Weil er mit ansehen muss, wie immer mehr seiner Freunde in die Drogensucht abrutschen, versucht der Rapper Pseiko aus Finsterwalde mit dem Song "Wo bist du jetzt?" gegen zu steuern. Das Video zeigt die Geschichte zweier Freunde: Einer der beiden zerbricht unter anderem an Crystal Meth.
Rapper Pseiko will mit seinem Video die User zum Umdenken bewegen. Ein schwieriges Unterfangen, weiß Daniel Schmidt aus einer Kleinstadt in Südbrandenburg. Der 22-Jährige hat das Zeug sieben Jahre lang genommen. Das sieht man ihm anderthalb Jahre nach seinem Entzug nicht mehr an: Der große, schlanke junge Mann wirkt fit. Als einzige Spätfolgen bemerke er Gedächtnisschwächen, sagt Daniel. Dennoch nennt er Crystal Meth brandgefährlich.
"Es ist pro Sekunde, pro Herzschlag ein Adrenalinausstoß und Glücksgefühle, also Glückshormone werden da durchweg immer wieder ausgestoßen. Es ist einfach nur ein echt geiles Gefühl, muss ich wirklich sagen. Die ersten zwölf Stunden nach dem Konsum ist man megakonzentriert. Man kann Kleinigkeiten aufs Perfekteste genau machen, ohne einen Fehler. Das ist einfach der Turn daran. Man ist wach, man ist aktiv, man hat Unternehmungslust, immer irgendwas suchen. Was kann man machen, wo kann man hin? Ja, das ist halt Crystal."
Produziert wird in ganz Deutschland
Methamphetamin zügelt den Appetit und macht schmerzunempfindlich. Es ist einfach herzustellen, die Zutaten gibt es im Internet. Gekocht wurde früher in Tschechien, Schmuggler brachten die Droge über Sachsen und Sachsen-Anhalt nach Brandenburg. Mittlerweile werde Crystal aber längst auch in der Lausitz und in ganz Deutschland produziert, erzählt Daniel. In den kleinen Städten der Region sind es aber nicht nur Jugendliche, die die Droge konsumieren, wie Karsten Wolff erklärt, Chefarzt für Psychosoziale Gesundheit des Klinikums Niederlausitz in Senftenberg.
"Wir haben eine sehr breite Palette an Patienten, das geht von Party People los, die die Droge einfach nehmen, um Spaß zu haben, gut drauf zu sein, nächtelang durchfeiern zu können. Wir haben Arbeiter und Angestellte, die Crystal konsumieren, um leistungsfähiger zu sein. Wir haben auch Mütter, die uns sagen: 'Wir schaffen unseren Haushalt mit den drei Kindern nicht, wenn wir kein Crystal nehmen'."
Babys sind fürs Leben geschädigt
Wolff und seine Kollegen sehen in der Klinik die traurigen Endstadien der Sucht: Junge Mütter, die während der Schwangerschaft auf Crystal waren und so ihr Baby fürs Leben geschädigt haben, verwirrte Junkies, die von der Polizei in Handschellen gebracht werden. Die Patienten-Zahlen sind dramatisch angestiegen: Von sechs Fällen im Jahr 2013 auf 160 im vergangenen Jahr. Mittlerweile sind die Kapazitäten der Klinik am Limit. Und die Dunkelziffer ist natürlich noch viel höher, die Folgen sind gravierend. Crystal Meth wirkt neurotoxisch, sagt Chefarzt Karsten Wolff:
"Wir wissen, dass bis zu 15 Prozent an Hirngewebe irreversibel geschädigt werden können. Besonders problematisch ist, dass es Regionen betrifft, wie zum Beispiel das limbische System, was für Impulskontrolle, Affektsteuerung zuständig ist, sodass diese Patienten oft sehr enthemmt aggressiv sind, sich nicht beherrschen können und von ihnen auch ein hohes Gewaltpotenzial ausgeht."
So würde es Karsten Wolff auch nicht überraschen, wenn sich bestätigt, dass ein 24-Jähriger, der im Februar seine 79 Jahre alte Großmutter in Müllrose im Kreis Oder-Spree getötet haben soll und auf der Flucht zwei Polizisten überfuhr, unter dem Einfluss von Methamphetamin stand. Wolff: "Das ist durchaus wahrscheinlich, das sind so typische Verläufe."
Beschaffungskriminalität stark angestiegen
Ein Gramm Crystal kostet in der Lausitz knapp 100 Euro, entsprechend heftig ist die Beschaffungskriminalität in der Region angestiegen. Die Landesregierung hat die Mittel für die Suchtberatungsstellen erhöht. Außerdem wurde "Breaking Meth" ins Leben gerufen: Ein neues Online-Selbsthilfeportal für Konsumenten. Aber bei Heavy Usern, die lange konsumiert und hoch dosiert haben, liege die Rückfallquote seiner Erfahrung nach um 90 Prozent, sagt Mediziner Wolff. Umso wichtiger seien die Prävention in Schulen und spezielle Nachsorge-Einrichtungen.
Daniel Schmidt ist heilfroh, dass er clean ist. Als seine Kumpel ihn beklauten, um Crystal kaufen zu können, wurde ihm klar, wie zerstörerisch das Zeug ist. Er ging in eine Beratungsstelle, machte einen Entzug und eine Langzeittherapie. Seit einem Jahr arbeitet der sympathisch offene junge Mann in einem Gartenbaubetrieb, mit Aussicht auf einen Ausbildungsvertrag. Kein leichter Weg, sagt Daniel Schmidt:
"Da ist ein starker Wille vonnöten, unbedingt. Die Leute, die sagen, sie wollen aufhören, aber es eigentlich im Prinzip nicht wirklich ernst meinen, schaffen es nicht. Die Leute, die es wirklich richtig ernst meinen, die wirklich sagen: ‚Ich habe keine Lust mehr drauf, ich will das einfach nicht mehr‘, die schaffen es. Es ist wirklich nur eine reine Kopfsache. Sucht herrscht eigentlich nur im Kopf."