestens die große Sorge von Kritikern, dass dies schon eine relativ starke, indirekte Einflussnahme sei auf die Inhalte. Denn wenn die Inhalte nicht genehm wären, könnten die Mittel ja sofort eingestellt werden. Deshalb überlege sich ein Forscher, ob er etwas Unangenehmes zu Facebook sagen würde.
Jahn: Was sagt denn das Institut dazu?
Krone: Institutsleiter Christoph Lütge wehrt sich gegen diese Vermutungen. Es bleibe dabei, Facebook bestimme nicht inhaltlich mit, auch nicht beim Personal. Auch Forscher, die sich in der Vergangenheit kritisch gegenüber sozialen Medien geäußert hätten, würden im Institut mitarbeiten. Die Finanzierung in Tranchen sei üblich bei Zuwendungen von privaten wie öffentlichen Geldgebern.
Das stimmt soweit, aber inhaltliche Zwischenchecks sind bei öffentlichen Projektförderungen eher unüblich.
Sponsoringverträge werden normalerweise nicht veröffentlicht
Jahn: Ist der Fall von Facebook an der TU München jetzt ein Sonderfall?
Krone: Besonders an diesem Fall ist vor allem das ambivalente Image von Facebook, das ja mit dem Ethikzentrum das eigene Image etwas aufpolieren könnte. Sponsoring an dieser renommierten Uni, die grundsätzlich offen ist gegenüber Kooperationen mit vielen Unternehmen, ist ganz normal. Aber hier wurde ein Vertrag veröffentlicht. Deutschlandweit bleiben solche Verträge in der Regel geheim.
Jahn: Die TU München feiert gerade eine langfristige Forschungskooperation mit den Software-Giganten SAP. Muss man sich da auch Sorgen machen um die Forschungsfreiheit?
Krone: Das würde ich so nicht sagen. Zunächst muss man sagen, dass dies ein Meilenstein ist. Da kommen 700 Forscherinnen und Forscher an den TU-Campus, die dort zu Künstlicher Intelligenz, zu Cloud-Computing, zu Mobilität, zum maschinellen Lernen. Wie sehr die jeweiligen Partner von dieser Zusammenarbeit profitieren, das wird sich halt noch zeigen.